Die Sonne scheint, die Tagestemperaturen sind frühlingshaft und ein Hauch von Gülle liegt in der Luft. Einige Landwirte oder Landwirtinnen bringen ihre Hofdünger bereits jetzt auf den Feldern aus. Gemäss der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung ist das Ausbringen von Hofdüngern in den Wintermonaten verboten – wenn der Boden wassergesättigt, gefroren, schneebedeckt oder ausgetrocknet ist und die Pflanze Stickstoff nicht aufnehmen kann (Entscheidungshilfe siehe Grafik). D. h. solange es die Witterungs- und Bodenverhältnisse nicht zulassen und die Pflanzen sich in der Vegetationsruhe befinden, bleibt das Güllefass im Schopf.

Strafrechtliche Konsequenzen bei Widerhandlung
Eine Widerhandlung gegen das Gesetz wird von Amtes wegen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht, teilt die Kantonspolizei Bern der BauernZeitung mit. Werden Hofdünger widerrechtlich mittelbar oder unmittelbar in ein Gewässer eingebracht, ausserhalb eines Gewässers abgelagert oder ausgebracht, oder versickern diese ins Grundwasser, wodurch eine Verunreinigung entstehen könnte, droht dem Verur­sacher eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen sowie ein Strafregistereintrag. Zudem werden die Lagerkapazität und die Entwässerung dieser Betriebe durch die zuständige Behörde überprüft.

Doch war es nun zulässig, dass so manch ein Landwirt oder eine Landwirtin die milden Tage ausnutzte und das Gülleloch leerte? Dies lässt sich nicht pauschal klären, wie Andreas Rathgeb vom Amt für Wasser und Abfall der Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern in einem Interview mit der BauernZeitung sagt.

Andreas Rathgeb, die Temperaturen waren in den letzten paar Tagen relativ frühlingshaft. Wie können Landwirte einschätzen, ob die Bedingungen für die Ausbringung von Gülle erfüllt werden?

Andreas Rathgeb: Genau das ist der Punkt. Für uns ist es schwierig, zu beurteilen, ob die Vegetationsruhe unterbrochen wurde. Es gibt Gebiete, die aufgrund der Sonneneinstrahlung einen Gülleaustrag zuliessen, andere wiederum nicht. Wir empfehlen Landwirten, sich die Wetterdaten von MeteoSchweiz oder Agrometeo anzuschauen. Wenn die Tagestemperatur innerhalb von 24 Stunden einen Durchschnittswert von über 5 °C erreicht, und das über 7 Tage hinweg, und ein Schraubenzieher der Mindestgrösse 3 sich mit der flachen Hand an mehreren Stellen in den Boden drücken lässt, dann erst ist die Ausbringung von Hofdüngern erlaubt. Das war in den letzten Tagen mancherorts vielleicht gegeben. Aber ab dem Wochenende sinken wieder die Temperaturen und Landwirte riskieren eine Busse, wenn sie von der Polizei erwischt werden. Diese überprüft das mögliche Vergehen ebenfalls mit Wetterdaten und dem Schraubenzieher-Test. Im Zweifelsfall würde ich von einem Gülleaustrag abraten.

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Besondere Bedürfnisse der Pflanzen beachten
Ob Hof- und Recyclingdünger ausgebracht werden dürfen, entscheidet nicht nur der Bodenzustand und die Nährstoffaufnahme der Pflanzen (Vegetationsruhe), auch deren Bedürfnisse sind entscheidend. Dies kann wie folgt überprüft werden:

- Ist die winterharte Grün­düngung grün und nicht abgefroren?
- Befinden sich Natur- und Kunstwiesen, Zwischenfutter, Raps und gut entwickeltes Wintergetreide kurz vor dem Vegetationsbeginn?
- Ist der Boden befahrbar und können Verdichtungsschäden kurz vor Vegetationsbeginn vermieden werden?
- Können organische Dünger vor dem Weidegang frühzeitig eingesetzt werden?
- Ist eine Stickstoffdüngung bei Kulturen unter Vlies möglich?

Wenn mindestens eine Frage mit Ja beantwortet werden konnte, ist ein Ausbringen in Eigenverantwortung möglich, sofern keine Gefahr für eine Gewässerverschmutzung besteht. Konnte keine Frage mit Ja beantwortet werden, ist die Ausbringung untersagt.

Die «besonderen Bedürfnissen der Pflanzen» sind nur eine Ausnahme für die Vegetationsruhe, die Kriterien zur Saugfähigkeit gelten jedoch immer. 

