«Mit dem Gas, das sich aus 20 Kilogramm Biomasse gewinnen lässt, fährt ein Auto etwa 20 Kilometer weit. Oder aus Sicht eines Landwirts: Mit dem Mist, den eine Kuh im Jahr ‹produziert›, kommt man rund 10 000 km weit», sagt Niklaus Hari aus Frutigen. Der Berner Oberländer Biogas-Pionier muss es wissen, schliesslich ist er einer der Köpfe hinter der Biogasanlage Frutigland und einer der Organisatoren des Biogas-Fahrtags 2022.

Im Tank: «Biogas vo hie»

Der Biogas-Fahrtag in Frutigen fand heuer bereits zum dritten Mal statt. Der Ort des Geschehens: Die erste Biogas-Tankstelle der Schweiz in Frutigen. Dort zapfen Besitzerinnen und Besitzer von gasbetriebenen Fahrzeugen Biogas «made in Frutigland».

Gewonnen wird das Gas nämlich gleich vor Ort, in der Biogasanlage Frutigland, die 2019 erstellt wurde – und zwar aus Abfällen, die im Tal laufend anfallen. Treibende Kräfte hinter dem bestens laufenden Projekt sind die Fahrbiogas Energie-Genossenschaft und die Biogasanlage Frutigland GmbH.

Seit die Tankstelle 2019 in Betrieb genommen wurde, habe sich im Tal in Sachen Biogas und Mobilität einiges getan, freut sich Niklaus Hari und ein berechtigter Stolz schwingt in seiner Stimme mit: «Bevor die Zapfsäule stand, sind hier gerade einmal zwei gasbetriebene Autos herumgefahren. Zum Tanken mussten die Besitzer das Tal verlassen und bis nach Steffisburg bei Thun fahren. Seit wir die Tankstelle in Betrieb genommen haben, hat sich die Zahl der Biogas-Autos jedoch enorm erhöht, heute sind es schon 65 Stück!»

Aus Abfall wird Energie

Rund ein Drittel der neuen Fahrzeuge sei seit Beginn des Ukrainekrieges angeschafft worden, weiss Niklaus Hari. «Die Preise für importierten Treibstoff steigen stetig. Lokal produziertes Gas ist hingegen eine saubere und nachhaltige Alternative», erklärt er.

In der Frutigländer Biogasanlage werden – im Unterschied zu den kleinen landwirtschaftlichen Biogasanlagen, die Hari mit seinem Unternehmen Haral erstellt – ganz verschiedene Abfälle verwertet. Zum einen ist da der Klärschlamm der angrenzenden Kläranlage. Zum anderen werden die Schlachtabfälle der Fischzucht Blausee und des Tropenhauses Frutigen in die Anlage geführt. Dazu kommen Gastro-Abfälle aus der Region. Dieser Mix stellt die Betreiber der Anlage vor verschiedene Herausforderungen, wie Hari erklärt: «Ein Problem hat sich früh gezeigt: Im Tropenhaus Frutigen werden Störe gezüchtet. Der Stör ist ein sogenannter Knochenplattenfisch, dessen Kopf aus solidem Knochen besteht, der nicht so einfach vergoren werden kann», führt er aus. Die Lösung habe sein Kollege Pius Allenbach gefunden: Um die Knochen zu zertrümmern wurde kurzerhand ein kräftiger Holzhacker vor die Anlage installiert, der selbst die härteste Nuss knacken kann.

Möglichst viel nutzen

Die zerkleinerten Abfälle landen in der Biogasanlage zuerst in der sogenannten Vorgrube, wo sie vermischt werden. Dann werden sie in den konstant temperierten Fermenter geführt, wo unter Luftausschluss eine anaerobe Gärung stattfindet. «Da arbeiten dann unsere kleinen Helferlein, zahlreiche Bakterien, die die Gärung vorantreiben», erklärt Niklaus Hari. Bei der Gärung entsteht das Rohbiogas, das abgezogen und anschliessend in einer eigenen Anlage gefiltert und unter Hochdruck verdichtet wird.

Während das Abbauprodukt einer landwirtschaftlichen Biogasanlage als ein sehr hochwertiger, weil für die Pflanze einfach verfügbarer Dünger gilt, darf der Gärrest der Frutiger Anlage nicht auf die Felder gebracht werden. Da menschliche Fäkalien mitvergoren werden, muss das Abbauprodukt in einer Kehrichtverbrennungsanlage verbrannt werden. Aber auch hier gebe es noch wertvolle Stoffe zu gewinnen, bemerkt Hari: «Wir führen die Masse eigens in eine Verbrennungsanlage, wo wir den darin enthaltenen Phosphor rückgewinnen können. So geht der nicht verloren.»

