So wie man sich die Weihnachtszeit gerne vorstellt, ist es bei Barbara Inauen im appenzellischen Weissbad. Ihr Hof liegt auf über 900 m ü M., und wer mit der Appenzellerbahn im Dorf ankommt, hat auf dem knapp halbstündigen Aufstieg ausgiebig Gelegenheit, die Landschaft mit den sanften Hügeln und den hohen Felsen des nahen Alpsteins zu meditieren. Ums Haus herum liegt frischer Schnee, drinnen duftet es verführerisch nach Weihnachtsgebäck. Wie sich bald herausstellt, wurden gerade Nussstengeli aus dem Ofen geholt.
Sie ist gelernte Konditor-Confiseurin
Barbara Inauen bäckt seit Anfang November Weihnachtsguetzli. In der Küche des alten Bauernhauses entsteht eine Sorte nach der anderen. In den Säckli à 250 oder 400 Gramm, die sie verkauft, finden sich jedes Jahr 21 Sorten oder mehr. «Und wenn mal eine fehlt, reklamiert garantiert jemand», sagt die gelernte Konditorin-Confiseurin lachend. «Ich halte mich an die traditionellen Rezepte, die schmecken für mich richtig nach Weihnachten.» Dazu verwendet sie zwei Guetzlibücher, eins von Betty Bossi, das andere hat sie von ihrer Ausbildung her. Da und dort gebe sie etwas mehr oder weniger von diesem oder jenem Gewürz dazu, das mache dann den individuellen Touch aus.
Inauen stammt ursprünglich aus dem Berner Seeland. Anfang der Neunzigerjahre arbeitete sie im Café Laimbacher in Appenzell und lernte im Ausgang ihren Mann Josef kennen. Später übernahmen die beiden den Milchviehbetrieb der Schwiegereltern. Hier wuchsen auch die drei Kinder auf, die inzwischen erwachsen sind.
Die Zutaten kommen möglichst aus der Region
Mit der Herstellung von Weihnachtsguetzli als Betriebsstandbein begann Barbara Inauen vor über 20 Jahren auf dem St. Galler Weihnachtsmarkt. «Angefangen habe ich mit 20 Säckli», erinnert sich die 51-Jährige. In der Zwischenzeit verkauft sie alljährlich in der Weihnachtzeit um die 300 Kilogramm. Derzeit aufgrund der Pandemie etwas weniger, weil sie nicht auf den Markt geht. Wiederverkäufer sind die Landi in Appenzell und weitere lokale Geschäfte. Dazu kommt die Direktvermarktung via Homepage und Soziale Medien, die von Tochter Tanja in Schwung gehalten werden. «Auch dank Mund-zu-Mund-Propaganda ist unser Gebäck weitherum bekannt. Sogar eine alte Dame aus Genf gibt jeweils eine Bestellung auf», so die Konditorin.
Sie legt Wert darauf, dass die Zutaten möglichst regional sind: Appenzeller «Anke», Mehl aus der Region, Eier von den eigenen 15 Hennen sowie Milch von den 14 Milchkühen. Ebenfalls zum weihnächtlichen Sortiment gehört das Birnenbrot, in anderen Jahren auch der Christstollen.
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Für die Kontrolle der Backzeit braucht sie keine Uhr
Während der Saison beginnt Barbara Inauen oft schon um fünf Uhr morgens mit dem Guetzlibacken, manche dieser Arbeitstage enden erst gegen Mitternacht. Viel Zeit beanspruchen jeweils die Teige. Dabei hilft ihr die Kenwood-Küchenmaschine sowie die professionelle Rotor-Knetmaschine, die sie vor 15 Jahren occasion erwerben konnte. Zudem stehen zwei Backöfen parat, welche häufig im Dauereinsatz sind. Viele Guetzlisorten haben kurze Backzeiten, es gilt, den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen. «Eine Uhr brauche dazu ich nicht. Nur Nase, Augen und Ohren», sagt Inauen.
An mehreren Tagen vor Weihnachten bekommt die Appenzellerin Unterstützung von sechs Engeln. So nennt sie die Freundinnen, die ihr schon seit Jahren beim Abfüllen der Weihnachtsguetzli helfen. «Die wissen, wie es läuft und packen von alleine an», sagt Inauen. Um die Treffen der Engel zu koordinieren, gibt es sogar einen himmlischen Whatsapp-Chat. Zudem kommen manche Kunden aus der Umgebung gleich mit der leeren Dose vorbei, um sie mit Guetzli füllen zu lassen und somit Abfall zu verhindern.
Eine Woche vor den Festtagen ist allmählich Schluss mit der Weihnachtsbäckerei. Dann hat Inauen bald wieder mal Zeit, um es sich auf dem Sofa gemütlich zu machen und ungestört einen Krimi zu lesen, Line Dance zu tanzen oder im Chörli zu singen.
Einmachkurse liegen im Trend
Ausserhalb der Saison bäckt Barbara Inauen Zöpfe, Brot und auf Bestellung auch Torten, auch Spezialkreationen für Hochzeiten oder Geburtstage. Darüberhinaus hat sie Konfitüren, Sirupe, Punsch und eingelegtes Gemüse im Angebot. Auch bietet sie Einmachkurse an, die besonders seit Beginn der Corona-Pandemie im Trend liegen. Die Vielbeschäftige arbeitet ausserdem einen Tag in der Woche in einer lokalen Bäckerei und geht mit ihrem Mann über den Sommer z Berg, das heisst, auf eine höher gelegene Aussenwacht des Hofs, die sich ein paar Kilometer vom Heimbetrieb entfernt befindet. Inauen ist zudem seit Jahren Mitglied des Appenzeller Grossen Rats. Die Politik sei eine Lebensschule, findet sie.Alexandra Stückelberger
Weitere Informationen: www.hof-inauen.ch
Tipps von Barbara Inauen
Kinder und Tiere: Tiere haben in Barbaras Inauens Küche nichts zu suchen. Kinder dagegen sollte man nicht hinhalten. Wenn sie beim Backen Guetzli essen dürfen, haben sie dafür mit der Zeit genug davon.
Aufbewahren: Sorten möglichst getrennt aufbewahren. Gemischt werden die trockenen Weihnachtsguetzli mit der Zeit weich, weil sie die Feuchtigkeit der anderen aufnehmen.
Resten: Übriggebliebene Weihnachtsguetzli nicht fortwerfen! Sie können zerbröselt und mit Butter zu einem Tortenboden zusammengefügt werden. Oder man kann sie gemahlen als Nussersatz auf den Wähenboden streuen.