In Sachen Wolf waren die Fronten geklärt am 1.-Mai-Podium. Auf der einen Seite David Gerke von der Gruppe Wolf Schweiz und GLP-Kantonsrat Thomas Wirth aus Hombrechtikon, auf der anderen Seite SVP-Nationalrat Thomas Knutti aus dem Kanton Bern und der Bündner SVP-Grossrat Walter Grass.
Knutti findet, dass es in der Schweiz keinen Platz für Wölfe habe. Eigentlich ist Walter Grass tief in seinem Herzen auch dieser Meinung, aber er ist pragmatisch und stellt sich hinter die Revision des Jagdgesetzes und hinter Bundesrat Albert Rösti, der die Jagd auf mehrere Wolfsrudel in Gang setzte.
«Mythos Selbstregulation»
David Gerke hingegen ist der Überzeugung, dass der Wolf ein Existenzrecht in der Schweiz habe und mithelfe, den Rotwildbestand zu regulieren und dadurch die Schutzwälder vor Verbiss schützen. Abschüsse seien nur dort sinnvoll, wo Wölfe trotz Herdenschutzmassnahmen Schäden verursachen oder drohen, Schäden zu verursachen.
«Man kann nicht einfach alles wegschiessen, was einem nicht passt», fügte er hinzu. Auch werde sich die Wolfspopulation selbst regulieren, wenn eine gewisse Anzahl erreicht sei und das Nahrungsangebot knapper werde. Dann käme es zu Revierkämpfen und Wölfe würden abwandern.
«Der Wolf hat mehr Rechte als die Jäger.»
Walter Grass aus Urmein, SVP-Grossrat Graubünden.
Dem Argument Selbstregulation schloss sich auch Thomas Wirth an. «Wenn ich im Kanton Zürich wohnen würde, könnte ich auch so argumentieren», hielt Walter Grass entgegen.
Dass es Wölfe brauche, um den Rotwildbestand zu regulieren, sei ein Scheinargument, schob Thomas Knutti nach. Rotwild könne man auch schiessen, sofern beispielsweise im Kanton Graubünden die Jagdbestimmungen gelockert würden, fügte Grass an und: «Aber der Wolf hat mehr Rechte als die Jäger.»
Laut Grass ist Herdenschutz nicht so einfach umzusetzen. Gerke hingegen beharrte darauf, dass Herdenschutz ohne Weiteres praktikabel sei. Was Marcel Frei, Zuschauer aus Bonstetten, zu Widerspruch reizte. Dem Schafzüchter aus Bonstetten riss der Wolf vor zwei Jahren 22 Schafe, wobei sich der Wolf unter dem Elektrozaun durch einen Zugang zur Herde verschaffte.
«Was masst ihr Umweltverbände euch an. Ihr verdient mit dem Wolf Geld, aber wir zahlen dafür», sagte er. Für ihn wären Zonen die beste Lösung, also Schutzzonen für den Wolf, wo er nicht gejagt wird, und wolfsfreie Zonen, wo Wölfe geschossen werden können. «Das ist in Kanada oder Sibirien möglich, aber hierzulande nicht», sagte Gerke.
Vorstösse «Tir de Défense»
David Gerke kritisierte, dass das Departement von Bundesrat Rösti den Herdenschutz ausbremse, indem Bundesgelder für Zäune etc. gestrichen würde. Er nahm auch Stellung zum Vorwurf, vom «Wolf zu leben»: «Ich bin seit 2017 Präsident und arbeite immer ehrenamtlich. Die Gruppe Wolf Schweiz lebt nicht von Spendengeldern und hat kein Geld für Saläre.»
Auch das Thema Verteidigungsschüsse wurde gestreift. Im Frankreich können Tierhalter bei wiederholten Wolfsangriffen für ihre Herde einen «Tir de Défense» beantragen – also, dass sie einen Wolf direkt beim Angriff schiessen können. Dadurch hätten Wolfsangriffe aufgehört, aber nicht wegen der Abschüsse, sondern weil Jäger auf dem Platz waren, sagte Gerke. Ihn erinnere das Thema an Selbstjustiz. Nicht desto trotz gibt es Vorstösse im Kanton Graubünden und im Wallis, «Tir de Défense» auch in der Schweiz zuzulassen.
Schlagabtausch statt Dialog
Wie sollte bei dieser Konstellation ein brückenüberwindender Dialog stattfinden? Reto Brennwald, der das Podium leitete, versuchte es gar nicht erst. Im Gegenteil, für den ehemaligen SRF-Arena-Moderator scheint ein veritabler Schlagabtausch bei einem Podium doch eher Sinn der Sache zu sein. [IMG 2] Eigentlich bedauerlich, denn das Ziel der Organisatoren Anna und Edwin Bolleter war es, die Zürcher für die Anliegen der Bergbevölkerung in Sachen Wolf zu sensibilisieren. Darum hätten sie die zwei Referenten aus dem Berggebiet auf ihren Hof eingeladen, wo das Podiumsgespräch stattfand. «Durchziehende Wölfe streiften bis dato nicht durch unsere Region», sagte Edwin Bolleter. Der See bildet noch eine natürliche Barriere. Bolleter hofft, dass seine Region noch lange wolfsfrei bleiben wird.