Vermehrt gibt es in den Wäldern wegen des Borkenkäfers und der Trockenheit stehende dürre Tannen. Krankheiten wie das Eschentriebsterben sorgen für weitere instabile Bäume. Das kann gerade in intensiv begangenen Erholungswäldern oder entlang von Verkehrswegen und andern Infrastrukturen wie Vitaparcours oder Waldspielplätzen zum Problem werden. Wer haftet, wenn Unfälle wegen Sturmholz oder umfallender dürrer Bäume passieren?
Keine Bewirtschaftungspflicht für Waldeigentümer
Grundsätzlich gibt es zwar im Wald ein Begehungsrecht, es besteht aber, mit Ausnahme im Schutzwald, keine Bewirtschaftungspflicht für Waldeigentümer. Und für Infrastrukturen gelte die Werkeigentümerhaftung, das heisst, die Eigentümer von beispielsweise Strassen sind für den Unterhalt und die Sicherheit zuständig. Das betont auch der Rechtsberater des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbandes Raphael Kottmann, ehemaliger Kantonsrat und Vorstandsmitglied von Wald Luzern.
Gerichtsurteil relativieren
Ein kürzliches Bundesgerichtsurteil hat aber die Branche aufgeschreckt und wurde sehr kritisch zur Kenntnis genommen (siehe auch BauernZeitung vom 12. August 2019). Im Kanton St. Gallen müssen zwei private Waldeigentümer die Kosten der Feuerwehr für die Räumung von zwei morschen Bäumen bezahlen, welche auf eine Strasse gefallen sind. Mittlerweile liege dazu eine rechtliche Analyse vor. Und im Kanton Luzern, mit mehrheitlich Privatwald in bäuerlichem Besitz, hat sich die Begleitgruppe organisierter Wald mit dem Thema befasst. Diese kommt zum Schluss, dass sich «betreffend Haftungsvoraussetzungen und Waldeigentum sowie bei der nicht bestehenden Bewirtschaftungspflicht von Wald aufgrund des vorliegenden Bundesgerichtsurteils keine Änderungen ergeben.» Das Bundesgericht musste ausschliesslich beurteilen, wer für die Feuerwehreinsatzkosten für das Beseitigen der zwei auf der Gemeindestrasse liegenden Waldbäume aufzukommen hat. Es kam zum Schluss, dass das kantonale Recht korrekt angewendet worden sei.
Das Urteil dürfe nicht verallgemeinert werden, findet auch Rechtsberater Raphael Kottmann. In jedem Einzelfall sei sorgfältig festzulegen, wie weit die Eigenverantwortung der Wald- und Werknutzer reiche.
Warnschilder aufstellen
Er weist darauf hin, dass im Wald grundsätzlich die Eigenverantwortung der Waldbenutzer gilt, das heisst, dass dieser mit Vernunft und Vorsicht zu begehen ist. Die Grenze liege dort, wo trotz Aufmerksamkeit die Risiken nicht erkennbar seien. Aus haftungsrechtlicher Sicht mache es deshalb Sinn, bei erkennbaren Gefahrenherden Warnschilder aufzustellen, so beispielsweise «Instabiler Waldbestand, Achtung vor umfallenden Bäumen!»
Kommt es im Wald gleichwohl zu Unfällen, beispielsweise wegen herunterfallender Äste, so müsste den Waldeigentümern Fahrlässigkeit bewiesen werden können, um diese strafrechtlich zu belangen. Bei Naturereignissen sei dies kaum gegeben, eine Strafbarkeit faktisch ausgeschlossen, meint Kottmann.
Werke im Wald
Sind im Wald oder am Waldrand aber Infrastrukturen vorhanden, wie beispielsweise Waldstrassen, Wanderwege oder Grillplätze, so können mehrere Haftungsarten, so auch die Werkeigentümer-haftung, relevant werden. Die Eigentümer haben dafür zu sorgen, dass die Werke unterhalten werden und genügend Sicherheit bieten. So haben die Gemeinden beispielsweise dafür zu sorgen, dass öffentliche Fuss- und Wanderwege im Wald, dazu gehören auch Vitaparcours, möglichst gefahrlos begangen werden können. Bei privaten Wegen haben die Grundeigentümer für den Unterhalt zu sorgen.
Strassengesetz verpflichtet
Rechtlich nicht mehr so eindeutig ist es, wenn morsche Bäume drohen, auf öffentliche Strassen zu fallen. Einerseits gibt es im Wald keine Bewirtschaftungspflicht der Waldeigentümer. Anderseits könne eine Mitverantwortung und Haftpflicht der Waldeigentümer durchaus in Betracht gezogen werden, wenn offensichtliche Gefahrenstellen bestehen, meint Rechtsberater Raphael Kottmann. Die Gewährleistung der Sicherheit entlang von Strassen sei gleichwohl Sache der Werkeigentümer. Diese müssten bei Bedarf von den Waldeigentümern oder Forstfachpersonen informiert werden, sobald ein Sicherheitsrisiko festgestellt wird, heisst es auch seitens der Luzerner Dienst-stelle Landwirtschaft und Wald.
Präventiv Bäume fällen
Im Kanton Luzern wurden in den letzten Jahren nach den Erfahrungen mit grossen Sturmereignissen risikoreiche Bestockungen entlang von Kantonsstrassen entfernt, auf Kosten des Kantons, in Vereinbarung mit den Waldeigentümern. Aufgrund der positiven Erfahrungen könnte dies auch für Gemeindestrassen angewendet werden, ist einer Antwort der Luzerner Regierung auf eine Anfrage von Raphael Kottmann zu entnehmen. Zwar könnten je nach kantonalem Strassengesetz die Waldeigentümer verpflichtet werden, Bäume auf ihre Kosten zu entfernen, wenn der Verkehr gefährdet wird. Dies sei aus verschiedenen Gründen kaum durchsetzbar, heisst es in der Antwort der Luzerner Regierung.
Deshalb mache es Sinn, wenn Kantone und Gemeinden auf ihre Kosten für präventive Eingriffe sorgen, wenn Waldbäume die Strassensicherheit gefährden.