«Arbeitsplatz Bauernhof» hiess daher das Thema, das die Präsidentinnen und Geschäftsführerinnen der vier deutschsprachigen Bäuerinnen- und Landfrauenverbande an ihrem diesjährigen Treffen diskutierten. Sie trafen sich diesmal vom 9. bis 11. September 2023 in Südtirol. Die Bäuerinnen- und Landfrauenverbände aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Südtirol vertreten rund 646 000 Bäuerinnen und Landfrauen, wie die Südtiroler Bäuerinnen-Organisation in einer Medienmitteilung schreibt.

Starker Druck

Der Bauernhof ist ein schöner Arbeitsplatz. Doch die Landwirtschaft steht vor grossen Herausforderungen. Etwa bei den Marktpreisen, was die Ansprüche der Gesellschaft an die Produktion betrifft, in Sachen Klimawandel, steigende Produktionskosten, Preissteigerungen, geringe Entlohnung oder geringe soziale Absicherung. Einig waren sich die vier Präsidentinnen, dass diese Herausforderungen in der Landwirtschaft psychisch oft stark belasten, was zu psychischen Erkrankungen führen kann. Eine Enttabuisierung des Themas und Prävention sind daher notwendig.

Frauen bringen neue Sicht

Einig war man sich auch, dass die Frauen auf den Höfen für die Betriebe eine grosse Chance sind. «Wir sehen, dass Frauen oft mit einem völlig anderen Bildungs- oder Ausbildungsweg auf die Höfe kommen, und dadurch eine andere Sicht auf die Dinge mitbringen», sagte Irene Neumann-Hartberger, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Österreichische Bäuerinnen in der LK Österreich. «Sie sind motiviert, denken innovativ und leisten somit einen großen Beitrag für die Zukunft der Landwirtschaft.»

Doch die soziale Absicherung der Frauen wird immer noch zu wenig thematisiert. «Die Frauen brauchen Perspektiven, sonst wird es schwer werden, in Zukunft Frauen für den Arbeitsplatz Bauernhof zu begeistern», betonte Anne Challandes, Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes SBLV. Neben den betrieblichen Investitionen ist die soziale Absicherung essenziell. Es sei aber ein gesellschaftspolitisches Thema und d muss es von allen land- und forstwirtschaftlichen Organisationen, der Beratung und der Politik mitgetragen werden.

Wissen vermitteln

«Jede Ehe endet entweder mit Scheidung oder Tod, das muss ich mir klarmachen, und da muss ich wissen, wo stehe ich dann», sagte Petra Bentkämper, Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes. Es gehe in erster Linie darum, ausreichend Wissen über rechtliche und die soziale Situation zu haben. Deshalb sollte das soziale Absicherung bereits in den Schulen thematisiert werden.

Der Ländervergleich beim Vierländertreffen hat neue Möglichkeiten im Bereich der sozialen Absicherung aufgezeigt. Etwa Zusatzpunkte bei Pflegearbeit und Kindererziehungszeiten für die Höhe des Rentenbeitrages in Deutschland. Anrechnung der Kindererziehungsjahre für das Rentenalter und Pflegebonus in Österreich.

Möglichkeiten ausschöpfen

Soziale Absicherung in der Agrarpolitik verankern in der Schweiz. «Es gibt Möglichkeiten, und eine gemeinsame Auseinandersetzung mit diesem Thema ist dringend notwendig,» erklärt die Südtiroler Landesbäuerin Antonia Egger. «Eine gute soziale Absicherung der Frauen auf den Höfen muss geboten werden, damit es für die Frauen interessant ist, den Bauernhof als Arbeitsplatz wahrzunehmen.»

Forderungen an Politik und Gesellschaft

Die vier Präsidentinnen forderten daher zum Thema soziale Absicherung:

• Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter müssen Verantwortung für die soziale Absicherung aller mitarbeitenden Familienmitglieder am Hof übernehmen.

• Die Alterssicherung muss dringend zum Thema gemacht werden. Es ist die  Aufgabe von Politik und Gesellschaft, für das Thema frühzeitig zu sensibilisieren, um so weiblicher Einkommens- und Altersarmut vorzubeugen.

• Die Besonderheiten in der Landwirtschaft müssen stärker berücksichtigt werden. Unabhängige Beratungsangebote zur Alterssicherung müssen ausgebaut, sichtbar und von den Frauen und ihren Familien angenommen werden.

• In Berufs- und Fachschulen sowie in den Hochschulen muss das Thema soziale Absicherung aufgegriffen werden. Es ist wichtig, dass Jugendliche frühzeitig verstehen, wie wichtig die soziale Absicherung ist und was die Konsequenzen einer ungenügenden Vorsorge sind.

• Sensibilisierung ist notwendig: Frauen und Männer müssen sich aktiv mit diesem Thema auseinandersetzen und vor allem in Hinblick auf Krankheit, Invalidität, Tod, Alter und Trennung bestmöglich für beide vorsorgen.

• Eine jährliche Mitteilung über den Stand des Renten- oder Pensionskontos sensibilisiert die Frauen frühzeitig und gibt die Möglichkeit rechtzeitig zu reagieren.

• Dieses gesellschaftspolitische Thema ist von allen land- und forstwirtschaftlichen Organisationen, der Beratung und der Politik mitzutragen.