Das Tor der Werkstatt rattert hoch, Marcel Schwager tritt in die saubere Lagerhalle und Werkstatt des Lely Centers in Härkingen (Solothurn). Links steht ein Milchtank, rechts ein fünfzehnjähriger Melkroboter Astronaut A3 in Revision. Es ist ruhig, es wirkt geordnet. Im Verlauf der nächsten Jahre sollen in den Kantonen St. Gallen, Luzern und Freiburg drei weitere solche Lely Center errichtet werden – die Melktechnik- und Automatisierungsfirma will mit ihren Regionalzentren näher ran an die Landwirte und Landwirtinnen. «Wenn wir Leute anstellen, ist es uns in erster Linie wichtig, dass sie Kuh-Freaks sind – nicht unbedingt Technik-Freaks», erzählt der Verkaufsleiter.
Durch diese neuen Zentren sollen die Kunden und Kundinnen besser beraten werden können. Der Plan: Die Bauern profitieren von der stärkeren regionalen Präsenz und die anfallenden Kosten decken sich durch erhöhte Effizienz, so Marcel Schwager. Die Zentren würden mit dem vorhandenen Personal bestossen.
«Die Bauern gönnen sich mehr»
Der typische Lely Astronaut, wie er in der Schweiz verkauft wird, unterscheidet sich technisch nicht grundlegend von den verkauften Modellen im Ausland. «Einzig im Bereich Ausstattung gönnen sich die Schweizer Bauern meist etwas mehr Optionen am Roboter – da sie den Mehrwert schätzen», weiss Marcel Schwager.
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Die Aufgabe des Lely Centers liegt darin, die massgeschneiderten Stallbaulösungen in Kombination mit dem Melkroboter und nach Schweizer Gegebenheiten zu finden. Die grössten Unterschiede zu Lösungen im Ausland liegen in der Vereinbarkeit von Roboter und Weide, dem Fütterungsmanagement, den Tierwohlstandards, dem Kuhkomfort allgemein und den spezifischen stallbaulichen Vorschriften. Und diese Begebenheiten seien nicht einmal in allen Kantonen dieselben – «aus diesem Grund braucht es eben diese Regionalisierung», wie der Verkaufsleiter erklärt. Interessant sei auch, dass nicht jedes Land den Roboter im Stall gleich positioniere.
«Ich will einen Roboter»
Marcel Schwager schreitet weiter durch das Lager und weiss: Die Arbeitsabläufe müssen stimmen, jeder Stall ist anders. So müsse jeder Fall individuell beurteilt werden. Wenn ein Interessent sage: «Ich will einen Roboter installieren», sitze man zuerst zusammen und lasse sich die Gesamtsituation und die Ziele, die der Betrieb durch die Automatisierung erreichen will, erklären. Manchmal laufen die Vorgespräche über Monate oder sogar Jahre. «Für uns ist es zentral, den Betrieb und die Familie zu verstehen – es muss in erster Linie dem Bauer oder der Bäuerin gut gehen.»
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Ein lebenswerteres Leben
Dieses Anliegen teilt auch Marcel Krieg. Er arbeitet seit mehr als 15 Jahre beim Lely Center. Gestartet als Servicetechniker ist er heute in der Geschäftsleitung für den Bereich Kundenservice zuständig. Zusammen mit Marcel Schwager und Fabian Fischer ist er Teil des aktuellen Generationenwechsels an der Spitze von Lely Schweiz.
Auf drei verschiedenen Roboter-Betrieben habe er damals die Lehre zum Landwirten absolviert und gemerkt, wie die Automatisierung das Leben der Bauernfamilien «lebenswerter» gemacht habe, wie er sagt. «Ich habe gesehen, wie sich die Arbeitsbelastung veränderte und die Flexibilität anstieg», so Krieg. «Auf einem Roboter-Betrieb arbeitet man immer noch viel, aber die Arbeit ist weniger anstrengend und freier einteilbar». Diese Umstellung habe einen direkten Einfluss auf die Lebensqualität der Familien. «Ein Teil der Bauern drückt diese Dankbarkeit nach einer Installation aus, bei einem Grossteil spüre ich sie in meiner täglichen Arbeit und die anderen sagen sowieso nicht wirklich viel», scherzt der aufgestellte Berner.
Den Roboter mit Daten füttern
Was er auch sieht, ist, dass sich der Beruf Landwirt, respektive Landwirtin, durch die Automatisierungen auf dem Betrieb verändert. «Es ist ein anderer Beruf – es ist ein technischer Job, der von der künstlichen Intelligenz begleitet wird, und es ist ein moderner Job», meint Marcel Krieg. Besonders für junge Leute werde der Beruf so manchmal wieder attraktiver. Schliesslich mache es keinen Spass, jeden Tag zu denken: «Was ich hier mache, ist eigentlich ein riesen ‹Murks›». Es müsse also vorwärtsgehen.
