Fritz Müller, 72, stammt nicht aus bäuerlichen Verhältnissen. Er liess sich frühzeitig mit 60 Jahren pensionieren, arbeitete vorher bei Schindler Aufzüge. In diese Zeit fällt auch die Trennung von seiner langjährigen Partnerin, nach 25 Jahren. Verheiratet war Fritz Müller nie, hat auch keine Kinder.

Alleinsein schaffte Probleme

Nach der Trennung nahm er sich eine Wohnung in Emmenbrücke, merkte aber bald, dass er nicht alleine wohnen kann. So bekam er Alkoholprobleme, landete schliesslich in der Klinik St. Urban. Dort rieten ihm die Betreuer zu einem Wohnheim, so kam er vor vier Jahren, 68-jährig, nach Hermolingen. Und fühlte sich hier gleich sehr wohl. Voll des Lobes ist er über die sehr netten Angestellten, die sauberen Zimmer, die familiäre Atmosphäre, die Betreuung, und dass es hier auch Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. «Ich fühle mich hier wie in einer grossen Familie.»

Der Knöpfli-Produzent

Stolz erzählt er, dass er in der Küche für den Wareneinkauf zuständig ist, und wie viel Arbeit für den Hofladen gerade in den letzten Monaten anfiel. Mehrere Tage pro Woche ist er in der Küche tätig, und produziert für den Hofladen. Allein Gläschen mit Kräutersalz habe er 290 abgefüllt. «Und wir konnten für Firmen sehr viele Geschenkpakete bereit machen.» Seine Spezialität sind aber die selbst gemachten frischen Spätzli, die «Knöpfli von Fritz» wie es auf der Etikette der vakuumierten Portionen heisst. Die seien sehr gefragt, fast wöchentlich stelle er diese frisch her, ohne Zusatzstoffe, wie er betont. Er schätzt es sehr, dass ihm, weil geistig sehr vif und gesellig, Verantwortung übertragen wird, und er selber Hofprodukte herstellen darf. Er schätze aber auch die Freiheit und achte darauf, dass er täglich auch einen Spaziergang mache. «Ich kann nicht einfach nur drinnen sitzen und allein sein.»

Erlebnis Weihnachten

Fritz Müller hatte eine schwierige Kindheit, den Vater habe er kaum gekannt. Seine Mutter liess sich scheiden, zog die drei Kinder – er hat noch einen Bruder und eine Schwester – selber auf, musste daneben viel arbeiten, das Geld war knapp. Weihnachten habe er damals nie schön erlebt, «das war eigentlich für uns Kinder eine traurige Zeit.»

Ein neues Zuhause

Auch später bedeutete ihm Weihnachten nicht sehr viel. Seine Partnerin und er hätten Heiligabend jeweils zweisam in Stille genossen, mit einem feinen Essen. Hier aber in Hermolingen sei Weihnachten ganz anders. Feierlich, familiär, und eine schöne Stimmung mit so vielen Kollegen und den netten Angestellten. Da werde gar gemeinsam gesungen und musiziert. «Dann spüre ich erst recht, das ist mein neues Zuhause, hier fühle ich mich richtig wohl.» 

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Robi Rölli, 78, ist in einer siebenköpfigen Bauernfamilie in St. Erhard aufgewachsen. Die Eltern bewirtschaften einen mit 25 ha schon damals eher grösseren Hof, mit einigen Angestellten und es gab viel zu tun für alle. «Damals beschwerte sich noch niemand wegen Kinderarbeit.»

 

