Einige Bauern in der Region konnten es letzte Woche nicht lassen. Die ersten Wiesen wurden mit dem Schleppschlauch begüllt. Auch wenn dank des trockenen Wetters kaum Gewässer beeinträchtigt wurden, das war aufgrund der geltenden Auflagen zumindest in der Luzerner «Checkliste Umgang mit Hof- und Recyclingdüngern im Winter» nicht zulässig. Und auch Landwirtschaft Aargau meldete in seinem Bulletin noch Anfang dieser Woche, dass gemäss den für den Aargau relevanten Wetterstationen weiterhin überall im Kanton Vegetationsruhe herrsche. Das heisst, das Ausbringen von flüssigen Hof- und Recyclingdüngern sei nicht zulässig. Aktuell seien die Pflanzenbestände noch nicht so gut entwickelt wie vor einem Jahr. Aufgrund des damaligen Pflanzenwachstums konnten so auch die «besonderen Bedürfnisse des Pflanzenbaus» herangezogen werden. Deshalb wurden kürzlich zwei Bauern im Freiamt vor Gericht freigesprochen, weil sie im Februar letzten Jahres güllten (siehe Kasten).
Offensichtlich gibt es immer noch Unsicherheiten zum ersten Güllen im Frühjahr. Wir sprachen darüber mit Othmar Vollenweider, dem Düngeberater des Bauernverbands Aargau.
Herr Vollenweider, darf man ab jetzt güllen?
Othmar Vollenweider: Nein, die minimale Temperatursumme der letzten sieben Tage ist nicht erreicht, und die wird auch in den kommenden Tagen nicht erreicht. Allenfalls können ab nächster Woche im Aargau «besondere Bedürfnisse des Pflanzenbau» geltend gemacht werden. Im Kanton Luzern dürfen Wiesen aber vor dem 1. März nicht begüllt werden.[IMG 2]
Wie können Bauern einfach feststellen, wann Güllen erlaubt ist?
Das Merkblatt ist sehr gut für die Entscheidungsfindung, nur hat leider fast jeder Kanton eine eigene Version. Ich denke, wenn man nach dem Merkblatt seines Kantons handelt und die zusätzlichen Bedingungen wie Menge, Gewässerabstand, Saugfähigkeit der Böden usw. befolgt, ist der Landwirt auf der sicheren Seite.
Im Aargau gilt seit 2025 wie schon bisher in Luzern die durchschnittliche Tagestemperatur an sieben Tagen, die über 5 Grad sein muss. Früher musste an jedem Tag in Folge während sieben Tagen diese Mindesttemperatur erreicht sein. Die neue Regelung sei gemäss dem Newsletter des Bauernverband Aargau erst nach zähen Verhandlungen mit den Behörden erreicht worden, wieso?
Die Vertreter der Kantonspolizei und der Abteilung für Umwelt hatten Bedenken, dass die bisherigen Auflagen gelockert würden und das negative Auswirkungen auf die Umwelt haben könnte. Der Bauernverband und die Experten von Landwirtschaft Aargau konnten mit stichfesten Argumenten die neue Regelung schmackhaft machen. Auch bei der neuen Regelung mit der Temperatursumme braucht es frühlingshafte Wetterbedingungen.
Gemäss Merkblatt kann bei «besonderen Bedürfnissen des Pflanzenbaus» trotzdem Stickstoff (Gülle) eingesetzt werden, auch wenn die erwähnte Temperatursumme noch nicht erreicht ist …
Diese besonderen Bedürfnisse des Pflanzenbaus sind ja in der CHemRRV Anhang 2.6 geregelt. Dazu gehört der frühe Stickstoffeinsatz mit Kunstdünger beim Raps. Raps wird sehr früh, eben auch kurz vor Vegetationsbeginn, angedüngt. Das ist legitim. Weil Kunstdünger nicht stinkt und keine sichtbaren Spuren hinterlässt, gibt es da nie Diskussionen. Die besonderen Bedürfnisse des Pflanzenbaus gelten gemäss Merkblatt aber auch für Natur- und Kunstwiesen kurz vor Vegetationsbeginn oder auch frühzeitigen Einsatz von Gülle vor Weidebeginn.
