Der Borkenkäfer, die trockenen Sommer und die schlechten Holzmarktpreise drücken auf die Stimmung der Berner Waldbesitzer. Für viele Bauern lohnt sich die Waldarbeit nicht mehr. Früher konnte man dank des Verkaufs von einigen Fichten oder Buchen noch ein ordentliches «Taschengeld» den Winter hindurch verdienen, heute legt man beim Holzen noch fast drauf.
Vermehrt Schäden
Auch der Zustand der Berner Wälder sah schon rosiger aus als aktuell. «Seit dem Sturm Burglind im Jahr 2018 haben die Borkenkäferschäden im Kanton Bern stark zugenommen», sagt Philipp Egloff, Geschäftsführer der Berner Waldbesitzer (BWB). So wurde 2019 schweizweit der zweithöchste je gemessene Borkenkäferbefall bei der Fichte registriert. Im letzten Jahr gingen die Schäden im Kanton Bern zwar um rund 30 % zurück, dennoch war der Käferbefall rund vier- bis fünfmal höher als in einem «Normaljahr». «Die zuletzt heissen und trockenen Sommer haben auch anderen Baumarten zugesetzt. Zum Beispiel bei der Buche haben die Trockenheitsschäden stark zugenommen», sagt Egloff.
Die Baumarten leiden
Das vierte Landesforstinventar zeige zwar, dass der Wald grundsätzlich in einem guten Zustand sei: «In den Tieflagen, wo der Wald aktiv bewirtschaftet wird, haben Struktur und Baumartenvielfalt zugenommen», hält Philipp Egloff fest. Der Anteil naturferner Fichtenreinbestände sei dort aber rückgängig. Die Bestrebungen der Waldbesitzer, die Wälder in der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen, tragen Früchte. Hingegen in den Berggebieten, wo die Holznutzung rückläufig ist, werden die Wälder dichter und tendenziell artenärmer und damit risikoanfälliger. «In verschiedenen Regionen führen zudem die überhöhten Wildbestände dazu, dass sich insbesondere klimataugliche Baumarten nicht mehr natürlich verjüngen können. Dies ist ein grosses Problem», weiss der Geschäftsführer.
Tiefe Preise
Aber nicht nur das: Mit den zunehmenden Wetterextremen komme es auch häufiger zu Schadereignissen wie Sturm, Trockenheit und Schädlingsbefall. Dies führe zuletzt zu einem europaweiten Überangebot von Schadholz, das nicht für hochwertige Produkte eingesetzt werden könne. «In der Schweiz fehlen die Verarbeitungskapazitäten für dieses Holz», sagt Philipp Egloff. So seien die Preise für Rohholz im letzten Jahr weiter gesunken, trotz steigenden Schnittholzpreisen. Das führe mittelfristig dazu, dass immer mehr Waldbesitzer die Waldbewirtschaftung aufgeben würden.
Immer trockener und wärmer
Wegen des Klimawandels werde es auch im Wald wärmer und trockener. Heute würden verschiedene Baumarten unter den zunehmenden Wetterextremen vermehrt leiden. So seien die Käferschäden der letzten Jahre direkte Auswirkungen der steigenden Temperaturen. «Die Bäume sind geschwächt und anfälliger für Schädlinge. Das Waldbild wird sich mit dem Klimawandel erheblich verändern», ist Egloff überzeugt. Die Waldbesitzer seien gefordert, den Wald in der Anpassung an den Klimawandel aktiv zu unterstützen. Damit der Wald seine Leistungen dauerhaft erbringen könne, sei daher eine aktive Verjüngung des Waldes nötig. «Die Waldbesitzer pflanzen und fördern heute die Bäume, welche sich für die klimatischen Bedingungen in 50 bis 100 Jahren eignen müssen», sagt der Geschäftsführer. Das sei mit grosser Ungewissheit verbunden: «Wir wissen heute noch nicht, wie das Klima in 50 Jahren sein wird.»
