Alle scheinen es zu wissen und doch ranken viele Fragen und Unsicherheiten um die Sexualität, die uns alle auf irgendeine Weise betrifft. Sie ist eine sehr kraftvolle Energie, die sich uns in einer ihren hellsten Seiten (neues Leben erschaffen) und dunkelsten Aspekten (Gewalt) sowie vielem dazwischen zeigen kann. Die Religionen haben die menschliche Sexualität auf die Fortpflanzung reduziert. Was wäre, wenn sie für uns Menschen weit mehr als Fortpflanzung und Triebbefriedigung sein kann?

Kennen Sie Momente, in denen Sie befriedigende sexuelle Erfahrungen hatten? Vielleicht spüren Sie gerade eine Sehnsucht danach oder einfach nur Frust, weil Sie überhaupt keine Möglichkeit haben, Sexualität zu teilen. Möglicherweise ärgert Sie diese Frage, weil sie Ihnen zu persönlich ist oder Sie mit Sex abgeschlossen haben.

Gas und Bremse gleichzeitig

Sexualität ist etwas sehr Persönliches und über Generationen wurde nicht darüber gesprochen. Es war und ist bis heute ein Tabuthema und gleichzeitig werden wir mit sexuellen Bildern geflutet. Etwa so, wie wenn Sie bei Ihrem Auto gleichzeitig voll aufs Gas und auf die Bremse treten würden.

Ich erlebe selbst und in meiner Arbeit immer wieder, wie befreiend es ist, wenn Menschen mutig in den Austausch über Sexualität kommen und Fragen, Ängste, Freuden und Unsicherheiten aussprechen und teilen. Unsere Sexualität ist sehr eng mit unserem Selbstwert verbunden und somit sind wir alle verletzlich, wenn wir darüber sprechen.

Mit Vertrauten sprechen

Aber wie anfangen, wie überhaupt ins Gespräch kommen? Am besten ist es, wenn Sie sich zum Einstieg mit den Menschen darüber austauschen, bei denen Sie am meisten Vertrauen spüren. Vielleicht ist dies Ihr Partner oder Ihre Partnerin und möglicherweise eben gerade nicht, weil über persönliche Themen in Ihrer Partnerschaft zu sprechen, anspruchsvoll ist. Dann vielleicht mit dem besten Freund oder der besten Freundin? Sie werden staunen, wie dankbar viele Menschen sind, wenn sie über Sexualität austauschen können.

Über sich selbst sprechen

Wenn Sie in Ihrer Beziehung die Sexualität zum Thema machen möchten, ist eine bewährte Form das sogenannte «Zwiegespräch». Das ist eine klare Struktur des Austausches, bei dem nur jeweils einer von beiden für eine bestimmte Zeit redet und der andere zuhört. Wer spricht, macht sogenannte «Ich-Aussagen». Das heisst, man spricht nur von sich, den eigenen Gedanken und Empfindungen sowie dem eigenen Erleben. Das Gegenüber kommentiert nicht, fragt nicht und gibt keine Ratschläge! Vielmehr hört der Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin einfach aufmerksam zu.

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Es bewährt sich, wenn jeder mindestens zehn Minuten über sich spricht. Sie können auch eine zweite oder dritte Runde machen und dann das Gesagte und Gehörte bis zum nächsten Gespräch wirken lassen.

Solche «Zwiegespräche» unterstützen Sie dabei, von sich selbst zu erzählen und einander bewusst zuzuhören. Vielleicht mögen Sie diese Gesprächskultur, die übrigens für alle persönlichen Themen geeignet ist, mal bei einem Spaziergang ausprobieren. Gerade bei Themen wie der Sexualität kann es hilfreich sein, dass der Austausch darüber einen klaren Rahmen hat. So kann die Lebenskraft, die uns auf diese Welt gebracht hat, zu einem selbst verständlicheren und immer mehr entspannten Thema in Ihrem Leben und mit Ihren Liebsten werden. Dies wiederum kann der Grundstein werden für eine erfülltere Sexualität.

Barbara Schmid

Die Bauerntochter ist Sexualberaterin in Luzern. In loser Folge schreibt sie über Sexualität in Paar­beziehungen.

Weitere Informationen unter www.lebendigkeit.ch