Meine Töchter sind 5½ und knapp 4. Fragen zur Gleichstellung der Geschlechter stellen sie manchmal bereits, ohne dass ich das bewusst fördere. Kürzlich wollten sie (beide tragen einen nordischen Vornamen) wissen, ob es bei den Wikingern auch Frauen gegeben habe, weil ihnen aufgefallen war, dass es in ihrer Hörspiel-Folge nur Wikinger-Männer gibt.

Oder sie – bereits fasziniert von Spiderman und Co. – fragten, welche weiblichen Superhelden es denn gebe. Spontan fiel mir nur Wonder Woman ein – mit ihrer übermenschlichen Stärke, Schnelligkeit und der Fähigkeit, zu fliegen.

Der Tag hat doch nur 24 Stunden?

Wenn ich an «Wonder Women» im landwirtschaftlichen Kontext denke, fällt mir so manche Bäuerin ein. Immer wieder erstaunt es mich, was diese Frauen alles leisten. Tatkräftige Mithilfe auf dem Betrieb, vielleicht sogar ein eigener Betriebszweig, Familie, Kinder, Haushalt, Garten und oft auch noch ein Auswärtspensum. Ich weiss meist nicht, wie die Bäuerinnen all das stemmen, denn ihr Tag hat auch nur 24 Stunden. Gerade am vergangenen Samstag haben wieder 85 dieser «Wonder Women in Gummistiefeln» am Inforama Rütti den Fachausweis entgegennehmen können.

Fakt ist: Ohne Frauen geht in der Landwirtschaft (wie eigentlich überall) gar nichts. Im Gegenteil, sie werden immer wichtiger – auch wirtschaftlich, wie die Studie «Frauen in der Landwirtschaft 2022» des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) vergangenen Herbst aufgezeigt hat. Die Bäuerinnen erzielen mehrheitlich ein eigenes Einkommen: Sie führen den Betrieb oder einen Betriebszweig als Selbstständigerwerbende, sind auf dem Hof angestellt oder tragen mit einem Job ausserhalb zum Gesamteinkommen bei.

Fast alle auf Betrieb

Fast alle befragten Frauen arbeiten auf dem Betrieb. Ein knappes Viertel (23 ​%) ist dabei für mindestens einen Betriebszweig allein verantwortlich, wobei der Anteil im Altersvergleich bei den jungen Frauen mit 38 Prozent am höchsten ist. Bei fast zwei Dritteln der Frauen (62 %) macht das Einkommen aus ihren Verantwortungsbereichen bis zu 50 Prozent des Gesamteinkommens aus.

Fast die Hälfte der Frauen bis 35 Jahre gibt an, dass sie mit dem Einkommen aus ihrem Betriebszweig mehr als 50 Prozent zum Gesamteinkommen beitragen. Kein Wunder, ist Freizeit rar. Durchschnittlich bezogen Landwirte in den letzten Jahren knapp neun Tage, die Bäuerinnen sieben Tage Ferien pro Jahr, wie dem Agrarbericht 2022 zu entnehmen ist.

Rollenbilder wandeln sich – aber langsam

Das Rollenbild und das Selbstverständnis der Frauen in der Landwirtschaft ist einerseits in Bewegung – junge Frauen kommen ans Ruder, für die soziale Absicherung und eine bessere Work-Life-Balance vielleicht wichtiger sind als noch für die Generationen vorher. Auch vermehrter ausserbetrieblicher Erwerb, zunehmende Betriebsmechanisierung, bessere Ausbildungen, der Wandel zu mehr Gleichstellung sowie einfacher zugängliche Bildungs- und Infoangebote fördern ein besseres Selbstvertrauen – und dass vielleicht mehr Frauen es wagen, die Rolle der Betriebsleiterin zu übernehmen

Andererseits sind traditionelle Rollenbilder weiterhin wirksam und weit verbreitet. Nach wie vor sehen sich die für die BLW-Studie befragte Frauen am häufigsten in den Rollen Hausfrau, Mutter und Bäuerin. Die soziale Absicherung hat sich zwar etwas verbessert, lässt aber immer noch stark zu wünschen übrig. Gut daran ist auf jeden Fall, dass das Thema immer prominenter auf den Tisch kommt und neben den landwirtschaftlichen Verbänden längst auch die Politik beschäftigt.

Gelegentlich gibts Kritik an der Ausbildung

Immer wieder wird auch über die Ausbildung diskutiert. Die Ausbildung an den Bäuerinnenschulen ist nicht nur sehr gefragt, sondern auch sehr vielfältig. Knöpfe annähen, Erbanteile berechnen, Torten backen und verzieren, Buchhaltungszahlen analysieren, Gartenbeete bepflanzen, Konfliktbewältigung üben oder Konfitüren einfüllen. «Hier lerne ich etwas fürs Leben», sagte vor nicht allzu langer Zeit eine junge Bäuerin gegenüber «Blick». Eine andere hingegen fand, Kochen, Reinigungstechnik und Textilpflege nähmen zu viel Platz ein, Buchhaltung und Recht zu wenig.

Zwischen Tradition und Moderne

Irgendwie spiegelt sich da auch einfach die Realität der Bäuerinnen wider – zwischen Tradition und Moderne. Es ist gut, dass vieles in Bewegung ist, wenn auch nur langsam vielleicht. Das Wichtigste ist, dass die Wertschätzung für die Frauen in der Landwirtschaft nie vergessen geht. Sie hätten eigentlich viel mehr davon verdient, nicht nur emotional, sondern auch wirtschaftlich.