Der Spaziergänger, der grummelt, weil der Bauer im Dorf «ausgerechnet jetzt» Gülle ausbringt. Die Konsumentin, die genau wissen will, was hinter einem Label steckt. Das Stadtkind, dass an einer Messe erstmals sieht, wie eine Kuh gemolken wird.

Landwirtschaft erklären

Agrarscouts sollen künftig auch in der Schweiz der Nicht-Bauernwelt vermitteln, was hinter den Landwirtschaftsprodukten steckt. Ende April und Anfang Mai bietet der Landwirtschaftliche Informationsdienst (LID) erstmals zwei Kurse dazu an. Angemeldet haben sich 21 Bäuerinnen und Landwirte.

Agrarscouts sollen den Dialog zwischen Stadt und Land fördern. In den zwei Kursen erhalten sie das dazu nötige Kommunikationsrüstzeug. Die Idee hinter dem Projekt: Über das persönliche Gespräch Hintergrundwissen vermitteln, Fragen beantworten, Missverständnisse klären, Verständnis wecken. Agrarscouts können auf dem eigenen Hof wirken, an Messen, aber auch an Marktständen.

Kostenloser Kurs

Die Ausbildung dauert zwei Tage und ist für die Teilnehmenden kostenlos. Am ersten Tag gibt es «eine Anleitung zur souveränen Gesprächsführung und den Umgang mit kritischen Fragen», wie der LID schreibt. Dazu kommen praktische Übungen. Am zweiten Tag können die Kursteilnehmenden ihr neues Wissen gleich in der Praxis an einer Messe testen – wie diesen Frühling an der BEA in Bern.

In Deutschland läuft das Projekt «Agrarscouts» erfolgreich seit sechs Jahren. Mittlerweile sind gibt es dort rund 650 ausgebildete Agrarscouts, die regional auch untereinander vernetzt sind. In der Schweiz will der LID künftig zwei bis vier Ausbildungen pro Jahr anbieten, in verschiedenen Regionen. 

Weitere Informationen

Direkter Kontakt

Bereits erste Erfahrungen als Agrarscout hat Christine Burren vor zwei Jahren gesammelt. «Ich habe die Ausbildung in Deutschland gemacht und hatte einen Einsatz an der Grünen Woche in Berlin», erzählt sie. Es kamen unterschiedliche Menschen, die teils keinerlei Ahnung von der Landwirtschaft hatten und Kinder, die noch nie lebendige Kälber gesehen hatten. «Ein Kind begann bei deren Anblick gar zu weinen.»

Was ihr am Einsatz als Agrarscout besonders gefällt, ist der direkte Kontakt. «Dabei erzählen wir nicht nur von der Landwirtschaft, sondern erfahren auch, was die Konsumenten bewegt.» Christine Burren lebt mit ihrem Mann selbst auf einen Landwirtschaftsbetrieb in Liebewil BE. Die Mutter eines einjährigen Kindes hat regelmässig Kontakt zu Konsumenten, die im Hofladen einkaufen. «Die Ausbildung hilft mir zu erklären, was wir warum machen.» [IMG 3]

Erzählen als Chance

Eine der Teilnehmerinnen des neuen Schweizer Kurses ist Barbara Lüthi-Kohler aus Burgdorf, Bäuerin und Vizepräsidentin des Berner Bauernverbands (BEBV). «Ich bin der Meinung, dass das direkte Gespräch mit Konsumierenden eine wichtige Aufgabe von Bäuerinnen und Bauern ist», sagt die 47-Jährige. «Ich mache das gerne und will auch andere motivieren. Es fördert das gegenseitige Verständnis.» [IMG 2]

Auch sie hat auf ihrem Hof in Burgdorf regelmässig Kontakt mit Konsumentinnen und Konsumenten. «Es besteht einRiesen-Interesse an Landwirtschaftsthemen.» Doch die Menschen seien oft sehr verunsichert, wüssten nicht, was wahr ist und was nicht. «Aus der Praxis zu erzählen, sehe ich als Chance.»

Die Sicht des Praktikers

Landwirt und Agrotechniker Reto Burkhalter (27) hatte schon vor zwei Jahren Interesse an der Ausbildung. Doch durch Corona wurde alles auf Eis gelegt. «Ich arbeite auf dem Hof der Eltern und der steht nahe beim Dorf.» Er stehe fast täglich im direkten Dialog mit Nachbarn und Spaziergängerinnen. «Vielen fehlt das Hintergrundwissen, zum Beispiel, wenn es um Pflanzenschutzmittel geht.» [IMG 4]

Er möchte vermehrt versuchen, Aufklärungsarbeit zu leisten. «Den Leuten aus Sicht des Praktikers zeigen, was wir leisten.» Es wisse, dass es oft kontroverse Meinungen zu einem Thema gebe. «Daher will ich im Auftreten sicherer werden und die Grundsätze der Gesprächsführung festigen und erweitern.» Einen Einsatz an einer Messe kann er sich gut vorstellen. «So kann ich helfen den Stadt-Land-Graben zu überbrücken.»