Ausführliche Checklisten und Merkblätter: Kanton Aargau, Kanton Bern, Kanton Zürich, Kanton St. Gallen

Die Bussen fallen hoch aus, es kann sogar zu Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren kommen. Wissen Landwirt(innen), dass strafrechtliche Konsequenzen drohen?

Gemäss unserer Erfahrung ist den meisten Landwirten und Landwirtinnen bewusst, dass ein Hofdüngeraustrag im Winter ein Gesetzesverstoss bedeuten und man deswegen belangt werden kann. An Infoveranstaltungen oder bei Beratungsgesprächen machen wir und das Inforama auf das Thema aufmerksam. Landwirte sind verpflichtet, Dünger umweltverträglich einzusetzen, und müssen die nötige Lagerkapazität auf dem Betrieb zur Verfügung stellen. Im Kanton Bern bedeutet das über 5 bzw. im Berggebiet 6 Monate Lagervolumen für flüssige Hofdünger. Wenn Gülle nachweislich auf gefrorenem, schneebedecktem und/oder wassergesättigtem Boden ausgebracht wird, wird dies nicht nur durch die Polizei geahndet und mit Busse bestraft, unser Amt macht zudem eine ausserordentliche Betriebskontrolle bezüglich Entwässerung und Lagerkapazität.[IMG 2]

«Manche Landwirte nehmen das Risiko bewusst in Kauf.»

Andreas Rathgeb, Co-Fachbereichsleiter Amt für Wasser und Abfall Kt. Bern.

Warum lassen sich Landwirt(innen) dann überhaupt auf das Risiko ein?

Die Frage nach dem «Warum» können wir nicht pauschal beantworten. Vielleicht gibt es manchmal Engpässe beim Lagervolumen oder aber sie nehmen das Risiko bewusst in Kauf, um gewisse Kulturen früh mit Dünger versorgen zu können. Aus gewässerschutztechnischer Sicht raten wir jedoch grundsätzlich davon ab, während der Wintermonate Hofdünger auszubringen – auch wenn es ein paar wärmere Tage gibt.

Erkundigen sich viele Landwirte noch bei Ihnen und fragen, ob sie jetzt güllen dürfen?

Es kommt hin und wieder vor, dass uns deswegen Landwirte kontaktieren. Die meisten wissen jedoch, dass man im Winter während der Vegetationsruhe grundsätzlich keine Gülle ausbringen darf und wir keine Ausnahmebewilligungen erteilen können. Scheinbar ist das Thema auch bei der restlichen Bevölkerung aktuell. Wir hatten diesen Winter bisher sehr viele Meldungen und Anrufe von Personen, welche sich gewundert und sich betreffend Gülle und Mist auf gefrorenen Boden beschwert haben. Es gibt zudem auch vermehrt Bauern, die sich über gewisse Berufskollegen ärgern. 

Praxisbericht: Ein Wort vom Landwirt
Auch Hans Jörg Rüegsegger, Landwirt und Präsident des Berner Bauernverbands, hat die Gülle bereits vor 14 Tagen im Getreide ausgebracht: «Wir hatten letztes Jahr einen nassen Herbst, da war es nicht möglich, noch zu güllen.» 

Kontrolle geht vor
Bevor er aber die Gülle Anfang Februar ausbrachte, kontrollierte er den Boden, ob dieser durchnässt, schneebedeckt oder gefroren war. Letzteres überprüfte er mit einem Schraubenzieher der Mindestgrösse 3. «Ich überprüfe dies mehrmals, fast bei jedem Fass, das ich ausbringe, damit ich beweisen kann, dass ich nicht gegen das Gesetz handle, falls einen dann doch einmal die Polizei anhält.» Passiert sei dies bis jetzt noch nicht. Es waren eher Fussgänger und Anwohner, die Rüegsegger aufklären musste, wenn der Mist einmal auf den Feldern dampfte oder die Gülle stank.

Schattenwurf beachten
Er kennt aber auch einen Fall, wo ein Landwirt verzeigt wurde, weil die Hälfte seines Feldes durch Schattenwurf der Bäume noch gefroren war. Hier warnt er: «Bei einem gefrorenen Boden besteht Abschwemmungsgefahr. Dies ist gefährlich für Oberflächengewässer.» In Fällen von Anzeigen unterstützt der Berner Bauernverband in rechtlicher und beratender Hinsicht. Doch er ist überzeugt, den meisten Landwirten sind die kantonal unterschiedlichen Vorschriften bekannt und sie handeln ­kompetent.