«Ich stehe den Windrädern positiv gegenüber, sofern der Standort einigermassen vertretbar ist und sie sich nicht in Siedlungsnähe befinden», sagt Andreas Buri. [IMG 2] Er bewirtschaftet einen Landwirtschaftsbetrieb in Ossingen und ist Vorstands- und Ausschussmitglied des Zürcher Bauernverbands (ZBV) sowie Bezirkspräsident Andelfingen.

20 Standorte für Windparks

Vergangene Woche hatte der Zürcher Regierungsrat Martin Neukom die Eignungsgebiete für den Bau von Windparks bekannt gegeben. Es handelt sich um 20 Standorte, wo zwischen 60 und 70 Windräder zu stehen kämen. Mehr als die Hälfte der Standorte befinden sich in Winterthur Land und im Weinland. Das Ziel ist, damit die Stromlücke im Winter zu schliessen.

«Gut, macht der Kanton vorwärts, denn von Jahr zu Jahr steigt der Stromverbrauch», sagt Andreas Buri weiter. Aber er gehe davon aus, dass dem Kanton bei seinen Plänen ein scharfer Gegenwind entgegenwehen werde.

Schön sind Windräder in der Landschaft beileibe nicht anzusehen. Insbesondere, da Martin Neukom möglichst hohe (220 m) Windräder mit einer grossen Spannweite von 160 m aufstellen will. Das Ziel sind grosse und effiziente Anlagen mit möglichst einfacher Erschliessung. Das sind sogenannte Nutzungsinteressen, die das wirtschaftliche Potenzial abbilden. Zusätzlich machte der Kanton für die Standortevaluierung eine Bewertung der Schutzinteressen. Aus einer Schutz- und Nutzungsmatrix entstanden die 20 Standorte, wo Windparks entstehen können.

Über 30 Schutzinteressen

Für die Bewertung der Schutzinteressen berücksichtigte der Kanton Schutzkriterien.

  • Prioritär ist eine Pufferzone um Siedlungsgebiete und öffentliche Infrastrukturen wie Bahnlinien, Autobahnen oder Stromleitungen. Dort kommen keine Windräder zu stehen.
  • Dann gibt es grundsätzliche Ausschussgebiete. Das betrifft 16 Kategorien. Dazu zählen Moorlandschaften oder Trockenwiesen von nationaler Bedeutung, das Kerngebiet Auerhuhn, Wasser- und Vogelreservate, der Sihlwald, Wildtierpassagen, Flugplatzperimeter, militärische Anlagen, kantonale Schutzverordnungen, Ortsbilder von nationaler Bedeutung und auch prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete (PPF).
  • In den Kategorien «Gebiete mit Interessenabwägung» oder «Vorbehaltsgebiete» sind 14 Schutzinteressen aufgezählt, wo es Konfliktpotenziale gibt (wie Landschaftsschutz oder Wildtiervernetzung).
  • Keine Zuweisung zu einer Schutzzone hat im Grundlagenbericht die Fruchtfolgefläche.

«Das geht gar nicht», sagt Kantonsrätin Ruth Büchi-Vögeli. Die Agronomin und Gemeindepräsidentin von Elgg bewirtschaftete zusammen mit ihrem Ehemann Jakob einen landwirtschaftlichen Betrieb in Heurüti, Elgg, den inzwischen ihr Sohn Jörg Büchi übernommen hat. «Zig Schutzinteressen werden aufgelistet.» Die Landwirtschaft und Nahrungs-mittelproduktion habe anscheinend für die Regierung keine Bedeutung. [IMG 3] Zu den geeigneten Standorten in Elgg gehört ein Waldstandort in Zünikon. «Der Waldstandort ist von naturkundlicher Bedeutung mit Brutstandorten von Feldlerchen und weiteren prioritären Waldvogelarten und ein überregionaler Wildtierkorridor mit nationaler Ausbreitungsachse. Es erstaunt, dass ein grüner Regierungsrat einen solchen Standort auswählt», sagt Ruth Büchi-Vögeli.

Die PPF seien von Windparks ausgenommen, obwohl es sich um Potenzialflächen handelt, deren Umsetzung beispielsweise im Gossauer Ried erst in der Planungsphase sei. «Der Kanton nimmt Entscheide für die PFF vorweg, obwohl der Widerstand gegenüber den PPF auf Bauernseite massiv ist», sagt Büchi und ärgert sich: «Für Windräder ist alles möglich, aber wenn ein Landwirt einen Stall bauen will, werden ihm zig Hindernisse in den Weg gestellt.»

Windparks einfach durchwinken?

Diese ungleichen Spiesse nerven auch Nationalrat Martin Hübscher, der in Bertschikon einen Betrieb bewirtschaftet. In Hübschers Region sind Windkraft-Standorte in Dägerlen, Rickenbach, Altikon, Zünikon und auf dem Stammerberg geplant – die meisten auf Hügelzügen und im Wald. [IMG 4] «Aber für den Landbedarf für Zufahrts- und Umfahrungsstrassen wird es Fruchtfolgeflächen brauchen», sagt er und ergänzt, dass er nicht per se gegen Windkraft sei.

Hübscher wie auch Ruth Büchi-Vögeli haben grosse Bedenken, wie der Regierungsrat das Planungs- und Bewilligungsverfahren für Windkraft beschleunigen will. «Wir kreiden ja schon lange an, dass die Bewilligungsverfahren zu lange dauern. Für Windparks soll das Verfahren abgekürzt werden, aber wenn ein Landwirt, der auf eine standortgebundene Produktion angewiesen ist, bauen will, bleibt alles beim Alten und zig Einsprachen.» Gegen den Willen der Bevölkerung in einer Gemeinde dürfe kein Windrad gebaut werden.

