«Ehrlich gesagt habe ich die erste Anfrage gar nicht ernst genommen», erinnert sich Vera Hofer. Der Anruf, ob sie für einen Kinofilm über eine oder besser zwei Kühe verfüge, die gemeinsam einen Karren ziehen könnten, kam Mitte Mai 2022.

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Kuh im Kartoffelfeld

Eine solche Kuh besitzt Hofer zusammen mit Joana Mazzocco, einer Freundin, tatsächlich: Elly, ein fünfjähriges Tiroler Grauvieh. Mit ihr pflanzen sie Kartoffeln wie in den guten alten Zeiten, Elly zieht das Vielfachgerät und den Kartoffelpflug. «Wir haben auch eine Egge und einen Kartoffel-Schleudergraber, aber beides verwenden wir mit den Pferden, zweispännig», erklärt die Agronomin, die hauptberuflich bei Agridea tätig ist.

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Der Gedanke, dass die gemeinsame Kuh in einem Film mitspielen könnte, liess Hofer und Mazzocco nicht mehr los. Als die Produktion dann entschied, das Drehbuch auf nur eine Kuh anzupassen, waren sie quasi schon engagiert. Elly wurde die tierische Hauptdarstellerin in der historischen Romanverfilmung «Jakobs Ross», die zurzeit in den Kinos läuft. 

Historisches Drama

«Jakobs Ross» ist ein historischer Kinofilm, basierend auf dem Roman von Silvia Tschui. Ein junger Knecht (Valentin Postlmayr), der vom eigenen Ross träumt, wird mit einer musikalisch hochbegabten Magd (Luna Wedler) zwangsverheiratet, die eine Karriere als Musikerin ersehnt. Elsie fügt sich vermeintlich ihrem Schicksal – bis der jenische Rico (Max Hubacher) auftaucht. Die schweizerisch-luxemburgische Co-Produktion mit SRF-Beteiligung läuft seit 18. Januar in den Kinos. 

Positive Verstärkung

Praktischerweise stand noch ein alter Einspänner-Milchkannenwagen auf dem Hof herum, den die beiden nutzen konnten, um Elly auch mit etwas mehr Gewicht einzufahren. «Ich arbeite hauptsächlich mit positiver Verstärkung und bei Elly mit Klicker- und Targettraining», erklärt Vera Hofer. Dank dieser sanften Trainingsmethoden konnte auch die gewünschte Präzision erreicht werden, dass Elly z. B. genau dort stehen bleibt, wo sie eben soll.

Vera Hofer ist mit ihren Pferden auf einem Bauernhof im Emmental eingemietet und bietet dort Reit- und Fahrstunden an. Ursprünglich stammt sie nicht aus einer Bauernfamilie und wollte Tierärztin werden, aber entschied sich dann für ein Agronomiestudium mit Vertiefung Pferdewissenschaften an der HAFL. Ein eigener Hof war ein Thema, aber nun hat Hofer mit der Wohngelegenheit auf einem Betrieb die für sich ideale Lösung gefunden. Elly lebt auf einem anderen Hof in einer Evolèner-Mutterkuhherde.

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Dreh im Tessin

Im September fanden dann die Dreharbeiten für «Jakobs Ross» im Tessin statt. Für neun Drehtage wurde Elly benötigt, einen davon im Bündner Bergell. Eine logistische Herausforderung.

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Dazu kam die Materialschlacht: Ein historischer Karren aus einem deutschen Museum mit zu kurzen Landen und einem historischen Berner Kuhkummet, das dann aber noch ein Hintergeschirr und einen Bauchgurt mit Riemen benötigte. So stand der Sattler nur eine Woche vor Drehbeginn auf dem Hof, damit alles kuhkonform angepasst werden konnte. Zwei Monate lang war Elly für die Dreharbeiten im Tessin untergebracht. «In dieser Zeit war das mit der weiten Anreise vor den Drehtagen für mich ein 50-Prozent-Job.»

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Die Frauen mussten flexibel bleiben, die Drehtage wechselten oft spontan. Zuerst waren Mazzocco und Hofer unsicher, wie ihre Kuh mit dem Trubel an einem Filmset umgehen würde. «Wir haben versucht, das etwas zu üben, haben schon zu Hause ein paar Leute engagiert, die um sie herumwuseln und sie anfassen, aber so richtig inszenieren konnten wir das ja dann trotzdem nicht.»

Doch die Sorgen waren unbegründet. Elly machten die Dreharbeiten Spass. «Sie hat sogar ein bisschen Starallüren entwickelt. Sie hat immer geschaut, wo die Kamera ist und sich danach ausgerichtet.» Vera Hofer durfte auch nicht zu nahe von Ellys Weide Pause machen, sonst dachte die Kuh, es würde gleich weitergehen mit dem Dreh. «Ging es dann zum Drehplatz, hat sie immer gezogen.» Alle hätten Elly geliebt: «Sie bekam sogar mehr Aufmerksamkeit als die Showpferde und wurde liebevoll ‹the holy cow› genannt.» [IMG 2]

Zweites Kalb bekommen

Ob Elly mal in einem zweiten Film mitspielen wird, steht noch in den Sternen. Ihr zweites Kalb, Enrica, kam am 14. August 2023 auf die Welt und wird nun auch zum Zugrind ausgebildet, mit dem Ziel, sie dann gemeinsam einzuspannen. Nochmals zulassen wollen Vera Hofer und Joana Mazzocco Elly nicht. «Die Arbeit als Zugrind wäre für sie zu belastend, wenn sie trächtig ist.»

Website von Vera Hofer