Was ist dabei zu beachten?
Bauern müssen nach guter landwirtschaftlicher Praxis handeln und davon überzeugt sein. Ein genaues Studium der Wetterprognosen ist unumgänglich und eine genaue Dokumentation ist wichtig. Am besten ist in kritischen Phasen immer zuerst die Checkliste auszufüllen und auf dem Feld sollte man sich vergewissern, dass der Boden aufnahmefähig ist.
Wenn mit Gülle gefahren wird, ist die Menge auf 20 m3 pro Hektare zu reduzieren, der Sicherheitsabstand zu Gewässern und offenen Schächten grosszügig einzuhalten und problematische (drainierte) Parzellen sind zu meiden.
«Ich bin empört, wie schnell Personen verdächtigt werden.»
Othmar Vollenweider kritisiert die Staatsanwaltschaft.
Im Freiamt kam es kürzlich zu einem Gerichtsurteil, wo die Bauern freigesprochen wurden. Wie beurteilen Sie das?
Dieser Freispruch war sehr wichtig und wegweisend für die Umsetzung des Merkblattes. Das Gericht hat die besonderen Bedürfnisse des Pflanzenbaus positiv gewertet und hingewiesen, dass ein frühzeitiger Austrag von Gülle auf Weideflächen absolut Sinn machen kann. Im Weiteren haben die Landwirte den gesetzlichen Abstand zum Bach um ein Mehrfaches eingehalten. Dieser erwähnte Abstand zu einem Gewässer war in der Verhandlung ein heikler Punkt.
Wie beurteilen Sie grundsätzlich die Sensibilisierung der Gesellschaft zum Hofdüngereinsatz?
Die ständige Medienpräsenz hat die Gesellschaft sensibilisiert. Und das Güllen zu Vegetationsbeginn ist halt mit Empfindungen der Bevölkerung verbunden. Gülle oder Mist stinkt. Wenn im Gegensatz dazu Kunstdünger auf eine Rapsparzelle gestreut wird, stört dies niemanden.
Zur Rolle der Behörden im erwähnten Gerichtsfall noch eine Bemerkung: Ich persönlich bin empört, wie schnell und einfach Personen unter Generalverdacht gestellt werden. Ohne genaue Aufnahmen der Situation vor Ort wird verurteilt und angeklagt. Ich erwarte von einer Staatsanwaltschaft eine sorgfältige Recherche der Situation. Mit einer exakten Aufnahme des Tatbestandes hätte gar von einer Anklage abgesehen werden können.
Den Behörden stehen ja auch kompetente Fachpersonen von Landwirtschaft Aargau zur Seite. Diese wurden aber in jenem Fall nicht für eine Beurteilung beigezogen.
Freispruch für Bauern
Anfang Februar 2024 haben zwei Bauern im Freiamt ihre Wiesen bei frühlingshaften Temperaturen begüllt. Aus der Nachbarschaft wurden sie angezeigt, bald stand die Polizei auf dem Platz, später erhielten die beiden einen Strafbefehl. Kürzlich kam es nun zur Verhandlung vor dem Bezirksgericht Muri, sie wurden freigesprochen. Es hätten damals frühlingshafte Bedingungen geherrscht, das Gras sei schuhhoch gestanden, der Boden sei trocken und aufnahmefähig gewesen und sie hätten vorher die Checkliste des Kantons ausgefüllt, glaubte der Richter den Aussagen der beiden Angeklagten und dem beigezogenen Düngeberater Othmar Vollenweider als Zeugen. Hingegen wurden vom Richter die Polizei und die Staatsanwaltschaft kritisiert, sie hätten die Situation zu wenig seriös abgeklärt und einen «abstrusen» Strafbefehl verfasst.