Irgendwie klebt mir das Weltgeschehen wie warmer Teer an den Füssen, verbunden mit einem latent schlechten Gewissen, weil es uns so gut geht. Gleichzeitig schäme ich mich, dass wir Krieg erst schlimm finden, wenn er vor unserer Haustüre stattfindet. Unser Leben in Luxus hat uns zu Meistern der Verdrängung gemacht. Stets sahen wir darüber hinweg, worauf unser Reichtum gegründet ist.

Im Krieg herrschen andere Regeln

Es ist beängstigend, wie weit wir uns von der Realität entfernt haben. So sehr, dass man sich erstaunt, wenn es in einem Krieg unschuldige zivile Opfer gibt. Gibt es auch schuldige Opfer? Es gibt in einem Krieg scheinbar ein erlaubtes Töten und ein verbotenes und an diese Regeln scheint man sich landläufig zu halten, ansonsten ist die Staatengemeinschaft entsetzt. Wenn dem so ist, dass man sich beim Überfallen eines anderen Landes angeblich an Regeln hält, warum verbieten wir dann nicht den Krieg an sich?

Es scheint jedoch, als hätten die Soldaten keine grosse Wahl, ob sie im Schraubstock des Weltgeschehens aufeinander schiessen wollen. Die Krisen entladen sich dort, wo die grössten Kräfte und die kleinste Stabilität aufeinander treffen. Hätten sich die Konflikte der Menschheit überhaupt an einem anderen Ort entladen können als auf dem Rücken der heroischen Ukrainer, die stolz für ihr Vaterland kämpfen und sterben? Wir wären doch in Sorge um unsere frisch lackierten Fingernägel einen Schritt zurück getreten, wäre der Russe an unserer Grenze gestanden. Haben wir überhaupt Boxer, die uns zur Kampfbereitschaft einschwören könnten oder müsste man auf Schwinger zurückgreifen?

Keine Mühe damit, zurückzukrebsen

Die Probleme unserer Gesellschaft seien, wie viele Toiletten man wie beschriften müsse, dass jeder undiskriminiert Pipi machen könne, sagte neulich jemand. Mit grösseren Frage, etwa woher wir das Brot nehmen oder wie wir uns vom blutigen Rubel entkoppeln, möchten wir uns nicht beschäftigen – schon gar nicht, wenn es im Verlust von Lebensqualität gipfelt. Und ist es uns nicht ein Bitzeli egal, wer uns regiert? Ich jedenfalls habe mich nicht an der Wahl beteiligt. Ich konnte mich weder mit Ökoromantikern, Massnahmenverweigerern noch mit Geldfetischisten identifizieren. In der hiesigen Politik scheint man stets das Extreme zu fordern und dann zu beschliessen, was niemandem weh tut, aber auch nichts nützt.

Gut, zumindest haben unsere Politiker keine Mühe damit, zurückzukrebsen, wenn sie auf dem Holzweg sind. Da muss man nicht fürchten, dass die bei Nacht und Nebel Frankreich entnazifizieren wollen. Solange die ihren Blauschimmelkäse liefern, können die so weit rechts stehen, bis sie von der Erdscheibe kippen. Hauptsache der Rubel – äh Euro rollt. Und wiedermal hätte uns ein Sprichwort viel ersparen können, denn scheinbar hätte man gewusst, dass Geschäfte in Rubel unmoralisch sind. Nun rollen halt wegen des Rubels die Köpfe. Und wir waren ja nicht nur unmoralisch, wir haben dem Schurkenstaat auch gleich unsere Grundversorgung anvertraut. Aber zumindest die Pipi-Toiletten-Frage ist vorläufig geklärt. Jetzt müssen wir nämlich in unsere «Maisbitze» seichen, damit wir zumindest ein bisschen Stickstoffeintrag haben.