Was früher im Dorf als «Tanndlischule» bekannt war, ist heute viel mehr als das. Denn der Forstgarten Lobsigen, der vor 60 Jahren errichtet wurde, hat heute einen klaren gesetzlichen Auftrag im Berner Waldgesetz. Dort heisst es, dass der Kanton dafür sorgen müsse, dass immer genug Saatgut vorhanden ist. Bis dahin hatte wohl fast jede Gemeinde ein eigenes «Forstgärtli», weiss Thomas Peter, Geschäftsführer des Forstgarten Lobsigen BE. Mit der Er­langung der Erkenntnis über Genetik, dass es von «struben Samen auch strube Tannen» gebe, und der aufkommenden Mechanisierung, die nicht mehr jede Gemeinde stemmen konnte, errichtete der Kanton eine Baumschule, die das genetische ­Erbgut heimischer Pflanzen zusammenzieht. Denn «Neupflanzungen benötigen gesundes und an den Standort angepasstes Saat- und Pflanzgut», heisst es auf der Website des Bundesamts für Umwelt (Bafu).

Vielseitige Arbeit

Das bestätigt Thomas Peter. Was auf 500 m. ü. M. wachse und gut gedeihe, mache dasselbe nicht auch auf 1500 m ü. M. Das Saatgut werde primär in ausgelesenen Samenerntebeständen in der Schweiz geerntet. Die Daten der Erntebestände sind im nationalen Kataster der Samenerntebestände festgehalten. Und ­genau diesen Kataster bewirtschaftet auch Betriebsleiter Thomas Peter mit seinem Team. Daneben werden im Forstgarten Lobsigen Bäume, Sträucher und Heckenpflanzen gezogen und verkauft. Auch für das Ausstellen der nötigen Herkunftszeugnisse der Pflanzen ist der Forstgarten zuständig.

Kein Düngereinsatz

Nur rund zehn Prozent der Verkäufe gehen an den Kanton, der Rest an öffentliche Waldbesitzer und Private. Zwar ist der Betrieb dem Kanton unterstellt, bezieht jedoch keine Subventionsgelder und der Forstgarten muss schwarze Zahlen schreiben. Eine nicht einfache Aufgabe, wenn man bedenkt, dass niemand seine gewünschten Bäume sechs Jahre zum Voraus bestellt. Denn solange dauert es etwa, bis Bäume nach der Saat verkaufsbereit sind. Der Forstgarten treibt seine Pflanzen nicht mit Dünger zu schnellerem Wachstum an. Es dauert dadurch zwar etwas länger, bis sie verkaufsbereit seien, würden aber, gegenüber gepuschten Pflanzen, an ihrem Endstandort rascher und robuster wachsen, weiss Thomas Peter aus Erfahrung. Er bezeichnet denn auch das Nichtwissen, was es genau brauche, als grösste Herausforderung seiner Arbeit. Ereignisse, wie etwa Orkan Lothar, hätten im Sturmjahr selbst einen grossen Verkaufseinbruch nach sich gezogen. Denn die Waldbesitzer hätten keine Zeit zum Pflanzen gehabt, sondern seien mit Aufräumen beschäftigt gewesen. Im Folgejahr seien dann viele Bäume bereits zu gross für den Verkauf gewesen und mussten vernichtet werden.

Klimawandel ist merkbar

Mehrheitlich produziert der Forstgarten Lobsigen einheimische Pflanzen. Thomas Peter versucht auch seltenere Produkte ­zu produzieren, wie etwa die Straucharten Alpenkreuzdorn oder Blaues Geissblatt. Hinsichtlich des Klimawandels müsse man zudem für nichtheimische Arten die Augen offenhalten, weiss Peter. So erwähnt er etwa den in Nordamerika beheimateten Tulpenbaum, der laut «Wikipedia» in Deutschland bereits versuchsweise angepflanzt werde. Auch bei den Kundenwünschen sei der Klimawandel bemerkbar. Waren vor 60 Jahren rund 400 000 Rottannen verkauft worden, seien es heute davon keine zehn Prozent mehr. Klimatolerantere heimische Bäume, wie etwa Traubeneiche oder Edelkastanie, werden nun eher bevorzugt.

