Die Verhältnisse im Gebirgswald kennt Forst- und Gartenbauunternehmer Reto Waldis bestens. Der gelernte Forstwart arbeitete nach der Lehre 1993 einige Jahre bei einem auf Forstseilbahnen spezialisierten Betrieb und baute in Weggis seit 1997 ein eigenes Forstunternehmen auf. Das setzt allerdings auch auf Gartenbau und -unterhalt, der heute sogar mit rund 70 Prozent den grösseren Teil der Tätigkeit ausmache. Dazu gehört auch Böschungspflege.
Beschäftigt werden von «Waldis Wald und Garten» inzwischen 17 Personen, darunter mehrere Forstwarte und auch zwei Lernende. Viele Angestellte hätten Ausbildungen und Erfahrungen im Gartenbau und im Forst und könnten deshalb je nach Saison in beiden Bereichen flexibel eingesetzt werden.
Seilkran statt Forstwege
Der Fokus im Forst liegt auf der Gebirgsholzerei, «für grossflächige Holzerei im Mittelland sind wir nicht ausgerüstet». Jährlich schlägt das Unternehmen rund 1400 m3 Holz. Die Wälder an den steilen Hängen im Rigi-Gebiet seien vor allem auf der Luzerner Seite schlecht mit Strassen erschlossen, hier kämen deshalb meist Seilkrane zum Einsatz. Reto Waldis ist gar nicht so unglücklich, dass es hier weniger Waldstrassen gibt. Die Erstellung und der Unterhalt seien sehr kostenintensiv. Da sei es ökonomisch sinnvoller, alle paar Jahrzehnte eine Seilbahn zu montieren für die Holzschläge.[IMG 3,4]
Motormanuell dominiert
Zwei manuell bedienbare konventionelle Seilbahnanlagen, sogenannte Schlittenwinden, gehören zur Ausrüstung der Firma. Damit können weite Distanzen von 800 bis 1500 Meter erschlossen werden. Für die Holzschläge selber steht eine funkgesteuerte Motorseilwinde, ein sogenannter Waldrapp, zur Verfügung. Im mit Wegen erschlossenen Gelände werden auch Raupenbagger eingesetzt und bei Bedarf ein Traktor mit Seilwinde und Kranwagen zugemietet. Grundsätzlich erfolge die Holzerei im Gebirgswald aber motormanuell mit Motorsägen. «Das ist noch viel Handarbeit, und im steilen Gelände braucht es Leute, die gut auf den Füssen stehen.»
Die Personalknappheit ist auch für Reto Waldis ein Thema. Er suche allerdings nicht primär nur Forstwarte, zumal viele Ausgebildete später in andere Branchen abwandern. Vielmehr wolle er Generalisten. Auch die Lehrlinge bilde er entsprechend aus, die sollen auch für die Gartenholzerei und den Gartenbau sensibilisiert werden.
Brennholz wieder stabil
Reto Waldis bietet jährlich selber rund 1500 Ster Brennholz an. Die gebündelten Meter-Spälten werden nach der zweijährigen Lagerung meist zu 33-cm-Scheitern verarbeitet. Kunden sind Privatkunden oder auch Grossabnehmer wie das mit Holz beheizte Mineralbad auf Rigi-Kaltbad. Der auch durch die Medien verursachte Nachfrage-Hype und die Brennholz-Hamsterei vergangenen Sommer und Herbst seien zum Glück wieder vorbei. Damals sei sogar Holz bestellt worden von neuen Kunden, die noch gar keine entsprechende Holzheizung haben. Zumindest sei ihm kein Brennholz geklaut worden. Und nun sei die Nachfrage wieder normal oder wegen vorzeitigem Bezug von Stammkunden aktuell sogar leicht geringer als üblich.
