Winter ist Spitalzeit. So plante auch Christoph Graf seine Hüftoperation auf Anfang Januar und die Knie-OP einen Monat später. Graf bewirtschaftet mit seiner Frau Erika einen 35-ha-Milchwirtschafts- und Ackerbaubetrieb in Ramsen. Sie versorgen 32 Milchkühe in einem Freilaufstall.

Im Sommer begann Christoph Graf seine Spitalzeit und Rekonvaleszenz zu. Es waren zig Anrufe nötig, bis er die nötige Stallvertretung zusammen hatte. Anders als geplant verschlimmerte sich seine gesundheitliche Situation, sodass die Hüftoperation auf anfangs Dezember vorverschoben wurde. Das Knie war einen Monat später dran.

Telefonrunde à gogo

Wieder setzte sich Christoph Graf auf der Suche nach einem Betriebshelfer ans Telefon. Wie beim ersten Anlauf machte er die Erfahrung, dass zwar viele bereit waren, ein paar Tage auszuhelfen, vielleicht mal ein Wochenende, aber doch nicht permanent ganze vier Monate und über die Festtage schon gar nicht. Es war eine Nonstop-Telefonrunde nötig, bis sich eine Lösung fand.

So sprangen im Dezember zwei befreundete Landwirte aus der Region ein. Anschliessend wird Graf im Zweiwochen-Rhythmus jeweils von einem Landwirt, der aus einer benachbarten Tierhaltergemeinschaft ausgeschieden war, und von Adrian vom Betriebshelferdienst Maschinenring Ostschweiz (siehe Kasten) vertreten. Sie melken, füttern und streuen allenfalls ein. Erika Graf steht den Betriebshelfern im Stall zur Seite und kümmert sich um die Kälber.

Graf leitete mit seinen Erfahrungen an Krücken stehend das Thema «Ersatz bei Ausfall des Betriebsleiters» an der regionalen Milchtagung ein. Den Anlass hatten vier Thurgauer Agroberatungsvereine in der Taverne Ziegelei in Istighofen organisiert. Die Thematik mobilisierte die Milchviehhalter. Die Taverne war bis auf den letzten Platz besetzt. Viele Milchviehhalter bewirtschaften ihren Betrieb wie Christoph Graf mit familiären Ressourcen. «In jungen Jahren stampft man einen Stall aus dem Boden und hält über die Jahre mit der Modernisierung Schritt. Der Betrieb wird grösser und komplexer. Damit steigt die Arbeitsbelastung», fasste Manuel Hüglin vom Agroberatungsverein Bussnang zusammen. Vom sogenannten Work-Life-Balance kann nicht mehr die Rede sein.

Wie gross das Aufgabenspektrum und die Verantwortung der Tierhalter ist, zeigte auch Tierarzt Beat Brechbühl auf. Er referierte über den Mastitiserreger Streptococcus uberis – ein hartnäckiger Umweltkeim, der hohe Anforderungen an die Melk- und Stallhygiene stellt.

«Betriebshelfer haben oft einen besseren Stundenlohn als der Landwirt.»

Fabian Brühwiler, Geschäftsführer MR Ostschweiz

Für Cow Comfort ist gesorgt

«Seitens der Melksystemanbieter ist zwar viel von Tierwohl oder Cow Comfort die Rede, nicht aber von einem Rundum-Stellvertreterservice für den Betriebsleiter», brachte es Christine Heller, Betriebsberaterin vom Arenenberg auf den Punkt. Betriebshelfer bei Krankheit oder Unfall zu finden ist nicht einfach – erst recht für ein paar Tage Ferien, dass man aus dem Hamsterrad rauskommt. Christine Heller zählte auf, was heute anders als früher sei:

  • Viele junge Leute sind auswärts in Arbeitsprozesse eingespannt.
  • Auch kommt die Arbeit bei den Jungen nicht mehr an erster Stelle. «Sie wollen sich nicht kaputt chrampfen wie die Eltern», sagte Heller.
  • Die Partnerin arbeitet oft nicht mehr auf dem Betrieb mit, sondern geht einem Nebenerwerb nach.
  • Pensionierte trauen sich aufgrund der modernen Melk-, Aufstallungs- und Fütterungssysteme kaum mehr, die Verantwortung für eine grosse Herde Milchkühe zu übernehmen.

