Das deutsche Magazin «Starke Pferde» berichtet in seiner letzten Ausgabe von einem Projekt, das ebenso altmodisch wie wegweisend erscheint. In einem kleinen Dorf in der Westukraine helfen Pferde, das tägliche Überleben zu sichern. Die Tiere ersetzen Traktoren, Diesel und Strom. Eine frühere Verbindung zum Gymnasium Muttenz zeigt: Auch aus der Schweiz wurde das Dorf schon einmal unterstützt.
Kleine Flächen
Die Region Transkarpatien im Westen der Ukraine ist von bescheidener Landwirtschaft geprägt. Die meisten Familien bewirtschaften kleine Flächen – ein oder zwei Hektaren, kaum grösser als ein Fussballfeld. Die Höfe dienen der Selbstversorgung, ergänzt durch kleine Einnahmen vom Verkauf auf lokalen Märkten. Traktoren oder Mähdrescher sind weit und breit keine zu sehen. Die Arbeit wird oft von Hand erledigt – oder mit tierischer Hilfe.
Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich die Lage in dieser Region weiter verschärft. Zwar blieb der Westen des Landes weitgehend von Kampfhandlungen verschont, doch die Auswirkungen sind überall spürbar: Diesel ist teuer oder gar nicht verfügbar. Ersatzteile für Maschinen kommen nicht mehr durch. Strom gibt es mitunter nur wenige Stunden am Tag.
Pferde werden gefördert
In der Region Transkarpatien, genauer im Dorf Nyschnje Selyschtsche, engagieren sich verschiedene Projekte zur Förderung der Pferdearbeit. Eines dieser Vorhaben wird von der landwirtschaftlichen Kooperative Longo-Maï getragen, die seit den 1990er-Jahren in der Region aktiv ist. Francis Dopff, ein ehemaliger Elsässischer Landwirt, wurde durch einen Aufruf zur Flüchtlingshilfe auf das Projekt aufmerksam. Obwohl er kein Mitglied von Longo-Maï ist, entschied er sich spontan, in die vom Krieg betroffene Ukraine zu reisen, um vor Ort mit Pferden zu arbeiten und sein Wissen einzubringen.
Dopff beschreibt im Artikel einige seiner Erlebnisse. So schildert er den schwierigen Transport landwirtschaftlicher Geräte: «Die grösste Herausforderung war zweifellos, die landwirtschaftlichen Geräte wie Sämaschine, Mähwerk und Pflug über die Grenze zu bekommen – ein wahres Abenteuer!» Oder aber seine Beobachtungen nach Ankunft im Dorf: «Als ich sah, wie Iolana, eine Bewohnerin des Dorfes, das geschnittene Gras für fünf Rinder und 20 Ziegen mit einer Schubkarre transportierte, dachte ich, dass dies wohl der effizienteste Weg sein müsse. Gemeinsam fanden wir schliesslich eine Lösung: Mit Orlik, einem kleinen Hengst, konnte das Gras bequem mit einem Wagen in den Stall gebracht werden.
Heute arbeiten laut dem deutschen Magazin immer noch zwei Männer aus dem Dorf mit dem Hengst Orlik weiter. Sie holen Brennholz aus dem Wald.
Vier Stunden Strom
Der Elsässer Altlandwirt beschreibt, wie Pferdearbeit in der Ukraine angesichts von Benzinmangel und Stromausfällen zunehmend an Bedeutung gewann. Francis Dopff erinnert sich, dass es zu Beginn des Krieges kaum noch Benzin gab. Manchmal habe es nur während vier Stunden am Tag Elektrizität gegeben.
Perspektive Ackerbau
Die Kooperative vor Ort unterstützt inzwischen mehrere Familien beim Einstieg in die Arbeit mit Pferden. Es geht dabei nicht nur um landwirtschaftliche Produktion, sondern auch um soziale Stabilität. In einem Dorf, das Flüchtlinge aus dem Osten der Ukraine aufgenommen hat, bietet der Ackerbau eine Perspektive – und Beschäftigung.
Eine junge Frau berichtet im Artikel, wie sie mit ihrer kleinen Tochter aus der Oblast Charkiw floh. Im Westen begann sie, ein Feld zu bestellen – mit einem Pferd, das sie sich mit Nachbarn teilt. Es sei hart, aber sinnstiftend, sagt sie. Die Nahrung komme vom eigenen Boden, die Arbeit gebe zudem Halt.
Die Rolle des Gymnasiums
Das Dorf Nyschnje Selyschtsche ist kein völlig unbekannter Ort in der Schweiz. Über mehrere Jahre bestand eine projektbezogene Kooperation mit dem Gymnasium Muttenz im Kanton Basel-Landschaft. Im Rahmen eines Schulprojekts engagierten sich Schülerinnen und Schüler für nachhaltige Entwicklung. Heute existiert diese Verbindung nicht mehr. Wie die BauernZeitung in einem Gespräch mit dem Gymnasium recherchierte, ist die Partnerschaft mittlerweile beendet.
Am Ende seines Berichts formuliert Francis Dopff einen Gedanken, der weit über die Ukraine hinaus Gültigkeit hat: «Pferdearbeit ist keine Nostalgie. Sie ist ein Weg, um lokal und widerstandsfähig zu wirtschaften. Man braucht Mut, um sich auf das Tier einzulassen – und Demut, um sich nicht über es zu stellen. Aber das Ergebnis ist echte Zusammenarbeit.»
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