Hohe Kosten, weniger Pflege
Bei der Waldbewirtschaftung seien Veränderungen feststellbar, sagt Waldis. Immer weniger Bauern würden noch selber in ihrem Wald holzen, auch weil den spezialisierten Landwirtschaftsbetrieben selbst im Winter Zeit und Leute fehlen, neben der Ausrüstung und Sicherheitsrisiken. Das sei auch beim Brennholz spürbar, nur noch wenige Bauern würden solches selber aufbereiten.[IMG 5]
So werden Nutzung und Pflege des Waldes an spezialisierte Unternehmen delegiert. Zumindest sei die Bereitschaft zur Waldnutzung und -pflege in letzter Zeit wieder gestiegen, auch dank etwas besseren Erlösen. «Die sind aber längst nicht dort, wo sie sein sollten für eine kostendeckende Waldbewirtschaftung.» Jedenfalls nicht in Gebieten, wo eben keine Rückegassen erstellt und rationelle Gerätschaften wie Harvester eingesetzt werden können. In der Tat sei die Waldpflege in Randregionen deshalb etwas vernachlässigt worden. Je höher die Kosten desto geringer die Waldpflege. Deshalb brauche es auch dafür öffentliche Gelder. In den steilen Wäldern am Rigihang koste die Holzerei das Dreifache und mehr gegenüber Schlägen im Mittelland. «Im Durchschnitt müssen wir hier mit Kosten von 120 Franken pro Kubikmeter rechnen.» Ohne hohe öffentliche Beiträge gehe das nicht im Schutzwald.
Viele Waldbäume leiden wegen Wetter und teilweise ungenügender Pflege
Trockene Jahre, zunehmende Schädlinge und Krankheiten, je nach Region überalterte Bestände, hohe Vorräte und wegen hoher Kosten und noch immer ungenügender Erlöse vernachlässigte Pflege. Der Schweizer Wald ist nicht fit und es besteht Handlungsbedarf. Das bestätigt eine Umfrage bei Fachleuten.
Reto Waldis hat Verständnis für die Waldeigentümer, dass sie zumindest die Kosten gedeckt haben wollen. «Von einem grossen Verdienst aus dem Wald geht man schon lange nicht mehr aus», weiss er.
Veränderungen stellt Waldis auch beim Waldbestand fest. Er nennt das schon lange dauernde Eschentriebsterben. Die heissen Sommer hätten die Fichte weiter reduziert, die zwar in tieferen Lagen hier nie stark verbreitet gewesen sei, sehr wohl aber in den höheren Lagen an der Rigi oberhalb von 1200 m ü. M. Am Schwächeln seien auch die dominanten Buchen, sichtbar am schwachen Laub bei den Triebspitzen.
Zu schaffen machen in den regionalen Waldbeständen die Waldreben («Nielen»), welche so verbreitet seien, dass diese Schlingpflanze viele junge Bäume fast überdecken. Auch Kirschlorbeer wegen der nahen Siedlungen und Sommerflieder machen sich in den Wäldern vermehrt breit und konkurrenzieren den Jungwuchs.
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Lenken statt pflanzen
Aktive Bestandeslenkung sei sehr anspruchsvoll, Reto Waldis hält aber nicht viel von forcierten Anpflanzungen neuer klimawiderstandsfähiger Baumsorten. Vor allem an Steilhängen sollte der Bestand durch die Nutzung gelenkt werden. Mehr Lücken öffnen durch grössere Holzschläge bringe mehr Seitenlicht, was die Verjüngung begünstige. Das sei zwar einmalig teurer, aber es müsse ja nicht alles Holz abgeführt werden, sondern nur die Filets, den Rest sicher deponieren, so könnten die Kosten auch optimiert werden. Und durch die Pflege über mehrere Jahre sei die Naturverjüngung zu unterstützen. «Viele Baumarten und auch der Wald passen sich selber an die veränderten Umweltbedingungen an.»
