28 Milchkühe, ein Zuchtstier, Kälber, Rinder, zwei Pferde, ein Hund, Katzen, viel Grasland, wenig Getreide, Obstbäume und Wald – das ist der Betrieb von Susann Winkler und ihrem Mann Christoph Schär. Für viele Kinder aus dem Mittelland zwischen Solothurn und Zürich ist es der Bauernhof, auf dem sie zum ersten Mal mit der Landwirtschaft in Kontakt kommen. Und das liegt am Engagement von Susann Winkler.

Sie bietet auf dem Berghof Rohr, wie der Bio- und Demeter-Betrieb offiziell heisst, Kindergeburtstage an. Das bis zu vierstündige Programm können sich die Eltern samt Nachwuchs selbst zusammenstellen. Neben dem «normalen» Bauernhofprogramm stehen auch Erlebnisse mit den Pferden oder Detektivspiele im Angebot. «Wir sind da sehr flexibel», sagt Susann Winkler, «so wie es ein Anbieter heute eben sein muss».

Kinder können selber käsen und mosten

Auch Schulkinder lernen bei Susann Winkler, wo das Essen herkommt. Im Rahmen des Projekts «Schule auf dem Bauernhof» führt sie Schulklassen in die Landwirtschaft ein. Neben einem «Kuhführerschein» und dem Thema «Sozialkompetenz von Tieren lernen» hat sie auch Praktisches im Angebot: So können die Schülerinnen und Schüler Frischkäse herstellen oder im Herbst selber Süssmost aus Äpfeln von der hofeigenen Obstwiese machen.

In der Region kommen Susann Winklers Angebote gut an. «Das Einzugsgebiet geht bis nach Zürich», sagt sie: «Die Leute nehmen bis zu einer Stunde Anreise in Kauf.»

Kühe mit Hörnern «schon speziell»

Viele ihrer Ideen hat Susann Winkler aus ihrer alten Heimat mitgebracht. Vor der Hofübernahme am 1. Mai 2009 lebte sie in Deutschland, im Chemnitzer Erzgebirge unweit der tschechischen Grenze. Von dort brachte sie vier Jahre Erfahrung mit Kindergeburtstagen auf dem elterlichen Milchviehbetrieb mit. Im Erzgebirge sehe es ähnlich aus wie im Jura, sagt Susann Winkler. «Wir haben auch Berge, aber es ist nicht ganz so steil.» In den Kanton Solothurn kam sie der Liebe wegen – mehr will sie dazu nicht verraten. [IMG 2]

Den Berghof konnten sie und ihr Mann zuerst pachten und später kaufen. Christoph Schär ist gelernter Landmaschinenmechaniker und macht auch noch Lohndrusch. Sie selbst ist Technikerin für Landbau und Umwelt/Landschaft. Der Hof wird seit 2002 biologisch-dynamisch bewirtschaftet.

Trotz der ähnlichen Landschaft sei der Unterschied zum Heimatbetrieb in Sachsen gross, führt Susann Winkler aus. «Wir haben hier Kühe mit Hörnern – das ist schon speziell, wenn man so etwas noch nie hatte», sagt sie. Auch der Verzicht auf Pflanzenschutz sei für sie eine grosse Umstellung gewesen. «Es ist hier sehr viel mehr Handarbeit, und alles ist viel kleiner strukturiert als in Deutschland, auch wenn wir dort keinen riesigen Betrieb hatten.»

Heimweh unterschätzt

[IMG 3]Schwierigkeiten hatte ihr anfänglich auch die Sprache bereitet. In anderen Berufen komme man unter die Leute und lerne schnell. «Von den Milchkühen konnte ich kein Schweizerdeutsch lernen», verdeutlicht sie. Wenn man mit 30 als bodenständige Landwirtin die Heimat verlasse, sei auch das Heimweh ein Thema. «Das hatte ich unterschätzt», gesteht sie.

Häufige Besuche in der alten Heimat lagen wegen der Milchwirtschaft von Anfang an nicht drin. Daran habe sich bis heute nicht viel geändert. «Ich kann ja nicht weg», stellt Susann Winkler lapidar fest. Die Familie und die alten Kollegen sieht sie, wenn diese in die Schweiz zu Besuch kommen. Mittlerweile sei das recht häufig der Fall. Dass sie so weit wegzog, sei in ihrem Umfeld am Anfang aber nicht so auf Begeisterung gestossen, erinnert sie sich.

Nicht wählen müssen

Sie selbst ist vom Leben auf dem Berghof Rohr aber nach wie vor begeistert. «Es ist die Kombination», sagt sie. «Die Landwirtschaft, und was wir zu Hause alles haben und machen können, mit den Kindern, das Melken, die Pferde, wenn ich wollte, könnte ich jeden Tag reiten.» Es sei schön, nicht zwischen einer schönen Arbeit und einem schönen Wohnort wählen zu müssen. Hobbys brauche sie da keine, winkt Susann Winkler bei der Frage nach der Freizeit ab. Ein Wunsch sei höchstens, etwas mehr Zeit für Ausfahrten mit den Pferden zu haben. «Sonst sind wir gut versorgt.»  [IMG 4]

Auch hier spielt die besondere Lage des Berghofs eine Rolle. Denn auch wenn rund um den Hof kaum etwas anderes zu sehen ist als Wiesen, Wälder und andere Bauernhöfe und sich der Verkehrslärm auf die Motorräder beschränkt, die an den schönen Sommerwochenenden über den Schafmatt-Pass ins Oberbaselbiet fahren, sind die kleinen Gäste in zehn Minuten von Olten auf dem Berghof. «Wir könnten jederzeit zusammen ins Kino gehen, wenn wir Lust hätten», sagt Susann Winkler. Ihr Ziel sei es, zu bleiben. «Wir sind hier mittlerweile gut akzeptiert», zieht sie Bilanz.