Vor allem in tierintensiven Regionen sind die Ammoniakemissionen weiterhin zu hoch. Eine wirkungsvolle, aber nicht unumstrittene Methode zur Reduktion von Ammoniak im Stall und bei der Güllelagerung ist die Gülleansäuerung. Das Verfahren ist nicht neu; gibt man etwa auf einer Online-Suchmaschine den Begriff «Gülleansäuerung» ein, erscheinen 2000 Ergebnisse.

Wirksamkeit ist erwiesen

Klärung im Dschungel von Fakten und Meinungen bringt eine wissenschaftliche Studie zur Beurteilung zu Einsatz und Wirkung der Ansäuerungstechnik. Diese wurde von Thomas Kupper, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaft (HAFL) in Zollikofen BE, im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) erstellt. Die Studie liefert Zusammenhänge für die praktische Anwendung.

«Die Ansäuerung hat mir erst den Neubau für die Mastschweine ermöglicht.»

Alois Niederberger, Milchproduzent und Schweinemäster, Neuenkirch LU.

Säure zur Gülle geben

Die Säure kann in drei Stufen der Hofdüngerkette beigemischt werden. Beim wirksamsten Verfahren wird in einer Vorgrube die Gülle durch das Zumischen von Säure auf den gewünschten pH-Wert eingestellt. Aus dieser Grube werden mehrmals täglich die Kanäle automatisch gespült. Dadurch befindet sich immer nur angesäuerte Gülle in den Kanälen. Somit entsteht bereits im Stall weniger Ammoniak. Eine weitere Variante ist die Zugabe der Säure in der Lagergrube. Dadurch reduzieren sich die Lager- und Ausbringverluste.

Sehr häufig wird die Säure unmittelbar vor der Ausbringung direkt in den Schleppschlauch dosiert. Ein direktes Einbringen in das Güllefass würde eine hohe Schaumbildung verursachen und den Einsatz der Säure limitieren.

Bund zahlt Beiträge

Die Studie weist beim Einsatz der Säure bereits im Stall eine wesentliche Minderung von 30 bis 50 % der Ammoniakemissionen nach. Im ähnlichen Rahmen bewegen sich die Reduktionen des Klimagases Methan.

Aufgrund der hohen Wirksamkeit werden Anlagen zur Gülleansäuerung im Rahmen der Investitionshilfe des Bundes finanziell unterstützt. Im Vordergrund stehen zwei Verfahren. Bei dem ersten wird gezielt Säure in die Gülle eingemischt und beim zweiten werden pH-senkende Bakterien eingesetzt.

Erste Anlagen in Luzern

Es ist kein Zufall, dass die erste Pilotanlage für das chemische Verfahren im Kanton Luzern steht. Durch die hohen behördlichen Auflagen für die Bewilligung eines neuen Stalles wird das Interesse für technische Innovationen gefördert. Die Arnold & Partner AG, Schachen, lieferte das nötige Know-how sowie die Anlage mit allen erforderlichen Sensoren, Pumpen und Überwachungsgeräten. Je nach Verlauf der Corona-Pandemie besteht die Möglichkeit, die Anlage in Neuenkirch zu besichtigen (siehe Kasten ganz unten).

Die Umweltwirkung ist unbestritten. Bezüglich Arbeitssicherheit und Unfallschutz sind die Risiken geklärt. Es stellen sich einige Fragen zu den Auswirkungen auf den Boden und die Bodenorganismen sowie auf die Naturwiesen. Unter der Leitung der HAFL finden dazu umfangreiche, begleitende Untersuchungen auf diesem Betrieb statt. Einen anderen Weg zur Ansäuerung beschreitet die Firma Schauer Agrotronic AG, Schötz LU. Mit der Partnerfirma Vuna GmbH aus Dübendorf hat sie im Herbst 2020 in Dierikon LU eine praxisnahe Versuchsanlage auf einem landwirtschaftlichen Betrieb getestet.

 

Güllenchemie - darum gehts

In der Gülle besteht zwischen den zwei Stickstoffformen Ammonium NH4+ und Ammoniak NH3 ein Gleichgewicht. Durch die Senkung der Temperatur und des pH-Werts lässt sich das Verhältnis zu Gunsten des Ammoniums verändern. Ammonium kann nicht ausgasen und ist im Boden sofort pflanzenverfügbar. Je nach Art der Gülle, der Häufigkeit des Rührens und durch den Abbau von organischem Material steigt der pH-Wert normalerweise rasch über die kritische Grenze von 7 an. Für die Ansäuerung können sowohl mineralische wie auch organische Säuren eingesetzt werden. In Dänemark hat man jahrelange Erfahrung mit diesem Verfahren und es wird grossflächig eingesetzt. Die Ansäuerung mit Schwefelsäure hat sich durchgesetzt. Dabei sind Säuremengen von rund fünf Kilogramm pro Kubikmeter bei Rindergülle und bis zu 15 Kilogramm pro Kubikmeter bei Schweinegülle erforderlich, um den Zielwert von pH 5,5 zu erreichen.

 

pH-senkende Bakterien

Mithilfe von pH-senkenden Bakterien wird die Gülle unter kontrollierten Bedingungen stabilisiert. Die Bakterien wandeln die vorhandenen Stickstoffverbindungen in Nitrat um. Dadurch wird der pH-Wert in einen ähnlichen Bereich von 5,5 wie bei der chemischen Methode gesenkt.

Die Umwandlung und pH-Absenkung bindet den flüchtigen Stickstoff. Die Bakterien nehmen die natürliche Nitrifikation im Boden vorneweg. Deshalb sollten die negativen Einflüsse auf den Bodenhaushalt ausbleiben. Das Verfahren wurde ursprünglich für die Stabilisierung von menschlichem Urin und die Rückgewinnung der darin enthaltenen Nährstoffe entwickelt. Laboruntersuchungen am Wasserforschungsinstitut der ETH Zürich (Eawag) zeigen, dass das Verfahren auch für Harngülle von Rindvieh und Schweinen funktioniert. Eine Umsetzung in die Praxis ist in Planung.

Beim chemischen Verfahren braucht es Gewissheit über die langfristigen Auswirkungen auf die Böden. Auch muss die Wirksamkeit unter unseren Haltungsbedingungen, insbesondere mit dem hohen Stroheinsatz, bestätigt werden. Der Einsatz von Bakterien zur Stabilisierung kann den Konsumenten sicher einfacher erklärt werden, jedoch müssen bis zur Marktreife noch einige Hürden genommen werden.

Beide Verfahren wirken

Beide Verfahren zeigen eine hohe Wirkung. Die Methoden müssen in der Schweiz, unter den hier geltenden Bedingungen, nun weiter getestet werden. Und für die Praxis sind besonders die Erstellungs- und Betriebskosten von Interesse.

 

Kurs bei Pilotanlage

Die Agridea bietet am Dienstagvormittag, 11. Mai (nicht wie ursprünglich vorgesehen am 6. April), einen Kurs zum Thema Gülleansäuerung an (Ausweichdatum 8. Juni). Dieser findet auf dem Betrieb Niederberger, Holzhof, Neuenkirch, statt, wo auch die erste Pilotanlage steht. 

Anmeldungen an Agridea, Tel. 052 354 97 30, oder kurse(at)agridea.ch