«Jetzt liegt der Richtplan auf. Sind die Rückmeldungen eingegangen, wird er im Kantonsrat besprochen. Dagegen kann kein Referendum ergriffen werden. Dann folgen die kantonalen Gestaltungspläne der Regierung. Dagegen können zwar Betroffene Einsprache erheben, dabei gibt es aber höchstens punktuelle Anpassungen am Projekt», erklärt Martin Hübscher den Gang durch die Institutionen.

Beschleunigungserlass kommt

Martin Hübscher verweist auf den Beschleunigungserlass auf Bundesebene, der zurzeit in der ständerätlichen Kommission diskutiert wird. Dabei will der Bundesrat das Planungs- und Bewilligungsverfahren für erneuerbare Energien beschleunigen. «Ein aktueller Minderheitsantrag, der auch Bundesrat Albert Rösti unterstützt, soll dabei aufgenommen werden. Dieser räumt dem Volk, einer Gemeinde, ein Mitspracherecht ein – sei es mit einem Referendum oder einer Abstimmung», erklärt er. Ein solcher Artikel fehle bis jetzt im Kanton Zürich. «Das muss hinein. Auch die Zürcher Regierung darf demokratische Prozesse nicht aushebeln», sagt er.

Wie profitiert die Gemeinde?

Um Windparkprojekte regional stärker zu verankern und die Regionen stärker davon profitieren zu lassen, schlägt der Zürcher Regierungsrat eine freiwillige Investitionsbeteiligung für Gemeinden und Bevölkerung sowie eine freiwillige Zahlung von Betreibern von Windenergieanlagen an Gemeinden (analog den Wasserzinsen).

«Der Kanton muss den Energiefirmen auf die Finger schauen.»

Andreas Buri

Das überzeugt Gemeindepräsidentin Ruth Büchi-Vögeli nicht. «Erstens ist es freiwillig und zweitens bekam ich bis dato weder eine Rentabilitätsberechnung noch eine Kosten-Nutzen-Analyse zu Gesicht. Auch die Finanzierung solcher Anlagen bleibt bis heute ein Geheimnis.»

Entschädigung nicht vergessen

Bereits würden Stromfirmen sich Standorte für Windräder sichern, weiss Ruth Büchi-Vögeli. Sie rät den Landeigentümern, nichts zu unterschreiben, wenn nicht die Entschädigungsfragen klar geregelt seien. Zahlen würde auch Andreas Buri gerne sehen. «Der Kanton muss den Energiefirmen auf die Finger schauen.» Überall werde reguliert, aber im Strommarkt herrsche Wildwest bzw. Abzockerei. Auch gehöre in jedes entsprechende Windprojekt ein Rückbaurevers. «Das wird ja auch heute schon bei landwirtschaftlichen Bauten verlangt.» Überdies solle man auch bei Solarparks Rückbaurevers einführen.


Nachgefragt bei Regierungsrat Martin Neukom

«Wenn es auf Wiesland steht, können die Kühe darum herum weiden»

Können Sie beziffern, wie viele Fruchtfolgeflächen durch den Bau inklusive Erschliessungen von Windrädern betroffen sein werden?

Martin Neukom: Der Bodenbedarf von Windenergieanlagen ist auf den Mastsockel beschränkt. Die meisten der derzeit 47 grossen Windräder, die in der Schweiz bereits stehen, sind frei zugänglich, also nicht mit einem Zaun umgeben. [IMG 5] Wenn die Anlage auf Ackerland steht, kann der Bauer mit Ausnahme des Sockelbereichs (ca. 1 Are) das Feld weiter bewirtschaften. Wenn es auf Wiesland steht, können die Kühe darum herum weiden. Die benötigte Fläche an Fruchtfolgeflächen muss dennoch kompensiert werden. Viele Windenergieanlagen werden allerdings im Wald zu stehen kommen. Hier wird ungefähr 1 ha Waldfläche benötigt wegen des Platzes, der die Installation braucht. Der gerodete Wald muss flächengleich ersetzt werden.

Im Grundlagenbericht Windenergie ist von fast 30 Schutzinteressen die Rede. An drittletzter Stelle folgen Fruchtfolgeflächen. Wobei nur die Rede davon ist, dass diese kompensiert werden müssen. Wo wollen Sie Flächen finden, um sie zu kompensieren?

Die Kompensation von Fruchtfolgeflächen ist heute gängige Praxis. Sie erfolgt bereits an unterschiedlichsten Stellen im Kanton. Dafür sind beispielsweise elf Standorte in den regionalen Richtplänen vorgesehen.

Wie wirkt sich das auf das vor­gegebene Kontingent im Sachplan Fruchtfolgefläche von rund 44 400 ha aus?

Gar nicht. Benötigte Flächen werden kompensiert.

Warum zählen Sie die Prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete (PPF) zu den schutzwürdigen Interessen? Der Ausdruck Potenzialflächen sagt, dass es um Flächen handelt, deren Eignung für Wiedervernässung erst noch abgeklärt werden muss. Nehmen Sie damit Entscheidungen vorweg?

Es geht darum, diese Flächen präventiv zu sichern und ihr Potenzial zu erhalten.