Es ist Messesaison. Das Bauernjahr ist in der Schlusskurve und den meisten bleibt etwas mehr Zeit für eine Visite an der soeben eröffneten Agrama oder letzte Woche an der Euro-Tier. Die Erwartungen der Organisatoren sind hoch. Denn die Messebranche wurde in der Pandemie hart gebeutelt. Kaum eines der Ereignisse kam an einer Absage vorbei, zum Teil blieben die Tore sogar zweimal geschlossen. Nun will man diese Ausfälle kompensieren.
Ob das gelingt, ist noch sehr unsicher. Denn das Messewesen kommt vom Regen in die Traufe. Zwar sind die Corona-Wellen am Abebben, aber die nächste Krise folgte mit der russischen Invasion in die Ukraine auf dem Fuss. Die Energie-Engpässe haben die schon vorher um sich greifende Inflation mit stark erhöhten Produktionskosten noch verschärft.
Sparen ist angesagt
Das schlägt auch auf die Konsumstimmung. Die vorherrschende Handbewegung ist derzeit das Engerschnallen des Gürtels und nicht der Griff zum Portemonnaie. Bei den potenziellen Kunden und Kundinnen ist Sparen angesagt. Nicht unbedingt, weil es an Liquidität mangelt, sondern oft vielmehr, weil man sich vor noch schlechteren Zeiten fürchtet und dafür vorsorgen will. Das merken vom Kino bis zum Traktorhändler alle, die etwas zu verkaufen haben.
Das schlägt auf die Zahl der Besucher(innen) und schmälert die Umsätze der Aussteller. Diese wiederum müssen oft tiefer in den Sack greifen für die Teilnahme, denn auch die Kosten der Veranstalter haben sich erhöht. Stichwort Strom, um nur eines zu nennen. Die Euro-Tier in Hannover war ein Abbild dieses Trends: Die Zahl der Aussteller lag mit 1800 um gut 30 Prozent tiefer als bei der letzten Durchführung 2018. Bei den Besucher(innen) war die Abnahme identisch. Ihre Zahl lag noch bei 106 000.
Man darf jetzt gespannt sein, wie sich die Besucherzahl an der Agrama entwickelt. Was die Aussteller angeht, war es wie bei der Euro-Tier nicht einfach, die Vor-Corona-Werte zu erreichen. Hier steht man laut Verzeichnis bei deren 225, bei der letzten Durchführung 2018 waren es noch über 250. Zudem halten sich ein paar Schwergewichte (weiterhin) abseits.
Früher mehr Risikobereitschaft
Ein Rückschlag für die Branche ist auch die Absage der Swiss Expo in Genf. Die Grossviehausstellung hatte auch einen markanten Messeanteil aufzuweisen und war vor allem für die Westschweiz ein wichtiger Treffpunkt. Hier liegt es dem Vernehmen nach an einem Finanzierungsdefizit von 300 000 Franken. Diesen Betrag wollten offenbar weder die Veranstaltenden noch die Ausstellenden übernehmen. Da war früher auch schon mehr Risikobereitschaft zu erkennen.
Sicher wäre es verfehlt, jetzt die Zukunftsaussichten von Fachmessen generell in Frage zu stellen. Anders als bei den Publikumsmessen wie Olma oder BEA fehlt ihnen aber der Stadtfest-Charakter, der den Schlachtrossen der Messelandschaft besonderen Glanz verleiht. Allerdings zeigen gerade die Schwierigkeiten beim Beschaffen von zusätzlichem Aktienkapital für die Olma-Messen, dass auch hier die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Sind kleinere Messen gefragt?
Zurück zu den Fachmessen. Hier wird es möglicherweise in den nächsten Jahren noch zu einer Flurbereinigung kommen. Vereinzelt hört man Stimmen, die sich beklagen, dass die zwei Nutztiermessen Tier und Technik (alljährlich im Februar in St. Gallen) und Suisse Tier (alle zwei Jahre im November in Luzern) zu nahe aufeinander folgen; vor allem dann, wenn wie 2023 und 2024 nur ein paar Monate zwischen den Ereignissen liegen.
Möglicherweise läuft die Tendenz eher Richtung kleinerer Formate. So hat etwa die Agrimesse in Thun klassischen Regionalcharakter und spricht die ganze Region Berner Oberland mit einer relativ homogenen Zielgruppe an. Beliebt sind auch Feldtage und die Hausmessen von Händlern, wo allen Kunden die nötige Aufmerksamkeit geschenkt werden kann und der Aufwand dank eigener Infrastruktur im Rahmen bleibt. Auch die Möglichkeiten der Digitalisierung sind vermutlich noch nicht voll ausgeschöpft. Allerdings braucht man kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass der direkte Kontakt mit Kunden auch künftig eminent wichtig bleiben dürfte, in welchem Format auch immer.