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Als «Nebenprodukt» entsteht bei der Gärung im Fermenter Wärme. Diese wird genutzt, um den Fermenter konstant auf 40º C zu erwärmen, um das 2021 erweiterte Fernwärmenetz zu speisen und zu guter Letzt zum Trocknen von Cheminee-Holz und Holzschnitzeln. «So holen wir das Maximum aus dem Abfall heraus, anstatt ihn einfach zu entsorgen», meint Hari.

Nachhaltige Mobilität

«Wenn ein Kunde hier an unserer Tankstelle sein Fahrzeug mit unserem lokal produzierten Biogas betankt, dann schliessen wir einen Kreislauf. Das ist quasi das Tüpflein auf dem I – und einfach auch eine coole Sache, das darf man schon so sagen», freut sich Niklaus Hari.

Auf dem Platz des Frutiger Entsorgungshofs steht an diesem Samstagnachmittag eine ganze Flotte von CNG-Fahrzeugen. CNG steht für «compressed natural gas», also komprimiertes, natürliches Gas. Neben CNG-PKW und kleinen Transportern gibt es am Biogas-Fahrtag etwa das neue Traktorenmodell von New Holland zu sehen, das mit Biogas läuft (siehe Kasten unten). Auch zwei gasbetriebene Sattelschlepper von Scania und Iveco können bestaunt werden.

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«Wenn wir mit Gas arbeiten, greifen wir auf vergleichsweise einfache, bewährte Technologie zurück», erklärt Hari. «Wir verfügen über das Know-how, kennen die nötige Infrastruktur und es sind passende Fahrzeuge verfügbar – alles, was es jetzt braucht, ist der politische Wille, diese Form der Mobilität mit entsprechenden Mitteln zu fördern. Und dann muss man endlich handeln.»

Wie Huhn und Ei

Auf die Frage, was denn nötig sei, um die Technologie auf ganzer Breite zu etablieren, vergleicht Hari die Situation mit dem Problem vom Huhn und dem Ei. «Der Aufbau der Infrastruktur bedingt, dass entsprechende Maschinen angeschafft werden. Wenn aber keine Infrastruktur besteht, kauft auch niemand ein CNG-Fahrzeug. Deshalb ist es wichtig, dass ein Anschub kommt – ein ideologischer, aber auch ein finanzieller. Genau das ist hier dank der Fahrbiogas Energie-Genossenschaft geschehen.»

Dass auf politischer Ebene endlich etwas gehen müsse in Sachen Biogas-Förderung, sieht auch Peter Wyss aus Ittigen bei Bern so. Er führt ein Lohnunternehmen und betreibt die grösste landwirtschaftliche Biogasanlage der Schweiz. In Frutigen zeigt er seinen CNG-Sattelschlepper von Scania, den er im Rahmen einer Testphase für verschiedene Transportarbeiten nutzt. «Entwicklungen sind nur dann möglich, wenn die Technik zum Einsatz kommt und gefördert wird», sagt der Berner bestimmt. Ginge es nach ihm, dann würde man die Biogas-basierte Mobilität am besten indirekt fördern, etwa, indem man die LSV-Gebühr für Transportunternehmen mit CNG-Fahrzeugen reduzieren würde. «In der ganzen ‹Biogas-Kette› sind Investitionen nötig. Wir KMU setzen aus Überzeugung auf Biogas, aber rentieren muss es letzten Endes trotzdem», sagt er mit Nachdruck.

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Der neue New Holland läuft mit Biogas

Er war der Publikumsmagnet am regionalen Biogas-Fahrtag in Frutigen: der neue New Holland T6.180 Methane Power, der in der Schweiz zum ersten Mal öffentlich vorgeführt wurde. Bei dem Modell handelt es sich um den weltweit ersten Serientraktor, der ausschliesslich mit natürlichem Gas angetrieben wird. Die Maschine verfügt über einen 6-Zylinder-CNG-Motor und eine EPM-Leistung von 175 PS, verbaut ist ein Electro-Command-Getriebe. In Punkto Leistung steht das Modell den «Dieslern» also in nichts nach. So positioniert sich der Traktor im mittleren Traktorensegment und passt gut auf die meisten Schweizer Betriebe.

Der New Holland T6. 180 Methane Power verfügt übersieben fest verbaute Tanks mit einem Gesamtvolumen von 185 Litern, optional kann an der Front ein Zusatztank miteinem Volumen von 270 Litern angebracht werden.

Im Vergleich zu einem dieselgetriebenen Traktor beeindruckt der Methan-Traktor vor allem durch die enorme Reduktion des Ausstosses: So wird der Kohlenmonoxid-Ausstoss um 90 Prozent reduziert und auch der Ausstoss von Nichtmethan-Kohlenstoffen wird um diesen Wert gesenkt. Der Partikelausstoss verringert sich gar um 99 %. Neben dieser guten Ökobilanz punktet der New Holland auch durch seine geringen Lärm-Emissionen.