Hochbetrieb im Hofladen von Haus und Hof Hermolingen

Auch das Landwirtschaftliche Altersheim in Hermolingen spürt die Corona-Zeit. Glücklicherweise gab es bisher deswegen aber keine gesundheitlichen Probleme, keine positiven Fälle, weder bei Bewohnern noch bei Angestellten. Die Einschränkungen waren aber fordernd: Schutzkonzepte, kaum Besuche, für Bewohner war kein Gang in die nahe Dorfbeiz mehr möglich. Dafür gab es für den nahen Hofladen viel mehr zu tun. Die Umsätze schnellten in den letzten Monaten in die Höhe. Das forderte auch die Bewohner. Vieles ist frisch hausgemacht, saisonal geerntet, von den Bewohnern liebevoll gefertigt: Tiefgekühlte Kräuterbutter, Meringues, Nidletäfeli von Alois, Kräutersalze, Kräutertees, Sirupe, Konfis, Apfelchips, Suppenflädli. Dazu Eier, Süssmost oder die Hermolinger Zvieri-Wurst vom Bauernhof. Viele Bewohner sind auch in der Werkstatt tätig, von dort kommen Anzündhilfen, Holzbürdeli, Insektenhotels oder Vogelnistkästen. Und von Partnerbetrieben werden die Schintbühl-Glace, Rauchforellenfilets oder Aroniasaft im Hofladen angeboten. Das Landwirtschaftliche Altersheim Hermolingen, das sich heute Haus und Hof Hermolingen nennt, ist eine Stiftung des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands. Seit 1938 wohnen hier vorwiegend ehemalige landwirtschaftliche Angestellte. Das Heim ist aber auch offen für alle Männer in der Regel ab 50 Jahren, welche die familiäre Atmosphäre, Betreuung und Beschäftigung schätzen. Das Heim bietet Platz für 36 Bewohner, das Durchschnittsalter liegt bei 69 Jahren, der älteste Bewohner ist 89-jährig. Sie werden betreut von 19 Mitarbeitenden in insgesamt 11 Vollzeitstellen. Zum Heim gehört ein knapp 16 ha grosser Landwirtschaftsbetrieb, welcher verpachtet ist. Milchwirtschaft und Hühnerhaltung sind die Schwerpunkte. Demnächst plant der Pächter einen Stallneubau, die Stiftung gewährte dafür ein Baurecht.

 

Kartoffeln und Digitalis

Später konnte er 1976 zusammen mit seinem Bruder den Betrieb übernehmen, jener gründete eine Familie, Robi blieb aber ledig. Milchwirtschaft mit rund
23 Kühen und Ackerbau waren die Schwerpunkte. Auf einigen Hektaren wurden auch Kartoffeln angebaut, bis die Flockenfabrik in den 80er-Jahren schloss. Und auf rund 40 Aren hätten sie jährlich Digitalis angebaut, den roten Fingerhut. Solche Vertragsflächen seien damals sehr begehrt und die Kultur dieser Heil- aber auch Giftpflanze lukrativ gewesen. Das bedeutete viel Handarbeit, die Pflänzchen wurden im Mai gesetzt, die Blätter im September von Hand geschnitten. Nach der Trocknung gelangten diese zur Pharmaindustrie. Aus den Blättern wurde der Wirkstoff Digitoxin gewonnen, für Herzmittel, erzählt Robi aus alter Zeit. Heute werde das halt alles importiert.

Gegenüber früher gehe es heute beim Bauern «viel ringer», auch dank mehr Maschinen, vergleicht der erfahrene Landwirt. Bedauerlich sei der Landhunger der heutigen Bauern, und der Egoismus habe deutlich zugenommen. Jungbauern gibt er den Tipp, offen zu sein für Neues, aufgrund der schnelllebigen Zeit.

Erst als der Sohn seines Bruders einstieg, trat er auf dem Betrieb kürzer, blieb jedoch dort  wohnhaft.  2018 bekam er aber gesundheitliche Probleme mit Herz und Lunge, war im Spital, später zur Kur. Von einer Rückkehr nach Hause wurde ihm abgeraten. «Ein Kollege empfahl mir Hermolingen.» Nun ist er seit eineinhalb Jahren hier, und es gefalle ihm ganz gut. Besonders schätze er die gute Betreuung, und dass er hier eine Gruppe von guten Kollegen gefunden habe, welche auch viel zusammen unternimmt, oder gemeinsam in der Küche und im Garten mithilft. «Auch wir produzieren für den Hofladen–  Bohnen, Kräuter, allerlei.»

Vorfreude auf das Fest

Die Einschränkungen wegen Corona würden ihm wenig ausmachen, den Gang in die Beiz habe er schon vorher nicht gebraucht. Schliesslich bekämen sie ja hier alles, könnten auch gemeinsam einen Kafi Schnaps geniessen. Weihnachten habe er immer als Familienfest erlebt, wo viele Leute zusammenkamen. Hier in Hermolingen sei er letztes Jahr gleichwohl ganz überrascht gewesen, wie schön Weihnachten organisiert werde. Ein feines Nachtessen bei Kerzenlicht, danach griff ein Bewohner zum Örgeli, Weihnachtslieder erklangen, einfach eine gemütliche Stimmung. «Ich freue mich auf das Fest morgen.»