Riesiger Wissensschatz

Thomas Peter sitzt im Personalraum des Forstgartens. Er erzählt umfangreich und mit viel Herzblut. Später in der Schatzkammer, dem Samenlager, in dem unter anderem Nadelbaum-Samen von 1977 lagern, und auch draussen auf dem Gelände bei den Pflanzen ist der Betriebsleiter kaum mehr zu bremsen. Er lässt die Besucherin an seinem riesigen Wissen teilhaben und schweift dabei immer etwas von den ursprünglich gestellten Fragen ab. Es ist klar ersichtlich: Der Betriebsleiter liebt seinen Beruf mit allem, was dazu gehört. Da stört es ihn auch nicht, dass jeweils im Frühling und Herbst während rund eineinhalb Monaten mehr Einsatz von ihm nötig ist, als sonst schon. Denn das seien die Hauptverkaufszeiten. «In diesen rund drei Monaten muss ich das komplette Einkommen für das ganze Jahr generieren. Besonders der Frühling mit 60 Prozent des Jahresverkaufs ist schon happig», erzählt Thomas Peter.

Liebe zu Natur und Mensch

Da seien die Tage lang und er stehe auch samstags den Kunden zur Verfügung. Die Liebe zur Natur und zu den Menschen, egal ob Mitarbeitende oder Kunde, die sei enorm wichtig, und genau die spürt man beim Betriebsleiter. Thomas Peter ist gelernter Forstwart. Bereits während der Ausbildung half er ab und zu beim Forstgarten aus. 1994 übernahm er eine feste Anstellung. Nach und nach übernahm er Büroarbeiten des damaligen Betriebsleiters Urs Rohner. Noch heute haben die beiden regelmässig Kontakt. Etwa, wenn Peter auf eine seiner geliebten Touren im Wallis oder Oberland geht, um Wildrosen zu suchen. Nicht selten wird er da von Rohner begleitet. Von ihm habe er enorm viel gelernt, denn entsprechende Weiterbildungen gebe es nicht, erklärt der Betriebsleiter. Einzig an Tagungen von Forschungsanstalten in Deutschland habe er etwa viel über Genetik gelernt.

 

Betriebsspiegel

Gehört zu Staatsforstbetrieb des Kantons Bern

Fläche 7 ha Produktionsfläche und dazu 6 ha Samenplantage in Wald und Feld.

Produktion 500 000 Sämlinge, 350 000 Forstpflanzen und Sträucher pro Jahr. Dazu werden jährlich 165 Baum- und Straucharten aus verschiedenen Herkünften auf den Pflanzflächen verschult.

Lage Gemeinde Lobsigen, 525 m ü. M.

Angebot Forstpflanzen, Heckenware, grosse Bäume und Sträucher für Parkanlagen, Weihnachtsbäume.

Kundschaft öffentliche und private Waldbesitzer, Gärtnerinnen und Gärtner, Private, Gemeinden und Naturschutzorganisationen.

Betriebsleiter Thomas Peter

Mitarbeiter 2 Vollzeitangestellte, 3 Teilzeitangestellte sowie Lernende des Staatsforstbetriebs des Kantons Bern, die zeitweise vor Ort sind. aw

 

Lernen durch Machen

Das meiste Wissen komme jedoch mit der Arbeit. So auch darüber, welche Pflanzenschutzmittel, die im Pflanzgarten vor allem gegen Unkraut, aber möglichst wenig zum Einsatz kommen, bei welchen Pflanzen eingesetzt werden können und auch die erwünschte Wirkung erzielen. Da müsse einfach immer wieder getestet werden. Die Arbeit geht Thomas Peter wohl in den nächsten Jahren so wenig aus, wie seine Leidenschaft dafür. 

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