Einen Betriebshelfer muss man sich auch leisten können. Der Maschinenring Ostschweiz (MR) verrechnet einen Stundenlohn von Fr. 37.64 inklusive Mehrwertsteuer. Für MR-Mitglieder sind es Fr. 33.12. Dazu kommen Fahrspesen und je nach Einsatzort Kost und Logis. «Auch mir ist bewusst, dass Betriebshelfer oft einen besseren Stundenlohn haben als der Betriebsleiter selbst. Aber für einen Stundenlohn von 20 Franken finden Sie niemand, der aushilft», sagte Fabian Brühwiler, Geschäftsführer vom MR Ostschweiz. Sofern man im Kanton Thurgau Mitglied vom VTL, MR oder vom Thurgauer Milchverband ist, erhält man einen Grundbeitrag aus dem Betriebshilfefonds. Dieser ist begrenzt auf Fr. 10.– pro Stunde. Pro Jahr werden maximal 600 Stunden vergünstigt.

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Das reicht nicht. «Es braucht eine Finanzierung der Betriebshilfe, die langfristig sichergestellt ist», sagte Brühwiler. Es käme vor, dass dem Maschinenring vorgeworfen werde, sie würde zu viele Dienstleistungen ausserhalb der Landwirtschaft leisten. «Aber damit finanzieren wir einen Teil der Betriebshilfe», sagte Brühwiler. Aufgrund der Notlage auf vielen Bauernbetrieben und der grossen Nachfrage hat sich der Maschinenring Ostschweiz 2023 den Betriebshelferdienst neu aufgestellt. Seit August 2024 sind drei Betriebshelfer in Vollzeit angestellt, wie Adrian und Levin (siehe Kasten) und bis zu zwölf Betriebshelfer in einem Teilzeitpensum. Katja Engeli koordiniert die Einsätze.

Brühwiler will die Zahl der Festangestellten auf fünf erhöhen, und dass bis zu 15 regelmässige Springer zur Verfügung stehen. Einsatzgebiet ist prioritär der Kanton Thurgau, aber immer mehr sind MR-Betriebshelfer auch auf den Nachbarkantonen unterwegs. «Begegnet den Betriebshelfern auf Augenhöhe», ermahnte Fabian Brühwiler die Bauern. Er kritisierte die oft mangelnde Wertschätzung gegenüber diesen Aushilfen: «Es heisst zwar Betriebshelfer, aber oft sind sie Betriebsleiterersatz.»

«Aktualisieren Sie Ihre Notfall-Checkliste.»

Christine Heller, Beraterin Betrieb und Familie, Arenenberg

Taggeld und Arbeitsschutz

Dazu gehöre, dass ein Betrieb für solche Einsätze vorbereitet sei. Sowohl Christine Heller als auch Fabian Brühwiler appellierten an die Landwirte, eine gute Taggeldversicherung abzuschliessen. Brühwiler ergänzte: «Bringen Sie Ihren Betrieb auch aus Sicht Arbeitssicherheit auf Vordermann.» Heller plädierte für eine regelmässig aktualisierte Notfall-Checkliste mit Telefonnummern, Adressen, Logins für Aufzeichnungen oder TDV-Meldungen.

Bewährt hat sich bei Christoph Graf eine laminierte Anleitung direkt beim Einsatzort, beispielsweise am Futtermischwagen oder im Melkstand. «Ich bin zum Glück jetzt immer zu Hause und weiss bei Pannen, was zu machen ist», sagte Graf und fährt abschliessend fort: «Die Ärzte sprechen von einem Routineeingriff. Aber alles, was damit auf einem Familienbetrieb zusammenhängt, ist keineswegs Routine, sondern ein Kraftakt und mit enorm viel Einsatz verbunden», fügt er bei.

Weitere Informationen

«Wir tragen zur Lebensqualität bei»
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Levin ist 19 Jahre alt und hat die Lehre als Landwirt EFZ abgeschlossen. Seit August arbeitet er für den Maschinenring Ostschweiz als Betriebshelfer. Er sagt: «Ich bin offen für Neues und lerne selbstständig zu arbeiten.» Durch seine Einsätze lernt er immer wieder andere Betriebe, Betriebsstrukturen, Regionen und Persönlichkeiten kennen. «Dabei kann ich viel mitnehmen und lernen für die Zukunft», ergänzt Levin.

Sein Kollege Adrian, ebenfalls Landwirt EFZ, ist mit 24 Jahren etwas älter und erfahrener. Er weiss, dass viele Betriebsleiter manchmal am Limit sind. «Es ist ein gutes Gefühl, wenn wir merken, dass der Landwirt durch unseren Einsatz, Luft bekommt und wieder mal durchschnaufen kann.» Er hat gelernt, als Betriebshelfer flexibel zu sein und auf die Betriebsleiter einzugehen. «Manchmal kann ich auch mit einem Input, dem Landwirt etwas an Herz legen und dadurch seine Lebensqualität verbessern.»