«Klimawandel – Einbildung oder Realität?» Dieser Frage stellte sich der Bauernverband Appenzell Ausserrhoden an der traditionellen Januartagung, welche am Donnerstag, 11. Januar, in Gais stattfand. Dazu lud er den bekannten Meteorologen Jürg Zogg von SRF ein. Dieser räumte ein Missverständnis aus dem Weg: «Wetter und Klima werden häufig verwechselt.»
Durchschnitt mehrerer Jahrzehnte
Das Wetter ist laut Jürg Zogg hier und jetzt. Man spürt es nicht nur, es weckt zudem Emotionen und bleibt oftmals in Erinnerung. Beim Klima dagegen handelt es sich um das Durchschnittswetter über Jahrzehnte. Es ist nicht unmittelbar spürbar, sondern trockene Statistik. Dabei kommen Abweichungen von der Norm immer vor.
Ein Sturm allein oder andere extreme Abweichungen sind noch kein Hinweis auf eine Klimaveränderung. Aussagekräftig ist erst der Mittelwert über einen grösseren Zeitraum. Schaut man sich dabei die Durchschnittstemperaturen über einen Zeitraum von 150 Jahren an, zeigt sich eine deutliche Ansammlung von warmen Jahren. Das bedeutet jedoch nicht, dass zwischendurch nicht auch eine grosse Kälte auftreten kann. «Unter Wissenschaftlern ist inzwischen unbestritten, dass wir uns im Klimawandel befinden und CO2 dafür verantwortlich ist», sagte Zogg. Er nannte verschiedene Auswirkungen der Erwärmung in den letzten Jahrzehnten, die sich auch in der Landwirtschaft bemerkbar machen:
Hitzewellen: Sie treten häufig und intensiver auf.
Nullgradgrenze: Sie ist zwischen 300 und 400 Meter angestiegen.
Kälte: Seit 1961 wurden 60 Prozent weniger Frosttage gezählt.
Starker Regen: Es regnet um 12 Prozent intensiver und 30 Prozent häufiger.
Winterniederschlag: Er hat um 20 bis 30 Prozent zugenommen.
Schneetage: Unter 800 m haben sie um die Hälfte abgenommen. Auf 2000 m kam es zu einem Rückgang von 20 Prozent.
Vegetationsperiode: Sie ist in den letzten 60 Jahren um 2 bis 4 Wochen länger geworden.
Frost: Der letzte Frost im Frühjahr findet durchschnittlich früher statt. Da sich aber auch die Vegetation früher entwickelt, hat sich die Gefahr von Frostschäden unterhalb von 800 m kaum verändert. In höheren Lagen hat die Gefahr dagegen zugenommen.
Verschiebung Vegetationszonen: z. B. wandern die Nadelwälder nordwärts, in 10 Jahren rund 17 Kilometer.
Klimaszenarien seien schwierig zu erstellen und fielen je nach Klimaschutzmassnahmen unterschiedlich aus. Fakt sei jedoch: «Der Klimawandel ist bereits Tatsache», stellte der St. Galler fest. «Das heisst, dass wir uns an neue Realitäten anpassen müssen.»
Was heisst da falsch?
Jürg Zogg erzählte zudem von seinem Tagesgeschäft, der Wetterprognose: «Dabei geht es immer um die nächsten 10 Tage», so Zogg. Je grösser die zeitliche Entfernung, desto unschärfer würden die Voraussagen. Das heisst, Langzeitprognosen sind unschärfer als Kurzzeitprognosen. Dies, weil eine Wetterprognose selbst mit modernster Technik keine exakte Wissenschaft sei.
«Aus diesem Grund gehören Fehlprognosen selbstverständlich dazu», ergänzte der Meteorologe. Auswertungen hätten ergeben, dass die Trefferquote insgesamt bei etwa 85 Prozent liegt. Doch was heisst richtig oder falsch? Das Fehlerspektrum ist breit, es reiche von ein bisschen unpräzise vorausgesagt bis komplett daneben. Für Meteorologen bedeutet dies: Um möglichst wenig Fehler zu machen, müsste man sich auf allgemeine Aussagen beschränken. Wagt man dagegen viele präzise Voraussagen, lehne man sich sehr aus dem Fenster. «Die Herausforderung ist es, stets zwischen beiden Extremen abzuwägen», so Zogg.
Das SRF-Meteoteam ist täglich von halb vier Uhr früh bis elf Uhr spät im Einsatz. Es stützt sich jeweils auf fünf bis sechs Modellberechnungen, um seine Prognosen zu erstellen. Diese bringt SRF täglich bis zu 40-mal live auf verschiedenen Radio- und Fernsehsendern. Dazu kommen Lokalwetterprognosen sowie der Wetterbericht auf der Website. Auch punkto Aktualität sind die Anforderungen hoch: Da sich der Ist-Zustand des Wetters ständig verändert, müssen die Prognosen laufend angepasst werden. «Es kann also sein, dass ich die Voraussage am Radio eine halbe Stunde später bereits etwas anders formuliere», sagte Zogg.
Zur Person
Jürg Zogg studierte in Zürich Geografie mit Vertiefung Klimatologie und Atmosphärenphysik. Anschliessend arbeitete der St. Galler während rund fünf Jahren für den Wetterdienst Meteomedia am Schwäbrig oberhalb von Gais. Seit 2004 ist Zogg als Meteorologe beim SRF-Meteo-Team tätig. Im St. Galler Rheintal bewirtschaftet er hobbymässig einen kleinen Rebberg. Sein Vater Martin Zogg war früher als Landwirtschaftslehrer am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen (LZSG) und beim Braunviehzuchtverband tätig.
Tipps für den Umgang mit Wetterprognosen
Jürg Zogg gab folgende Ratschläge, was bei Wetterprognosen zu beachten ist:
Lokale Anbieter: Am genauesten sind (standortabhängig) jeweils meteorologische Dienste aus dem Inland.
Aktualität: Prognosen, die über 10 Tage hinausgehen, gar nicht beachten.
Einschätzungen: Bildsymbole (z. B. Sonne) sind zu allgemein. Zogg empfahl, sich an gesprochene oder geschriebene Einschätzungen zu halten. Diese sind differenzierter.