Auch für Fabian Fischer ist klar, dass Stillstand heutzutage Rückschritt bedeutet – vor allem in der Landwirtschaft. Fischer startete ebenfalls vor rund 15 Jahren als Servicetechniker bei Lely. Heute ist er für den Bereich Business Support zuständig. Als Produkt-Spezialist ist auch er nahe bei den Bauern dran – im Kofferraum hätten alle Verkaufsberater ein Paar Gummistiefel. «Das gehört einfach dazu», so Fischer. Als Landmaschinenmechaniker und Landwirt fasziniert ihn das Zusammenspiel zwischen Technik und Natur. «Ein Euter ist nie gleich, die Begebenheiten können jeden Tag variieren und trotzdem stimmt die Leistung der Melkroboter – das ist für technikaffine Personen faszinierend», sagt Fischer.
Es braucht trotzdem Betreuung
Fabian Fischer sieht die Entlastung, die ein Roboter auf einen Familienbetrieb bringen kann, ebenfalls. Er spricht dabei sogar von einem «normalen und erträglicheren Leben» für die Bauernfamilien – trotz der durchgehenden Präsenz bedingt durch die Tierhaltung. Die Flexibilität sei durch die Automatisierung wieder vergleichbar mit einem durchschnittlichen Mutterkuh-Betrieb, einfach mit einer viel höheren Wertschöpfung, analysiert Fischer. Aber ihm ist bewusst: Auch auf einem Roboter-Betrieb sind es immer noch Tiere. «Sie brauchen immer noch Betreuung und sie brauchen immer noch Aufmerksamkeit», so Fischer.
Ihm ist es wichtig, die Erfahrungen der Praktikerinnen und Praktiker in die Entwicklung zu integrieren, deshalb seien etwa Rückmeldungen zur Positionierung des Roboters oder allfälligen «Bugs», also Software-Fehlern, wichtig. Die ganze Melkroboter-Idee sei schliesslich von Bauern gekommen, erklärt Fischer. Sie waren es, die beobachtet hatten, wie die Kühe freiwillig zum Fressautomaten kamen und die sich dachten: «Da müsste man auch gleich Melken können.» So keimte vor über 40 Jahren die Idee des automatischen Melkens.
Die Inputs der Bauern würden auch in den Niederlanden, wo Lely herstammt, ernst genommen, sagt Fischer. Letztlich «lebe» der Roboter nur, wenn ihm möglichst viele Daten gefüttert würden.
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«Früher waren es Spinner»
Doch die Automatisierung und die gewonnene Flexibilität haben ihren Preis. Das wissen die Bauernfamilien, die sich auf diese Investition einlassen. Zwar sind Software-Updates im Anschaffungspreis inklusive – die Wartungskosten können die Anwendenden aber finanziell belasten und der Druck, erfolgreich zu produzieren, steigt durch die getätigte Investition an.
«Früher sagte man den Roboter-Betrieben nach, Spinner zu sein. Einige sprachen vom ‹Ziger-Automaten›. Heute hat sich der Melkroboter etabliert», beobachtet Marcel Krieg. Er stellt sogar eine Tendenz fest, dass es Roboter-Betrieben einfacher falle, Lernende oder Mitarbeitende zu finden. Manchmal komme es sogar vor, dass das Team Mutterkuh-Betriebe dabei begleitet, wieder auf die automatisierte Milchproduktion umzustellen.
Was kommt in Zukunft?
Vieles ist also in den Schweizer Milchviehställen bereits gegangen. Das schlummernde Automatisierungspotenzial wurde erkannt und ausgebaut. Doch wie sieht die Zukunft aus? «Das Ziel von Lely ist es, alle repetitiven Arbeiten im Milchviehstall zu automatisieren. Die Liegen-Boxenpflege ist heute zum Beispiel noch nicht automatisiert», sagt Marcel Krieg oben im Sitzungszimmer des Centers. Man arbeite an Lösungen. Der Grundsatz lautet: Heute entwickeln und lösen, was in zehn Jahren zum Problem werden könnte.
Ein Fokus liegt neben der Hardware der Maschinen auf dem Bereich Software, wo die Firma auf die Unterstützung bei der Entscheidungsfindung der Landwirtin und des Landwirts setzt. Das Managementprogramm soll also nicht nur anzeigen, dass etwas nicht stimmt, sondern auch gleich eine Handlungsempfehlung aufzeigen. Damit verfolgt Lely den Grundsatz, nicht nur eine Dienstleisterin zu sein, sondern die Bauernfamilie im Prozess als Partnerin zu begleiten und zu inspirieren.