Eine Motion im Nationalrat
Auch der Bund hat in der Zwischenzeit erkannt, dass es dem Wald nicht so gut geht. So hat der Nationalrat im Januar der Motion «Sicherstellung der nachhaltigen Pflege und Nutzung des Waldes» zugestimmt. Genau heisst dies, dass bisher die Waldbesitzer öffentlich nachgefragte Leistungen wie Schutzwaldeingriffe oder Eingriffe zugunsten der Biodiversität über den Holzerlös mitfinanziert haben. Mit den zunehmenden Schadereignissen und dem aktuellen Holzpreisniveau sei das nicht mehr möglich. «Die Motion fordert daher mehr Bundesmittel, damit die Waldbesitzenden die öffentlich nachgefragten Leistungen sicherstellen können», erklärt Philipp Egloff.
Auch die Biodiversitäts-Initiative dürfte für den Wald indirekt ein Thema sein. Das Ziel dieser Initiative ist, dass 17 % der Landesfläche als Biodiversitäts-Schutzgebiete ausgeschieden werden. Dies soll unter anderem mit einer Erweiterung der Waldreservate erreicht werden. «Angerechnet werden nur Wälder, die unter Vertrag stehen», sagt Philipp Egloff. Rund ein Fünftel der Schweizer Wälder würden seit mehr als 50 Jahren nicht mehr bewirtschaftet und erfüllten de facto die Reservatsanforderung. «Das sind reine politische Statements im internationalen Contest um Reservatsausscheidungen», sagt Egloff. Das Landesforstinventar zeige, dass die Biodiversität im Wald in einem guten Zustand sei und sich seit der letzten Erhebung verbessert habe.
Waldbesitzer haben viel dazu beigetragen
Mit der naturnahen Waldbewirtschaftung hätten die Waldbesitzenden aber massgeblich dazu beigetragen, dass der Wald heute das artenreichste und vielseitigste Ökosystem in der Schweiz sei. «Mit dem strengen Schweizer Waldgesetz erfüllt der Wald im internationalen Vergleich zudem bereits heute den Status eines Schutzgebietes», sagt der Geschäftsführer. Die Annahme der Initiative ändere an der Anzahl der Waldreservate nichts. Damit ein Reservat zustande komme, brauche es einen Vertrag mit den Waldeigentümern. Es gelte zudem zu bedenken, dass die Schweizer Bevölkerung bereits heute 50 % ihres Holzbedarfs aus dem Ausland importiere – meist aus Ländern, wo der Wald weniger stark geschützt sei als in der Schweiz. Mit dem vertraglichen Nutzungsverzicht werde diese Tendenz verstärkt – zulasten anderer Länder.
Auch Enteignungen möglich
Um auf die benötigte Fläche Waldreservate zu kommen, sehe die Gesetzgebung in speziellen Fällen auch Enteignungen vor. «Das bringt der Biodiversität aber nichts. Unsere naturnahe Waldbewirtschaftung nützt der Biodiversität mehr», sagt Philipp Egloff. Viele lichtbedürftige Arten seien auf eine aktive Bewirtschaftung angewiesen. So sei auch die Biodiversität in bewirtschafteten Wäldern am höchsten – namentlich in den Sonderwaldreservaten. «Wie bereits gesagt, nimmt die unbewirtschaftete Waldfläche weiter zu – es braucht also keine Enteignungen», sagt er. So habe der Kanton Bern erst kürzlich am Grünenbergpass das grösste Waldreservat mit rund 4500 ha eingerichtet. Dennoch können die Waldbesitzer mit dem Kanton einen Vertrag abschliessen, mit dem sie Flächen für ein Reservat zur Verfügung stellen. «Der Verband der Berner Waldbesitzer unterstützt den Vertragsnaturschutz als Mittel zur Biodiversitätsförderung – dieser setzt Freiwilligkeit voraus», sagt er. Bei angemessenen Abgeltungen gebe es Waldbesitzer, die sicher bereit seien, einen Vertrag abzuschliessen.