Jeweils den ganzen Tag in der Landwirtschaft aktiv sein – oder aber in der Küche: Das ist Rebecca Clopaths ideale Arbeitsaufteilung. «Ich mag es nicht, am Morgen im Stall zu stehen und am Nachmittag am Herd. Wenn ich die Arbeiten tageweise trenne, kann ich es mehr geniessen und effizienter gestalten.» Denn die beiden Arbeitsbereiche haben aus ihrer Erfahrung ganz unterschiedliche Anforderungen: In der Landwirtschaft sind die Tage lang und körperlich anstrengend. In der Gastronomie muss der Kopf viel leisten, «damit das Resultat so gut wie möglich ist».
Vor einem Jahr hat die Gastronomin den Bio-Bergbauernhof Taratsch ihrer Eltern in Lohn GR übernommen. Der zweisprachige Ort – Romanisch und Deutsch – liegt auf 1585 Metern am oberen Schamserberg südlich der Viamala, hat 52 Einwohner und sechs Biohöfe.
Biodiversität auf dem Teller
[IMG 2]Vor der Hofübernahme absolvierte Rebecca Clopath die Bäuerinnenschule am Hondrich. Eine Zweitausbildung als Landwirtin hätte die gelernte Köchin ebenfalls gereizt. «Doch so konnte ich zwischen den Modulen an der Bäuerinnenschule mein Koch-Business aufrechterhalten.» Landwirtschaftliches Zusatzwissen eignet sie sich nun laufend in Weiterbildungskursen an.
Noch übernimmt Vater Christian viel auf dem Hof. Mutter Wilma arbeitet ebenfalls tatkräftig mit und Schwester Sunniva kümmert sich um die Finanzen und den Online-Shop. Rebecca Clopath kann sich daher die kommende Zeit vor allem darauf konzentrieren, Rezepte zu entwickeln und das nächste Jahr zu planen. Neue TV-Sendungen will sie bis auf Weiteres keine realisieren. «Ich brauche Zeit, um bei uns alles aufzubauen. Mein Kerngeschäft ist hier.» Obwohl ihr die TV-Serie «Vom Feld auf den Teller» viel Spass gemacht habe. «Ich hatte freie Hand und durfte Lebensmittelproduzent-(innen) besuchen, die mir am Herzen liegen, und zeigen, was für coole Sachen wir im alpinen Raum produzieren.» Das ginge manchmal verloren, wenn man «supernachhaltige» Produkte von weit weg einkaufe. «Doch auch die Bauern hier geben sich viel Mühe, damit wir ein bisschen Biodiversität auf dem Teller haben.»
Möglichst viele Bioprodukte
Das passt zu Rebecca Clopaths eigener Koch- und Landwirtschafts-Philosophie: In Lohn möchte sie für das eigene Gastroangebot möglichst viele Bioprodukte vom Betrieb selbst oder eben aus dem alpinen Raum verwenden. Im kommenden Jahr möchte die 34-Jährige diesen Bereich ausweiten, nicht nur saisonal arbeiten, sondern ein Jahresprogramm aufbauen. Auf dem Landwirtschaftsbetrieb soll es vorerst so weiterlaufen wie bisher. «Aber auch dort müssen wir uns anpassen, doch da braucht es noch einen guten Plan und die Mittel.» Eine der Herausforderungen ist, dass der Hof mitten im Dorf liegt und rundum wenig Platz ist.
Zum Hof gehören 42 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und 17 Kühe (Original Braunvieh und Evolèner), 2 Schweine und eine Schar Hühner. Die hofeigene Milch wird teils für die Aufzucht, teils für den Gastrobetrieb verwendet. «Dadurch haben wir einen enormen Mehrwert.» Denn die wenigsten Köche gehen in den Garten und die wenigsten Landwirte setzen sich damit auseinander, was mit der Milch passiert. «Bei uns hilft die ganze Küchencrew mit, wenn die Kartoffeln rausmüssen.» Bewirtschaftet werden zudem drei Gärten auf 1400, 1600 und 1900 Meter. «Wir haben dieses Jahr unglaublich viel Gemüse geerntet.» Um künftig mehr eigenes Getreide zu haben, baute sie zudem auf einem kleinen Versuchsfeld probehalber Hafer an. «Wir rechneten mit 30 Kilo und ernteten 100 Kilo.»
Vorerst das letzte Mal im TV
Den Hof in einigen Jahren allein führen, nein, das möchte sie nicht. Noch weiss sie nicht genau, welchen Weg sie dabei gehen will. Vielleicht ein Kollektiv gründen oder verpachten? «Ich kann den Hof betreiben, aber mein Herz ist in der Gastronomie. Und es geht mir vor allem darum, die Synergien zusammenzubringen.» Und wie wäre die Option, den Hof mit dem Lebenspartner zu führen? Rebecca Clopath wiegt den Kopf. «Mein Partner führt selbst einen Hof, der nicht gleich um die Ecke liegt. Mal schauen, wie wir das lösen.»[IMG 3]
Seit fünf Jahren lädt sie Gäste zu einer «Esswahrnehmung» auf den Hof. Darunter versteht die Köchin laut Website «ein besonderes kulinarisches Erlebnis für alle Sinne mit fein komponierten Kreationen und spannenden Geschichten aus der Welt der natürlichen Genüsse des alpinen Raumes». Der Event mit acht Gängen beginnt jeweils um die Mittagszeit, dauert fünf Stunden und kostet inklusive Getränke 290 Franken pro Person. Jede Saison widmen sich die Esswahrnehmungen einem anderen Thema, zuletzt war es die Literatur im alpinen Raum. Rebecca Clopath und ihr Team stellten zu jedem Gang ein neues Buch vor, etwa das älteste Kochbuch der Schweiz. «Wir wollen den Leuten nicht nur den Bauch füllen, sondern auch den Kopf», erklärt die Gastronomin.
Auf dem Hof bewohnt Rebecca Clopath das Haus, in dem sie aufgewachsen ist, inzwischen allein. Die Eltern sind ins Dorf gezogen. Seit fünf Jahren bekocht sie die Gäste in der ehemaligen Werkstatt des Vaters unterhalb des Wohnhauses. Doch auch das soll längerfristig anders werden. Sie ist gerne hier, doch sie kam nicht aus Heimweh nach zwölf Wanderjahren zurück nach Lohn. «Es war Idealismus. Ich hatte das Gefühl, dass ich hier oben das aufbauen kann, was mir wichtig ist. Auf eine anonyme Gastronomie hatte ich keine Lust.»
Am 23. Dezember war sie vorerst zum letzten Mal im Schweizer Fernsehen zu sehen: Im Rahmen der Sendung «Glanz und Gloria» kocht sie ein etwas anderes Weihnachtsmenü in ihrer Privatküche. «Ich bin zwar nicht so der Weihnachtsmensch. Aber es gefällt mir, wenn die Familie zusammen feiert.»