Roboter im Stall und auf dem Feld, Betriebsmanagement auf dem Smartphone und Daten, die per Daumendruck an die zuständigen Stellen gehen: Längst ist die Digitalisierung in der Landwirtschaft angekommen. Und damit auch die Frage nach dem Wert und den Rechten an den Daten. Im Ausland drängen mittlerweile schon Grosskonzerne wie Microsoft und Amazon in den Agrarsektor. Diesem Trend versucht sich die Schweizer Landwirtschaft zu entziehen.

Daten gehören den Bauern

Die Daten seien zunächst einmal Eigentum des Bauern, sagt Ulrich Ryser. Der Direktor der Beratungsstelle Agridea sitzt im Ausschuss der Chartagemeinschaft Digitalisierung, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Digitalisierung in der Schweizer Landwirtschaft zu fördern und fachlich zu begleiten.

«Unser Ziel ist, dass der Bauer seine Daten bei sich hat und selbst bestimmen kann, was mit ihnen geschieht», so Ryser. Deshalb will sich die Chartagemeinschaft für Lösungen einsetzen, die die Grundsätze der Charta einhalten. Dies wird durch eine spezifische Schweizer Lösung am ehesten gewährleistet. Wegen dem besonderen agrarpolitischen System sei die Schweizer Landwirtschaft noch etwas geschützt: «Ein Grossunternehmen wird sich den Schweizer Markt nicht als erstes aussuchen», sagt Ryser. Das berge aber gleichzeitig auch die Gefahr, abgehängt zu werden.

Herausforderungen kommen

Umso wichtiger sei deshalb, dass die Schweiz rechtzeitig eigene Systeme für den Umgang mit Daten finde. Ein guter Anfang sei bereits gemacht, so Ryser mit Blick auf den Hofmanager Barto. Diese beruht auf einer in Europa führenden Smart-Farming-Plattform.

Als nächste Herausforderung steht das Projekt Digiflux am Horizont. Diese Plattform wird vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) entwickelt und soll den Betrieben ermöglichen, der Mitteilungspflicht für Pflanzenschutzmittel und Nährstoffe nachzukommen. Bereits sei eine Verbindung via Schnittstelle der beiden Systeme geplant, sagt Ryser: So soll der Betriebsleiter die Daten für Digiflux direkt aus der Barto-Plattform senden können.

Geplant ist die Einführung von Digifluxauf das Jahr 2025, und sie könnte ein Meilenstein in der Digitalisierung der Schweizer Landwirtschaft werden. «Man kommt dann praktisch nicht mehr um ein digitales FMIS (Farm-Management-Informations-System) herum», sagt Ryser. «Sonst müsste man die Daten des Feldkalenders doppelt erfassen.» Landwirten empfieht Ryser deshalb, jetzt auf Barto zu setzen: «Dann sind sie schon bereit, wenn Digiflux 2025 kommt». Vorerst wird Digiflux nur die Lieferung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln erfassen, Nährstoffe, Futtermittel und Dünger sollen ab 2026 erfasst werden, ab 2027 sollen Nährstoffbilanz, sowie Ammoniak- und Humus-Rechner dazukommen.

Virtuelle Zäune und GPS

Plattformen wie Barto sowie Treiber wie Digiflux werden den Wandel in der Landwirtschaft fördern, dass die verschiedenen Datenströme vernetzt und dabei die Datenhoheit beim Landwirt belässt. Dies ist zumindest Rysers Hoffnung. Er geht davon aus, dass in Zukunft auch betriebswirtschaftliche Aspekte verstärkt in die digitale Managementsysteme einfliessen. Grosses Potenzial sieht er auch bei Anwendungen in der Tierhaltung: Als Beispiel nennt er die Früherkennung von Krankheiten, virtuelle Zäune und die Tierortung per GPS im Gelände. Im Weg stehen dem technologischen Wandel in der Schweiz nicht zuletzt die hohen Kosten beim Einstieg und der Initialaufwand bei der Umsetzung. Der Einsatz von Robotern etwa koste eine Stange Geld, räumt Ryser ein. Abhilfe schaffen können hier Maschinengemeinschaften. Auch die Lohnunternehmen dürften durch die Digitalisierung und Technologisierung an Bedeutung gewinnen. Es sind jedoch nicht nur die Kosten, die so manchen Landwirt skeptisch machen, sondern auch der Zeitaufwand und die Komplexität der Materie.

Glaubwürdige Pioniere

«Bei jeder Umstellung gibt es zuerst Mehraufwand und Hürden», sagt Ryser. Dazu komme eine psychologische Barriere: «Alles, was von der gewohnten Praxis abweicht, wird von den Menschen zunächst einmal als Chaos empfunden», sagt er. Beim Wandel setze man daher bewusst auf Pioniere: Landwirte also, die selbst bereits gute Erfahrungen mit Digitalisierung gemacht haben. Als erfahrene Berufskollegen verfügten sie über eine hohe Glaubwürdigkeit gegenüber anderen Bauern. Überhaupt zeigten sich die meisten Landwirte aufgeschlossen gegenüber Neuem, wenn der Nutzen stimmt, sagt Ryser. Auf Zurückhaltung stosse die Digitaliserung bei etlichen landwirtschaftlichen Organisationen. Diese zeigten sich oft sehr skeptisch, vor allem wenn es um Zusammenarbeit, Standardisierung und Datenaustausch gehe, sagt Ryser: «Da besteht Handlungsbedarf.»

«Bei jeder Umstellung gibt es Hürden.»

Agridea-Direktor Ulrich Ryser zum digitalen Wandel in der Landwirtschaft.

Nachgefragt: Dagmar Weber

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Ist die Schweizer Landwirtschaft bei der Digitalisierung auf dem richtigen Weg?
Dagmar Weber: Eher weniger. Die System-Landschaft ist stark fragmentiert. Sie besteht zum grossen Teil aus Systemen, die papierbasierte Prozesse abgelöst haben. Es gibt oft je ein eigenes Login und Datenmodell. Datenaustausch und Interoperabilität kommen so zu kurz. Partikularinteressen treiben viele aktuelle Projekte. Beim Bund und im kantonalen Umfeld wird das Thema jetzt erst aufgenommen. Der Bauer und seine Bedürfnisse müssen dringend ins Zentrum rücken.

Sind sich die Schweizer Bauern der Chancen und Risiken der Digitalisierung bewusst?
Viele Produzenten sehen grosse Chancen und sind eher ernüchtert, dass es nur so langsam vorwärtsgeht. Die Risiken werden wahrscheinlich unterschätzt. Auch Daten, die aus technischen Gründen gespeichert werden, dürfen ausgewertet werden.