Traktoren gibt es seit dem frühen 20. Jahrhundert. Auf den bäuerlichen Betrieben durchgesetzt haben sie sich jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Entscheidend war eine technische Neuerung, mit der die meisten Traktoren ab den 1940er-Jahren ausgerüstet wurden: die Zapfwelle.

Neue, grosse Vorteile

Denn mit der ursprünglich als «Kraftzapfwelle» bezeichneten Einrichtung wurden die zunehmend leichten, geländegängigen Traktoren in «fahrbare Kraftzentren» umgewandelt, mit denen nun sowohl Geräte gezogen als auch Arbeitsmaschinen angetrieben werden konnten. Das verschaffte ihnen so grosse Vorteile, dass sie die Arbeitspferde in den 1950/1960er-Jahren flächendeckend von den Höfen verdrängten.

Scheitern der Dampfmaschine

Im Unterschied zur industriellen Herstellung von Waren in Fabriken konnte sich die Dampfmaschine in der agrarischen Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln im 19. Jahrhundert nicht durchsetzen. Zum einen waren die Dampfmaschinen für die Bodenbearbeitung viel zu schwer. Und zum anderen brauchte es beim Einsatz auf den Feldern fast so viele Zugtiere dafür, Wasser und Kohle herbeizuschleppen, wie die Dampfmaschinen beim Pflügen überflüssig machten.

Kein Wunder, dass gegen Ende des 19. Jahrhunderts sowohl die Bauern als auch der Bund beim Versuch zur Mechanisierung auf andere Energiequellen setzten als die Industrie. Gefragt waren Arbeitstiere und Verbrennungsmotoren.

Aufstieg der Motoren

Parallel zur Verbesserung der Zucht und Ausbildung von Arbeitstieren durch Bauern und Agronomen versuchten Erfinder und Ingenieure, Verbrennungsmotoren für den Dienst in der agrarischen Produktion zu entwickeln.

Die ersten traktorenähnlichen Gebilde, die mit einem Verbrennungsmotor ausgerüstet waren, kamen zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf. Gefördert wurden diese Bestrebungen insbesondere während des Ersten Weltkrieges, als viele Pferde im Militärdienst waren und auf den Betrieben als Zugkraft fehlten. Der Schweizerische Landwirtschaftliche Verein schuf 1917 eine «Motorpflugprüfungskommission», um die Konstruktion und Produktion von Motorpflügen in der Schweiz zu fördern. Allerdings gab es nur wenige Firmen, die in der Schweiz solche Geräte herstellten.

Zur Handhabung und zum Unterhalt der anfänglich alles andere als wendigen «Ungetüme» wurden auch Maschinenprüfstellen eingerichtet und Traktorführerkurse durchgeführt. Wichtig war die 1924 erfolgte Gründung des Schweizerischen Traktorenverbandes (heute: Landtechnik Schweiz), der in den Bestrebungen zur Motorisierung der Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielte.

Bricht «Traktoritis» aus?

Mit dem Publikationsorgan «Der Traktor» (der jetzt auch online zugänglich ist. Siehe QR-Code) schuf der Verband ein Gremium, in dem technikbegeisterte Bauern, Ingenieure, Mechaniker und Hersteller von Traktoren ihre Wünsche und praktischen Erfahrungen zur Diskussion stellten. Viele waren von den Versprechungen der Motorisierung so begeistert, dass andere darin eine neue Krankheit erblickten: die «Traktoritis».

Dass sich die Traktoren auf den Betrieben in der Zwischenkriegszeit aber trotzdem nicht durchsetzen konnten, lag nicht an der «Rossnarretei», die viele Techniker bei der bäuerlichen Bevölkerung diagnostizierten, sondern daran, dass die Traktoren (noch) nicht mehr konnten als die Zugtiere auch: Lasten ziehen. Und das konnten viele Zugtiere im schwierigen Gelände oder bei wechselnden Bodenverhältnissen lange sogar besser als die Traktoren. Denn diese blieben in nassen Böden oder steilem Gelände immer wieder stecken und mussten im Alltag von Pferden und Ochsen aus ihrer misslichen Lage befreit werden.

Zapfwelle hält Einzug

Das änderte sich in den 1940/1950er-Jahren, als die Traktoren zunehmend mit Zapfwellen ausgerüstet wurden. Von nun an konnten Traktoren gleichzeitig Geräte ziehen wie auch Arbeitsmaschinen antreiben. Zwar gab es schon bei den von Tieren gezogenen Geräten die Möglichkeit, über die Bodenräder Kraft auf die Maschine zu übertragen. Aber wegen des enormen Kraftaufwandes war das nur bedingt möglich. Beim Traktor hingegen ermöglichte es die Zapfwelle, die geballte Kraft des Verbrennungsmotors gleichzeitig zum Zug wie auch zum Antrieb von Maschinen zu nutzen. Und: Man konnte sogar mehrere Arbeitsschritte in einem Umgang vereinen.

Aber auch die mit Zapfwellen ausgerüsteten Traktoren verdrängten die Arbeitstiere nicht automatisch aus den Betrieben. Auf vielen Höfen hielt man eine Zeit lang auch dann noch Zugtiere, wenn bereits ein Traktor vorhanden war.

Manch ein Traktorenverkäufer konnte den jungen Bauern zudem nur dann einen Traktor verkaufen, wenn er den alten Bauern – die die Traktoren in der Regel bezahlten – ein Pferd abkaufte. Das erklärt auch, weshalb in den 1950/1960er-Jahren nicht nur Garagen auf den Höfen, sondern auch Pferdeställe auf den Fabrikgeländen von Traktorenfabrikanten gebaut wurden.

Die Publikation «Der Traktor» ist digitalisiert worden und auf der Webseite der ETH einsehbar