Auf dem Hof «Unterbuck» von Andrea und Christian Müller im schaffhausischen Thayngen ist die Vision eines geschlossenen Kreislaufs erfüllt worden. Sie haben die erste Biogastankstelle auf einem Bauernhof in Betrieb genommen, wo der erste eigene Traktor mit eigenem Gas betankt wird.
Kein gewöhnlicher Hof
Auf dem Hof von Müllers in Thayngen hat sich ein seit 2006 gehegter Wunsch erfüllt. Der Kreislauf der Energie konnte auf dem grossen Landwirtschaftsbetrieb mit der ersten Biogastankstelle auf einem Bauernhof geschlossen werden. «Heute reden wir nur von etwas Kleinem. Es ist wichtiger, etwas im Kleinen zu tun, als im Grossen darüber zu reden», hielt Gastgeberin Andrea Müller am 28. Juni vor einer grossen Gästeschar fest. Sie waren alle angereist, um der schweizweiten Premiere, bei der die erste Biogastankstelle auf einem Bauernhof offiziell eingeweiht wurde, beizuwohnen.
Der Hof «Unterbuck» ist aber kein gewöhnlicher Hof im Bezirk Reiat, sondern ein Betrieb mit rund 100 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. «Wir produzieren für den halben Kanton Schaffhausen die Kartoffeln und für 5000 Einwohner Rindfleisch», führte Müller weiter aus.
Der Weg zu Energiewirten
«Wir hatten eine Vision, aber noch keinen Plan», erinnerte sich Andrea Müller an das Jahr 2006 zurück, wo erste Gedanken für eine Biogasproduktion auf dem Hof gewälzt worden waren. 2012 wurden aus Müllers auch Energiewirte, indem sie den ersten Wärmeverbund mit einem Leitungsnetz und einer Holzschnitzelheizung auf dem Hof realisierten. Heute werden 250 Wohneinheiten, vier Gewerbegebäude und ein Schulhaus ganzjährig mit Wärme versorgt. Ein Jahr später wurde die Photovoltaik installiert. Im De-zember 2014 konnte das lange und sehr intensive, bis nach Lausanne ans Bundesgericht getragene Projekt für eine hofeigene Biogasanlage eingeweiht werden.
Neu wird auch Treibstoff produziert
In dieser Anlage werden aus der betriebseigenen Gülle und dem Mist von den rund 400 Masttieren, weiterem Hofdünger von Drittbetrieben, landwirtschaftlichen Reststoffen und Zwischenfrüchten im Umfang von rund 5000 t Biogas gewonnen. Dieses ist zum grössten Teil direkt in das eigene Blockheizkraftwerk geflossen, wo es für die Produktion von Strom und Wärme genutzt wurde. «Aus Mist und Gülle wird jetzt auch neu Treibstoff», hielt Andrea Müller mit Blick auf die neue Biogastankstelle fest.
Was einst auf dem Hof das selber produzierte Heu und der angebaute Hafer für die eigenen Pferde waren, ist heute auf dem «Unterbuck» die Energie aus Mist und Gülle der eigenen Tiere. «Wir haben mit unserer Tankstelle einen regionalen und somit eigenen Energiekreislauf schliessen können, wofür es aber Geduld und Nerven brauchte», war die abschliessende Botschaft von Andrea Müller.
Das Gas erst aufbereiten
Das gewonnene Roh-Biogas mit einem Methananteil (CH4) von 50–65 Prozent kann entweder direkt dem Blockheizkraftwerk für die Produktion von Strom und Wärme zugeführt werden. Soll es aber in den Tank als Treibstoff oder ins Netz der Gasversorgung eingespeist werden, so ist eine weitere Aufbereitung nötig. In diesem Prozess wird der Methananteil auf 96 Prozent erhöht. Dabei wird ein Anteil von rund 40 Prozent Kohlendioxid (CO2) technisch abgetrennt. Nach dieser Raffinierung wird das Biogas auf einen Druck von 200 bar verdichtet.
Der erste Biogastraktor
Vorerst ist New Holland der einzige Traktorenhersteller, welche Schlepper mit entsprechenden CNG-Gasmotoren baut. Nun ist auch der erste von fünf Traktoren auf dem Hof der Familie Müller ein solches Modell. Konkret ist es der T6 mit 180 PS und CNG-Antrieb, welcher nun klimaneutral zum Einsatz kommt und für den Betrieb angeschafft wurde.
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«Eine Tankfüllung reicht für einen Einsatz von zwei bis drei Stunden; der Traktor muss danach wieder betankt werden», erklärte Mitarbeiter Pascal Pletscher. Um die Einsatzzeit zu verlängern, sind zukünftig zusätzliche Fronttanks geplant, was aber gesetzlich noch nicht zugelassen ist.
Biogas hat grosses Potenzial
Die Eröffnung der ersten Biogastankstelle auf einem Schweizer Landwirtschaftsbetrieb bot auch Raum für Fragen und Diskussionen. In verschiedenen Voten wurde die Landwirtschaft als zukünftig wichtiger Produzent von erneuerbaren Energieträgern hervorgehoben – auch mit Blick auf die Klimaziele mit Netto Null 2050. Selber auf den Höfen produzierte Energie sichert in der Schweiz eine unabhängigere Versorgung und generiert für die Landwirtschaft zusätzliches Einkommen.
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Für Stefan Mutzner von Ökostrom Schweiz ist aber das Potenzial gerade mit Blick auf die Biogasproduktion noch lange nicht ausgeschöpft. «Heute werden nur rund 4 Prozent der Hofdünger energetisch genutzt. Diese könnte noch auf das Zehnfache ausgedehnt werden, um rund 700 Gigawattstunden Strom zu produzieren», zeigte sich Mutzner überzeugt. Wenn alle weiteren Quellen wie auch Photovoltaik genutzt würden, wäre es gemäss seinen Aussagen gar möglich, dass sich die Schweizer Landwirtschaft mit eigener Energie versorgen könnte. Um dieses Ziel zu erreichen, forderte er mit Blick auf die Raumplanung vereinfachte Verfahren und bezüglich Kosten ein Fördermodell für Biogas.