Wald im Dauerstress
Laut Florian Landolt von Wald Schweiz waren 2018 bis 2020 Rekordjahre wegen Hitze oder Trockenheit. 2021 brachte eine gewisse Erholung, 2022 war es aber wieder heiss. Grundsätzlich mache die Trockenheit dem Wald mehr zu schaffen als höhere Temperaturen. «Der Schweizer Wald ist seit einigen Jahren im Dauerstress.» So seien die Bäume stark mit ihrer Selbsterhaltung beschäftigt. Das würden auch Schutzmassnahmen wie vorzeitiger Laubfall zeigen. «Das ist das letzte Signal vor dem Absterben der Bäume.» In der Nordwestschweiz würden vor allem Buchen leiden, regional gebe es gar ein Buchensterben.Auch in der Zentralschweiz würden die Buchen serbeln, vor allem an exponierten Stellen, so Lukas Gerig von Wald Luzern. «Neuerdings schwächeln bei uns gar die Weisstannen.» Stark würden auch die Fichten unter Hitze und Trockenheit leiden, aber auch wegen der Stürme und des Käferbefalls. Unklar ist für Gerig die Borkenkäferentwicklung für dieses Jahr, während andere Fachleute aufgrund der klimatischen Bedingungen bereits von einem hohen Befallsrisiko ausgehen.
Jetzt mehr Holz schlagen
Im Kanton Luzern kämen erschwerend die hohen Holzvorräte im vorwiegend privaten Wald dazu. Die Nutzung und Pflege seien jahrelang vernachlässigt worden, auch wegen der tiefen Holzerlöse. So seien viele Bestände heute labil und anfälliger, längst noch nicht klimaangepasst. Gerig ruft dazu auf, jetzt mehr Holz zu nutzen, zumal sich die Preise doch etwas erholt haben. Auf noch höhere Preise zu setzen und zuzuwarten, sei reine Spekulation. «Was der Waldeigentümer nicht holzt, holt sich später der Käfer oder der Sturm.» Befall der Weisstannen mit dem Krummzähnigen Borkenkäfer stellt Theo Kern von Wald Aargau fest. Die Tannen würden aber weniger stark verblauen als die Fichten. Dieses Sortiment könne analog frischem Käferholz auf dem Markt platziert werden. Die Käferholzmenge bei der Fichte war im Aargau vergangenen Herbst grösser als angenommen. Je nach Wetterentwicklung könnte der Käfer im kommenden Frühjahr wieder ein Thema sein. Die Holzmärkte seien aber aufnahmefähig.Auch im Aargau kämpfe die Buche mit der Trockenheit. Und das Eschensterben sei ja allgemein bekannt. Die genutzten Eschen könnten aber gut auf dem Markt platziert werden. «Überhaupt gilt für alle Baumarten, dass die Märkte aufnahmefähig sind. Und die Lager im Wald sind tief.» Pflegerückstände gebe es kaum, und die Vorräte seien nicht zu hoch, sagt Kern. Die gute Nachfrage auf dem Energieholzmarkt führe dazu, dass vermehrt gepflegt werde.
Pflege-Nachholbedarf
Im Bereich Pflege gebe es schweizweit aber noch einen Nachholbedarf, erklärt Florian Landolt von Wald Schweiz. Viele Bestände müssten klimaresistent gemacht werden. Das heisst, dass eine Mischung von mehreren standortgerechten Baumarten angestrebt wird. Schweizweit sei der Holzpreis über alle Bestände trotz leichter Erholung noch nicht kostendeckend, übrigens seit den 90er-Jahren nicht mehr. So sei es für Betriebe schwierig, in die aufwendige Pflege zu investieren ohne zusätzliche Unterstützung. «Ohne kostendeckende Preise sinkt die Bereitschaft der Waldeigentümer, in den Wald der Zukunft zu investieren.»Mehr öffentliche Unterstützung ermöglichen immerhin die neuen Mittel aufgrund der angenommenen Motion Fässler. Die 100 Millionen Franken für die Periode von 2021 bis 2025 als Hilfe für den Wald zur Anpassung an den Klimawandel in den nächsten Jahren seien bereits verplant bzw. von den Kantonen beansprucht, weiss Landolt. Bekanntlich müssen die Kantone dafür Mittel in ähnlichem Umfang bereitstellen, so dass deutlich mehr Gelder für den Wald zur Verfügung stehen. Wald Schweiz setze sich dafür ein, dass die Bundeshilfen verlängert werden.