«Was wir über die Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, das wissen wir durch die Massenmedien», hat der Systemtheoretiker Niklas Luhmann 1996 geschrieben. Bei allem, was wir nicht selbst mit eigenen Augen sehen, müssen wir uns zwangsläufig auf die Vermittlung durch Dritte verlassen – Fernsehen, Radio, Zeitung. Spätestens seit der Lancierung von Facebook könnte man Luhmanns einprägsamen Satz noch um das Wörtchen «soziale» erweitern, denn die sozialen Massenmedien sind aus dem alltäglichen Medienmix nicht mehr wegzudenken.

In Bezug auf die Landwirtschaft stellt sich damit eine grosse und vor allem sehr aktuelle Frage: Was tun jene Teile der Bevölkerung, die keinen Betrieb vor der Haustüre haben, wenn sie etwas über die Landwirtschaft erfahren wollen?

Wer berichtet? Und was? Und vor allem: wie?

Klar, einige, die in der Nähe eines Bauernhofs leben, schauen vielleicht einfach kurz vorbei und fragen nach. Aber beim Grossteil der Leute läuft es anders: Sie lesen Zeitung oder suchen bei Google, Facebook und Konsorten. Aus Sicht der Landwirtschaft rücken damit Folgefragen ins Zentrum: «Wer berichtet, worüber wird berichtet und wie wird das Ganze gemacht?» Aus diesen Fragen ergibt sich wiederum vielleicht die wichtigste: «Wie bilden wir als Landwirte unsere tägliche Realität ab und zeigen, was wirklich Sache ist?»

Während sich die sogenannten grünen Medien, also die landwirtschaftlichen Publikationen wie diese Zeitung, an eine bäuerliche Leserschaft richten, ist es für die «weissen Medien» ungleich schwieriger, für ein fachfremdes Publikum über die Landwirtschaft zu berichten. Wie sollen sie auch? Ihnen fehlen Fachleute mit entsprechendem Wissen und es mangelt ihnen an direkten Kontakten in die Branche.

Berichtet wird deshalb in den Massenmedien grösstenteils über aktuelle Entwicklungen von der Agrarpolitik bis hin zum Agrarhandel. Der bäuerliche Alltag mit seinen Sorgen und Nöten, aber auch Freuden und Erfolgen bleibt auf der Strecke.

Auf Höfe und in Betriebe hinein schauen

Wie «blickt» man also auf die Höfe, in die Betriebe hinein? Solche Berichte finden sich wenige, und wenn, dann ausgerechnet in den Publikationen der grossen Detailhändler. Ein Beispiel: Unter dem Titel «Was wollen die Bauern?» hat die Migros-Zeitung jüngst einen umfangreichen Artikel publiziert und dabei die Anliegen der bäuerlichen Protestbewegung abgebildet. Dazu hat man in kurzen Porträts vier Landwirte und Landwirtinnen zur Sprache kommen lassen.

Das ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, doch auch hier entscheidet eine nichtlandwirtschaftliche Redaktion über das «Was?» und das «Wie?». Das kann aus bäuerlicher Sicht nicht das Ende der Fahnenstange sein.

Wesentlich direkter fühlt sich im Gegensatz dazu die Berichterstattung «aus den eigenen Reihen» auf den sozialen Medien an. Hier richten sich vor allem jüngere Landwirtinnen und Landwirte an ein breites Publikum, wenn sie in die Kamera sprechen. Und sie nehmen die Leute sogar da hin mit, wo es eher unangenehm oder trocken ist. Etwa zum Ausfüllen der Suisse-Bilanz.

Auch Messen lösen das Problem nicht

Seien es die «Farmfluencer», die «Schweizer Bäuerinnen und Bauern» oder einzelne Landwirte – auf den sozialen Medien ist der Konsument hautnah dabei und erhält einen direkten Einblick in den Betrieb. So können Auf- und Erklärungsarbeit funktionieren, wenn denn die Inhalte stimmig und sorgfältig aufbereitet sind.

Ein weiteres «Schaufenster» für die Landwirtschaft sind Messen wie die Olma und aktuell die BEA. Mit der richtigen Botschaft und dem richtigen Auftritt erreicht man hier Tausende. Doch wie nachhaltig wirkt ein Messestand? Eine Messe ersetzt nicht das Gemüsebeet, vermittelt keinen Eindruck vom Feld und riecht nicht nach Stall. Und auf dem Hofplatz steht die Konsumentenschaft damit noch immer nicht.

Der Brunch als optimale Lösung?

Genau hierhin bringen wir sie aber mit Anlässen wie dem Tag der offenen Hoftüren und mit dem 1.-August-Brunch. Der Brunch zum Nationalfeiertag ist das älteste Projekt der Bauernverbands-Kampagne «Schweizer Bäuerinnen und Bauern»; seit über 30 Jahren zieht der Brunch Konsumentinnen und Konsumenten aufs Land. Eigentlich eine tolle Erfolgsgeschichte, die ein gerüttelt Mass an Weitsicht offenbart.

Doch es gibt ein grosses Aber: Immer weniger Bauernfamilien wollen oder können Gastgeber sein, Jahr für Jahr wird es schwieriger, genügend Betriebe zu finden. Das zeigen die Zahlen des Schweizer Bauernverbandes: Waren es vor zehn Jahren noch 364 Betriebe, die zum Brunch einluden, sank diese Zahl während Corona auf nur noch 150 Höfe. Klar: Damals galten besondere Umstände, die Sicherheits-Auflagen machten es nicht eben «anmächeliger», einen Brunch auszurichten. Doch seither hat sich die Zahl der teilnehmenden Betriebe nicht wieder eingerenkt, 2023 waren es noch immer lediglich 262 Betriebe, auf denen gebruncht werden konnte.

Am persönlichen Erleben führt kein Weg vorbei

Natürlich ist der Aufwand für einen Brunch ungleich höher als für das Posten auf den sozialen Medien. Das lässt sich nicht direkt miteinander vergleichen. Aber wenn das Ziel lautet, die Stadtbevölkerung und die Landwirtschaft näher zusammenzubringen, führt kein Weg am Besuch auf dem Bauernhof vorbei. In Gedanken an Niklas Luhmann könnte man sagen: Alles, was die Leute über die Landwirtschaft wissen wollen, müssen sie mit eignen Augen sehen und selber erleben. Nur das ist wirklich nachhaltig!