Es war der grösste bekannt gewordene Fall von illegalem Handel mit Tierarzneimitteln der letzten Jahre, hiess es im Mai. Er zeige, wie Landwirte die Massnahmen des Bundes und der landwirtschaftlichen Organisationen zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen jahrelang unterlaufen konnten. Die Rede ist von einem Tierarzt einer grossen Klinik aus dem Raum Dijon, Frankreich, der während Jahren Schweizer Landwirten unter der Hand sogenannte kritische Antibiotika verkauft hat. Erstmals berichtete die «SonntagsZeitung» davon. Die Landwirte stammen aus dem Greyerzerland, der Waadtländer Haute-Broye, der Walliser Rhone-Ebene und den Kantonen Bern, Aargau und der Innerschweiz.
2018 aufgeflogen
Anfang Mai 2018 flog der Veterinär aus Frankreich auf, als ihn der Zoll am kleinen Zollübergang von Chacannes-de-Bogis VD kontrollierte. In der Folge wurden gegen mehr als 200 Landwirte vom Zoll, von den kantonalen Staatsanwaltschaften oder von den Veterinärbehörden Verfahren eingeleitet.
Unter den Landwirten befinden sich viele Westschweizer Milchproduzenten, Ziegen- und Schafhalter. Zu den Abnehmern der Schmuggelmedikamente gehören auch IP-Suisse- und Bio-Suisse-Produzenten.
Unerlaubte Einfuhr
Seit Bekanntwerden des Falles sind nun mehrere Urteile ausgesprochen worden. Beim jeweiligen Vergehen handelt es sich um «unerlaubte Einfuhr von Tierarzneimitteln und Anwendung derselben, ohne dies vorschriftsgemäss zu dokumentieren.» Die Strafbefehle liegen der BauernZeitung in anonymisierter Form vor. In den meisten Fällen kam es zu einer Busse (ohne Eintrag ins Strafregister) sowie der Auferlegung von Verfahrenskosten. Nur selten übersteigt der so geforderte Betrag die Summe von 2000 Franken.
Kontrolle obliegt den Kantonen
Der Bund regelt den Umgang mit Tierarzneimitteln (TAM) in einer Verordnung. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen ist für die Rechtssetzung und die Umsetzung der Verordnung zuständig. Für die Kontrolle der korrekten Umsetzung bei Tierhaltenden bzw. in Tierarztpraxen sind aber die kantonalen Veterinärämter verantwortlich.
Die BauernZeitung hat bei Reto Wyss, Berner Kantonstierarzt, angefragt, wie denn Tierärzte kontrolliert würden. «Praktizierende Tierärztinnen und Tierärzte, die Tierarzneimittel abgeben, benötigen wie die Apotheken im Humanbereich eine Detailhandelsbewilligung gemäss Heilmittelgesetz. Im Zusammenhang mit dieser Bewilligung werden Tierarztpraxen alle fünf bis zehn Jahre kontrolliert», so Wyss. Dabei wird überprüft, ob die Verantwortung im Umgang mit Tierarzneimitteln korrekt wahrgenommen wird, ob die Lagerung konform erfolgt und ob wie vorgeschrieben Buch geführt wird.
Kontrollen am Zoll sind effektiver
Buch führen ist demnach auch hier die Grundlage, wie das auch bei den Landwirtinnen und Landwirten im Zusammenhang mit dem Behandlungsjournal erwartet wird. Die Schwierigkeit in der Überprüfung ist aber die Tatsache, dass Papier alles annimmt, im Spezialfall auch nichts. Wenn keine Aufzeichnungen gemacht werden, ob beim Tierarzt oder beim Landwirt, kann auch nicht überprüft werden, ob ein Tier Arzneimittel erhalten hat, die verboten oder illegal importiert worden sind. «Die Kontrollen sind geeignet, um den korrekten Einsatz und den verantwortungsvollen Umgang mit Tierarzneimitteln zu überprüfen. Illegal importierte Arzneimittel werden nicht in der Stallapotheke gelagert und auch nicht im Behandlungsjournal aufgeführt. Eine solche Feststellung wäre ein Zufallstreffer», weiss der Kantonstierarzt. Die Kontrollen der Zollbehörden seien das viel effektivere Instrument, um solche illegale Praktiken aufzudecken. In der Schweiz nicht zugelassene Tierarzneimittel dürften nur unter klaren Auflagen und wenn in der Schweiz kein geeignetes Medikament zugelassen ist, eingesetzt werden, erläutert Reto Wyss. «Die generelle Belieferung von Tierhaltern mit importierten Tierarzneimitteln ist dabei ausgeschlossen», ergänzt er und erinnert: «Weiter darf ein Tierarzt nur Tierarzneimittel an Landwirte abgeben, mit denen er eine Tierarzneimittelvereinbarung abgeschlossen hat.»
Ohne Vereinbarung und Einträge
Kantonstierarzt Reto Wyss ist sicher: «Landwirte, die solche illegalen Arzneimittel beziehen und einsetzen, werden weder eine Tierarzneimittelvereinbarung mit dem liefernden Tierarzt abgeschlossen haben, noch die geforderten Einträge im Behandlungsjournal oder der Inventarliste machen. Weiter setzen sie die Medikamente ohne enge tierärztliche Begleitung ein. Sie gefährden damit die Lebensmittelsicherheit in hohem Masse und unterlaufen die Bemühungen, die Wirksamkeit von Antibiotika für Mensch und Tier längerfristig zu erhalten.»