Die futuristische Perspektive der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft für das Jahr 2050 lässt mein Gedankenkarussell gefährlich schnell kreisen. «Die Landwirtschaft zeichnet sich durch hohe Wertschöpfung pro Arbeitskraft aus. Die Arbeitsproduktivität steigt gegenüber 2020 um 50 Prozent», so steht es im Bericht des Bundesrats vom letztem Sommer über die zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik.

Man(n) oder Frau stelle sich also einen Arbeitstag vor und steigere die Effizienz um wahrhaftig die Hälfte. Heftig viel, gut, vielleicht bei immer noch mehr maschineller Arbeitserleichterung und der hochgepriesenen künstlichen Intelligenz mag diese Vision teilweise funktionieren. Aber wenn ich mir den Alltag bei uns im Berggebiet vor Augen führe, so ist dieser doch geprägt von viel Handarbeit. Zäune erstellen, die Pflege der Alpweiden, die Futterernte und viele andere Arbeiten sind im steilen und unwegsamen Gelände zwangsläufig arbeitsintensiver und zeitaufwändiger.

Darüber hinaus denke ich an all die Alpkäsereien, mit grösster Sorgfalt produzieren die Sennenleute ihren Alpkäse. Ein hochwertiges Produkt, gesünder als jeder andere Käse, handwerklich hergestellt und gepflegt. Die Alpwirtschaft mit all ihren Facetten muss Bestand haben und die nötigen Zukunftsperspektiven.

Die Produktivitätssteigerung ist überall

Die kontinuierliche Steigerung der Arbeitsproduktivität ist jedoch längst nicht nur in der Landwirtschaft ein Thema. Der Druck besteht in vielen anderen Branchen ebenso. Mit Stundenkopfleistungen im Detailhandel, GPS-Überwachung in Firmenwagen, Wirtschaftlichkeitsberechnungen und anderen Instrumenten zur Ermittlung der Effizienz wird die Belastung auf hohem Niveau gehalten. Besorgniserregend ist auch der Notstand in der Pflegebranche, der immer grössere Dimensionen annimmt. Besser mache ich mir nicht noch mehr Gedanken darüber, was bis in 27 Jahren sein wird, und nehme es erst mal «vorewäg».

Nun steht doch für uns alle die Sommerzeit vor der Tür. In diesen Tagen werden bei uns zahlreiche Sömmerungsweiden und die tiefer gelegenen Alpen bestossen. Immer wieder ertönt der heimelige Gleichklang von Fahrtreicheln und Glocken vom Vieh, das Tal einwärts und «obsig» zieht. Viehtransporter sind massenhaft auf der Strasse unterwegs und in der Luft liegt diese besondere Mischung aus Vorfreude, Nervosität und Aufbruchstimmung.

Als Kinder konnten meine Geschwister und ich die Nervosität von den Erwachsenen am «Zügeltag» schlecht nachvollziehen, unbeschwert und mit fröhlichem Gemüt genossen wir dieses alljährliche Ereignis. Die Erleichterung, die Freude und die Dankbarkeit, wenn Mensch und Vieh unfallfrei oben angekommen sind, empfinde ich heutzutage genau gleich wie unsere Vorfahren ebenso. Es sind diese vielen, oft kleinen Glücksmomente im ganz gewöhnlichen Alltag, die für mich persönlich das Leben trotz allen Herausforderungen so einzigartig machen.