«Ich arbeite für Fr. 8.30 pro Stunde», hiess es kürzlich in ­einer Überschrift der Sonntags-Zeitung. In dem betreffenden Artikel legte Jörg Büchi sein Einkommen offen. Der Junglandwirt aus dem zürcherischen Elgg hat keine Mühe mit Transparenz. Er steht gerne hin und klärt die Bevölkerung über landwirtschaftliche Hintergründe und Zusammenhänge auf. In den letzten Jahren hat er dies oft gemacht und unter dem Namen «Milchbauernhof» mit Beiträgen auf ­Facebook und Instagram hier­zulande Bekanntheitsstatus erlangt.  

Seine Videos zeigen den Alltag 

«Während der Lehre zum Landwirt kam mir erstmals die Idee, den Leuten den bäuerlichen Alltag über die sozialen Medien näherzubringen.» Ein Grund dafür war, dass ein grosser Teil seines Freundeskreises nicht aus der Landwirtschaft stammt. Und nicht viel darüber weiss, wie Jörg Büchi immer wieder feststellen muss. Der Anteil der Bevölkerung, der in dieser Branche tätig ist, nimmt stetig ab und der Bezug zur Landwirtschaft geht zunehmend verloren. «Selbst, was ein Pflug ist, wissen viele nicht mehr», so der 28-Jährige, der vor drei Jahren den elterlichen Betrieb übernahm. Darum sei es ihm wichtig, grundsätzliches Wissen zu vermitteln. Beispielsweise zu erklären, was Direktzahlungen sind und dass Umsatz nicht gleich Lohn ist. 

Während der Coronazeit schritt Büchi schliesslich zur Tat. Er begann, auf Instagram Bilder und Videos aus seinem Alltag zu veröffentlichen. Dabei zeigt er sich mit einem verspielten Kalb, beim Säen von Kichererbsen oder dabei, wie kurz vor dem Einbringen der Heuernte das Wetter umschlägt. Die Beiträge sind mal witzig, mal ironisch, mal ernst – und wirken immer authentisch. 

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Das Video ging viral

«Ich merkte schnell, dass vor allem die Videos gut ankommen», erzählt Jörg Büchi. Es sind kurze Filme, die er meistens unbearbeitet hochlädt, «weil ich zum Schneiden sowieso keine Zeit hätte.» Er realisierte zudem, dass emotionale Themen besonders viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, also am meisten Likes generieren. 2021 veröffentlichte Büchi, inzwischen ausgebildeter Agrar­ökonom, einen Beitrag über die Kampagne «Agrarlobby stoppen.» Darin beleuchtete er die Hintergründe von deren Finanzierung. Das Video ging viral, statt 500 hatte er auf einmal 1500 Follower (Abonnenten). Sein Bekanntheitsgrad stieg sprunghaft an. 

Kürzlich konnte man @schweizer.bauern zum 8000. Follower gratulieren. (Screenshot) Social Media Das sind die 20 Instagram-Höfe des Kanals Schweizer Bauern Sunday, 10. May 2020 Ende 2023 reagierte der Zürcher zudem auf einen 10-vor-10-Beitrag des Schweizer Fernsehens, welcher der Landwirtschaft vorwarf, Gülle im Übermass zu produzieren. «Der Bericht basierte auf falschen Tatsachen. Das hat mich genervt und ich wollte das nicht so stehen lassen», erzählt Büchi. Er listete daraufhin die Falschinformationen Punkt für Punkt auf und widerlegte sie. Dabei sei es ihm wichtig gewesen, seine Begründungen mit wissenschaftlichen Nachweisen zu unterlegen. Zudem schrieb er der Autorin des Fernsehbeitrags einen Brief. Sie sei jedoch nicht auf seine Argumente eingegangen.

Botschafter für die Landwirtschaft

Die Aufmerksamkeitsspanne von Internetbenutzer(innen) ist kurz. Soziale Medien geben daher vor, wie lange ein Filmbeitrag auf ­ihrem jeweiligen Kanal zu sein hat. Auf Instagram etwa darf ein Kurzvideo, genannt «Reel», nicht länger als 90 Sekunden dauern. Wer einen Beitrag mit ­einer Botschaft hochladen will, muss sich also kurz und bündig fassen. «Das macht es besonders anspruchsvoll, komplexere Sachverhalte zu vermitteln», so Jörg Büchi. 

Die inzwischen rund 7000 Follower(innen) seiner Instagram- und Facebook-Kanäle sind hauptsächlich zwischen 18 und 34 Jahre alt. Etwas mehr als die Hälfte ist männlich und kommt aus der Landwirtschaft. «Mittlerweile bin ich so bekannt, dass ich erkannt werde, wenn ich privat Veranstaltungen wie die Tier und Technik oder die Agrama besuche», sagt Büchi. Dabei gehe es ihm gar nicht um seine Person. Er sehe sich als Botschafter für die Landwirtschaft. In der Sprache der sozialen Medien ist er ein Farmfluencer. «Dies ist mein Beitrag für meinen Berufsstand.» Büchi tut dies ehrenamtlich, denn verdienen lässt sich mit Online-Auftritten nichts. Doch je mehr seine Popularität steigt, desto häufiger wird er als Gast an Veranstaltungen ein­geladen. Ausserdem hat er sich mit ein paar anderen hiesigen Farmfluencern vernetzt. Gemeinsam haben sie kürzlich eine Reaktion auf die Bauernproteste in Deutschland veröffentlicht. 

Am liebsten ist er Milchbauer

Doch Jörg Büchi will nicht ewig Videos produzieren und hoch­laden. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die sozialen Medien ständig verändern würden. Instagram beispielsweise verliere zunehmend an Bedeutung. Dafür würden andere Kanäle wie Tiktok an Präsenz in der Online-Medienlandschaft gewinnen. 

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Die Arbeit geht Jörg Büchi auch ohne Medienpräsenz nicht aus: Er versteht sich hauptsächlich als Milchbauer und ist stolz auf seine 30 Brown-Swiss-Kühe. Daneben arbeitet er einige Stunden pro Woche als Agrartreuhänder. Öffentlichkeitsarbeit möchte er weiterhin machen. Blickt er in die Zukunft, sieht sich der Zürcher am ehesten in der Politik. Wie seine Mutter Ruth Büchi, die im Kantonsrat sitzt. «Bei uns zu Hause wurde schon immer viel politisiert.»Alexandra Stückelberger

Jörg Büchi ist auf Instagram unter dem Namen «Milchbauernhof» zu finden.

Bäuerinnen-Zmorge des Verbands Thurgauer Landwirtschaft (VTL) mit Gastreferent Jörg Büchi. 9. März, 8.15 bis 12 Uhr, Arenenberg, Salenstein. Kosten Fr. 35.–. Anmeldung bis 1. März über Tel. 071 626 28 88 oder E-Mail: info@vtgl.ch.