«Es kommt häufig vor, dass in Bauernfamilien brennende Themen nicht angesprochen werden», sagte der Strickhof-Berater Claude Gerwig. Doch gerade, wenn unter einem Dach gelebt und gearbeitet werde, sei es besonders wichtig, dass man miteinander rede. Denn klare, echte und wertschätzende Kommunikation stärke die Gemeinschaft.
Wir kommunizieren immer
In einem Kurs, der am Dienstag, 14. Januar am Strickhof in Wülflingen stattfand, vermittelte Claude Gerwig grundlegendes Wissen zum Thema. So gilt etwa: «Kommunikation findet immer statt, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche», so der Dozent. Nicht zu kommunizieren, ist laut Gerwig gar nicht möglich. Doch spielt bei Weitem nicht nur der Inhalt eines Gesprächs eine Rolle: Die meisten Informationen, die wir über unsere Gesprächspartner erhalten, stammen aus deren Körpersprache beispielsweise aus der Körperhaltung oder dem Gesicht. Diese Botschaften werden unbewusst entschlüsselt, sie führen in Sekundenbruchteilen zu Gefühlen und Eindrücken.
Stimmen Inhalt und Körpersprache nicht immer überein, spricht man von einer inkongruenten Kommunikation. So passt etwa ein wütender Gesichtsausdruck nicht zu einer Liebeserklärung. Ein weiteres Beispiel: Jemand sagt «Mir gehts gut, wirklich» und macht dabei ein trauriges Gesicht. «Dies ist verwirrend und erschwert die Interpretation», stellte Gerwig fest.
Regeln beachten
Entsprechend besteht eine Botschaft aus zwei Aspekten: dem Sachinhalt und der Beziehungsebene. Gerwig nannte ein Beispiel. Ein Mann sagt: «Ich gehe aufs Feld, die Arbeit wartet.» Während inhaltlich der Gang aufs Feld angekündigt wird, kann die Aussage auch auf der Beziehungsebene eine Botschaft enthalten. So interpretiert die Frau etwa: «Er ist lieber bei der Arbeit, es gefällt ihm nicht bei mir.»
Manche Menschen, so der Referent, hören in der Regel eher die Inhaltsaussage, andere achten mehr auf die Beziehungsaussage. So oder so: «Je klarer man kommuniziert, desto weniger kommt es zu Missverständnissen», hielt Gerwig fest, der auch als Coach tätig ist. Besser sei es daher, sowohl eine Inhalts- wie auch eine Beziehungsaussage zu machen. So kann der Mann in unserem Beispiel sagen: «Obwohl es hier mit dir gerade sehr gemütlich ist, gehe ich jetzt aufs Feld, weil die Arbeit wartet.»
Gerwig nannte einige Kommunikationsregeln, die dabei helfen, Missverständnissen vorzubeugen:
- Nachfragen und wiederholen: Habe ich das Gesagte richtig verstanden?
- Fragen: Nur eine Frage aufs Mal stellen.
- Pausen aushalten: Sie schaffen Raum, um nachzudenken.
- Ich-Botschaften: Mehr Aussagen mit «ich finde, dass …» beginnen als «es ist», «du solltest».
- Transparenz: Wünsche und Erwartungen aussprechen.
In einem Familienunternehmen kommt erschwerend dazu, dass unterschiedliche Rollen zum Tragen kommen. So kann zum Beispiel ein Bauer Ehemann, Vater, Eigentümer und Führungskraft sein. Dadurch entstehen leicht Interessenskonflikte. So sollte etwa dringend das Heu eingefahren werden, gleichzeitig müssen die Kinder betreut werden, was sich ebenfalls nicht aufschieben lässt. «Die Beziehung zwischen Familie und Betrieb ist häufig paradox», so Gerwig.
Dies komme häufig auch bei Generationenwechseln zum Ausdruck. Etwa, wenn die jüngere Generation beruflich gerüstet ist, den Betrieb zu übernehmen, aber als Sohn/Tochter noch nicht in der Führungsrolle angekommen ist. «Gerade bei Hofübergaben ist es wichtig, dass man Unbewusstes wie Ängste und Unsicherheiten bewusst macht und anspricht», sagte der Betriebsberater.
Individuelle Perspektiven
Kommunikationsprobleme entstehen laut Claude Gerwig häufig dadurch, dass die Gesprächspartner unterschiedliche Wahrnehmungen haben. Um aufeinander eingehen zu können, braucht es daher viel gegenseitiges Verständnis und Empathie. Dabei hilft die Gewaltfreie Kommunikation. Diese basiert auf vier zentralen Schritten:
- Beobachtung: Die Situation klar und objektiv beschreiben, ohne zu bewerten und interpretieren.
- Gefühle: Die eigenen Gefühle erkennen und ausdrücken, ohne sie für die Realität zu halten.
- Bedürfnisse: Die Bedürfnisse hinter den Gefühlen kennen.
- Bitten statt fordern: Eine konkrete und positive Bitte äussern, um das Bedürfnis zu erfüllen.
Dabei ist es wichtig, den Gesprächspartner ausreden zu lassen und ihm aufmerksam zuzuhören. Statt sich über etwas zu beklagen und Anweisungen zu geben, empfiehlt es sich, das persönliche Bedürfnis und eine konkrete Bitte zu äussern. Es hilft etwa nicht, mit einem «Hör mir gefälligst zu!» die ungeteilte Aufmerksamkeit zu erlangen.
Nach den Regeln der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) wäre es besser zu sagen: «Ich sehe, du bist mit deinem Handy beschäftigt, ich fühle mich so nicht ernst genommen, gerade jetzt brauche ich deine ungeteilte Aufmerksamkeit. Könntest du das Handy für fünf Minuten weglegen und mir zuhören?» Die GFK fokussiert zudem auf Wertschätzung für die (positiv wahrgenommenen) Handlungen des Gegenübers. Claude Gerwig macht damit gute Erfahrungen: «Fangen wir an, uns bewusster auszudrücken, hat das eine Wirkung auf das Gegenüber.»