Unter Luftabschluss kommt es in der gelagerten Gülle zu anaeroben Abbauvorgängen und es entstehen flüchtige Stickstoff-Verbindungen. Das heisst einerseits, es bilden sich vermehrt Ammoniak und das Treibhausgas Methan. Andererseits entstehen unangenehm riechende Substanzen wie Benzoesäure, Phenol, Kresol, Skatol, Indol oder sogar Schwefelwasserstoff. Schwefelwasserstoff ist ein farbloses, hochgiftiges Gas.
Diesem Problem gegenüber stehen Techniken wie das Entlüften der Gülle, das Anbringen von Biowäschern, die Beimischung von verschiedenen Zusätzen oder die Ansäuerung der Gülle. Eine andere Herangehensweise ist das Belüften des flüssigen Hofdüngers. Diese Methode hat zum Ziel,
- aerobe Abbauprozesse zu initiieren, indem aerobe Mikroorganismen gefördert werden,
- die Fliesseigenschaft zu verbessern,
- die Sink- und Schwimmschichten aufzulösen,
- Geruchsstoffe, organische Säuren und Schleimstoffe abzubauen und
- die Nährstoffeffizienz zu erhöhen.
Aussenluft für die Gülle
Dabei wird der Gülle gleichmässig feinblasige Luft hinzugeführt. Bei Samuel Otti aus Oberwil bei Büren BE, der die Rindergülle seines Biobetriebs seit 30 Jahren belüftet, sorgt der Hohlflügel am Tauchmotor-Rührwerk für die nötige Luftzufuhr. Es wird also keine Luft mit Druck in die Gülle gepumpt. «Wir haben verschiedene Optionen getestet - das selbstansaugende Tauchmotor-Rührwerk mit elf PS eignet sich in unserem 250 m3 Güllelager gut», erklärt Samuel Otti. Durch die Schleuderbewegung des Flügels am Tauchmotor-Rührwerk zieht es die sauerstoffreiche Aussenluft auf den Grund der Güllegrube. Dies führt im nächsten Schritt zur aeroben Rotte der Gülle.
Dass belüftete Gülle nicht homogen sei, stimme nicht, plädiert der erfahrene Biolandwirt. «Wir belüften und rühren die Gülle – das gibt eine optimale Emulsion für eine problemlose Ausbringung. Zudem ist die belüftete Gülle erst noch sehr geruchsarm», weiss Samuel Otti. Mittels Zeitschaltuhr läuft das Rührwerk zwölf mal täglich zu jeweils drei Minuten. Dass die Energiekosten höher seien als bei anderen Systemen, treffe auf seinem Betrieb auch nicht zu.
Säure durch Bodenaktivität
Einem Bericht zufolge steige aufgrund des aeroben Abbaus von organischen Säuren der pH-Wert von belüfteter Gülle, wenn intensiv und dauerhaft Luft zugeführt wird. Dies begünstige die Ammoniak-Abgasung und somit seien die Luftschadstoff-Emissionen bei diesem System sogar höher als bei herkömmlichen Anlagen. Samuel Otti vermutet eher das Gegenteil. «Da die Gülle mit Sauerstoff versetzt ist, fördert dies sauerstoffliebende Mikroorganismen. Diese sind ebendann im Boden erhöht aktiv und säuern den Boden an. Somit sinkt der pH-Wert eher, als dass er steigt», denkt Otti laut. «Und», fügt er hinzu, «mir ist viel wichtiger, was in den Boden kommt, als was eventuell in die Luft entweicht».
«Das System ist umstritten», weiss Samuel Otti. «In den landwirtschaftlichen Schulen ist von dieser Methode gar keine Rede und viele Berater(innen) raten davon ab», beobachtet er. In diesem Punkt ist sich die Forschung aber einig: Die Sauerstoffzufuhr verhindert die Bildung von Fäulnisprodukten wie Schwefelwasserstoff, Buttersäure oder Cadaverin. Dies macht die Gülle pflanzenverträglicher, weil es so bei warmen Temperaturen weniger zu Verbrennungen oder Verätzungen an den Kulturpflanzen kommt. Auch Mikroorganismen und Regenwürmer werden dadurch weniger beschädigt. Untersuchungen belegen auch, «dass die Güllebelüftung einen sehr positiven Effekt der Geruchsminderung aufweist».
Geringere Stickstoffverluste bei der Ausbringung
Laborwerte zeigen, dass die Sauerstoffzufuhr in der Gülle den Abbau und die Aufbereitung der organischen Substanz begünstigt. Dies macht die Gülle fliessfähig und homogen und fördert das Wurzelwachstum. Dieser aerobe Prozess wirkt laut einer Untersuchung des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) krankheitshemmend, da die Mikroorganismen Antibiotika, Hemmstoffe und Vitamine bilden. Zudem sind die Stickstoff-Verluste bei der Ausbringung von belüfteter Gülle geringer, wie einem Vortragspapier des FiBL zu entnehmen ist.
Ein ganzheitlicher Ansatz
Es stehen verschiedene Belüftungssysteme zur Auswahl:
- Druckbelüfter
- Injektorbelüfter
- Umwälzbelüftung
- Porenbelüftung
Dabei unterscheidet man zwischen temporärer Belüftung (Intervallbelüftung), der permanenten (Dauerbelüftung), der schonenden und feinbläsigen Belüftung oder der Hochdruckbelüftung.
Die Belüftung der Güllekann als Langzeit-Investition betrachtet werden, deren Auswirkung nicht nur die Nachbarn glücklich macht, sondern vor allem die sensiblen Mikroorganismen im Boden. Es ist jedoch ein ganzheitlicher Ansatz. «Wenn belüftete Gülle auf Kulturboden trifft, der keine aktiven Bodenlebewesen mehr besitzt, funktioniert das aerobe System weniger effizient», schliesst Samuel Otti das Gespräch ab.