Geschafft! Vor knapp einem Jahr haben Nadia und Peter Zemp den Pachtvertrag für die «Gmünden» in Gohl, Langnau im Emmental, unterschrieben. Die gelernte Pflegefachfrau und der Metallbauer und Landwirt EFZ wussten schon früh, was sie wollen bzw. gerne möchten.
«Ein gemachtes Nest war es aber nicht.»
Peter Zemp hatte in den ersten Wochen sämtliches Inventar zu beschaffen.
Ruf der Freiheit
«Arbeiten in der Natur, alleine, ohne Nachbarn, die durch das Küchenfenster schauen», fasst die 26-Jährige, gross geworden auf dem Steinhuserberg, zusammen. Davor wohnten sie in Escholzmatt, wo Peter aufgewachsen ist. Den elterlichen Betrieb hat ein älterer Bruder übernommen. Zemp arbeitete vor Pachtantritt als Metallbauer und halt meist «am Schärme». Den Tag selber einteilen, sein eigener Chef sein und das Ganze meist draussen, mache den Reiz aus. «Die Arbeit mit den Tieren oder der Klang der Treichlen im Sommer gibt mir viel», beschreibt er weiter.
Vor rund vier Jahren begannen sie mit der Hofsuche, so genau wissen sie es nicht mehr. Sie waren nicht die Einzigen, wie rasch klar wurde. Fast auf jedes Inserat habe man sich gemeldet und stets die Ohren offen gehalten. Bezüglich Region waren Zemps anfänglich offen, mehrmals waren sie etwa im Bündnerland auf Betrieben. Rindvieh war eine Voraussetzung, sonst konnten sie sich bei den Betriebszweigen einiges vorstellen.
Suche per Video
Ihre Ideen hatten beide schon in einem Kurzfilm vor drei Jahren erklärt (siehe oben), den sie für die Kleinbauern-Vereinigung (VKMB) drehen konnten. Damit kam Schwung in die Angelegenheit. Auf der VKMB-Plattform haben Hofabgeber und Hofsuchende ein Profil. Eine Fachperson führt die beiden Parteien dann zusammen. Mit unabhängiger Unterstützung wurde die Suche deutlicher effizienter, ist das Betriebsleiterpaar überzeugt. Und weitere Erfolgsfaktoren? «Heiraten!», sagt Peter Zemp spontan. Auch heute noch würden verheiratete Paare wohl bevorzugt. Doch Konkurrenz gab es auch so noch genug, gerade bei Pachten.
Gesuchte Betriebe
«Landwirte oder Landwirtinnen, mehrheitlich mit EFZ, ohne Hof in der Familie oder der Hof wurde bereits von einem Geschwister übernommen», beschreibt Bettina Erne von der VKMB typische Interessenten. Mehrheitlich Paare oder Familien, Durchschnittsalter 35 Jahre.
Die Anzahl Hofsuchende sei deutlich grösser als diejenige der Abgebenden. Im letzten Jahr konnte eine Zunahme an Anfragen festgestellt werden. Vermutet wird ein Zusammenhang mit der Pandemie. Die Leute machen sich vermehrt Gedanken darüber, wie sie ihr Leben gestalten wollen.
Weitere Informationen: www.hofübergabe.ch
Zuerst wird verpachtet
Gewerbe werden tendenziell in einer ersten Phase eher verpachtet als verkauft. Emotional scheint dies für die Eigentümer einfacher zu sein. Und viele Hofabgeber klammerten sich auch noch an einen Strohhalm und hoffen, dass vielleicht die jüngste Tochter plötzlich doch noch einen Bauern «heimbringt», berichtet ein Kenner der Branche. Oder aber man wartet sogar die Entwicklung und Interessen der Enkelkinder ab.
Vor rund anderthalb Jahren wurde Peter bei der Arbeit im Emmental auf die Gmünden aufmerksam gemacht. Der Betrieb auf rund 880 m ü. M. liegt in der Bergzone II und grenzt an Sömmerungsgebiet. Gehören tut er der Stiftung Lebensart, Bärau. Für die Bewirtschaftung des Hofs mussten Zemps ein Konzept erarbeiten. Dieses scheint bei der Stiftung auf Wohlwollen gestossen zu sein. Wobei allzu viel Spielraum auf einem reinen Grünlandbetrieb auch nicht vorhanden ist. Und gegeben war auch die Art der Rindviehhaltung. «Der Pächter vor uns hat noch gemolken», weiss Peter Zemp. Die Stiftung baute aber für Mutterkühe um.
Dies passte der jungen Pächterfamilie ganz gut. «Wir versuchen, möglichst standortgerecht zu produzieren», sagt Zemp. In ihrem Fall heisst das, mit gut 20 Grauvieh-Muttertieren, darunter auch einige OB und eigene Aufzucht, sollen die 36 ha LN vorwiegend beweidet werden. Die Beefs bekommen wenig Maiswürfel, ansonsten soll auf Futterzukäufe verzichtet werden. Ein beträchtlicher Teil der Fläche ist reine Weide und in Hanglage. Peter beschreibt die Weiden als «stotzig», Nadia das Mähland als «hügelig», beide lachen. Das erste Jahr auf dem Betrieb zeigte ihnen, dass die Strategie passen könnte. Auch der Arbeitsanfall liess sich bewältigen.
Kein gemachtes Nest
Einen Betrieb von einer Stiftung pachten zu können, sei sicher kein Nachteil, finden beide. Die Übergabe weniger emotional. Vom Inforama wurde der Pachtzins geschätzt. «In ein gemachtes Nest setzen konnten wir uns aber nicht», stellt Peter Zemp klar. Herausfordernd war vor allem das Inventar. «Jeden einzelnen Gabelstiel mussten wir besorgen», blickt er zurück. Zugute kam dem Landwirt, dass er dank seinem Hobby und Nebenerwerb, dem Treicheln anfertigen (Marke Zemp Bissen), wenigstens einige Werkzeuge besass.
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Winterarbeit: Peter Zemp fertigt Treicheln an.
Zentralschweiz schwierig
Man spürt, die beiden haben sich gut eingelebt im Emmental. Obwohl sie auch mit der Zentralschweiz liebäugelten. «In der Innerschweiz sind nur selten Betriebe ausgeschrieben», so die Erfahrung von Peter Zemp. Er kennt mehrere Luzerner, die im Bernbiet fündig und glücklich wurden. Bettina Erne von der VKMB bestätigt den Eindruck. In der Zentralschweiz sei die Landwirtschaft vielerorts, auch aufgrund der Topografie, relativ kleinstrukturiert und die Nachfrage nach Land von den umliegenden Betrieben noch immer gross. «Wir vermuten auch, dass bei fehlender Nachfolge innerhalb der Kernfamilie oftmals jemand in der weiteren Verwandtschaft Interesse an einem Hof hat», so Erne.
«Man muss stets Augen und Ohren offen haben und mit offenen Karten spielen», schliesst Peter Zemp. Auch Diskretion sei wichtig, bis zur Unterschrift unter den Vertrag. Und eben der Trauschein.
Betriebsspiegel Gmünden
Betriebsleiter: Nadia und Peter Zemp-Koch
Ort: Gmünden, Langnau i. E., 880 m ü. M., BZ II
Flächen: 36 ha LN, Grünland, davon rund 15 ha Mähland, Rest Weide
Tiere: Rund 20 Mutterkühe der Rassen Grauvieh und OB, Beefs, eigene Aufzucht, Angus-Stier
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, evtl. Mithilfe von Bewohnern der Stiftung Lebensart
Nebenerwerb: Anfertigung von Treicheln (Bissen)