Wo bleibt da der Datenschutz? Das fragen sich heute viele reflexartig, sobald irgendwo ein Geburtsdatum oder eine E-Mail-Adresse hinterlegt werden soll. Beim Luzerner Baubewilligungsverfahren geht man diesbezüglich weniger zimperlich vor. Wer als Landwirt in Luzern in den letzten Jahren ein elektronisches Baugesuch einreichte, der darf sich und seinen Betrieb getrost als "gläsern" bezeichnen.

Alles wird veröffentlicht

Im Baugesuch waren nämlich von der E-Mail-Adresse über den Jahrgang der Bäuerin, Anzahl Kinder, Sicherung der Hofnachfolge, Baukosten und bei Ökonomiebauten auch gleich noch die ÖLN-Bilanz, Betriebsspiegel mit Pachtflächen und je nach Bauvorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung während 20 Tagen für jedermann auf der Internetseite der Gemeinde einsehbar. Alles bereit zum Herunterladen, weltweit. Der BauernZeitung liegen Beispiele vor, wo komplette Betriebsstrategien von den Bauämtern hochgeladen wurden. Das Verfahren rief schon die Politik auf den Plan. Eine entsprechende Anfrage von Kantonsrat Josef Wyss, Eschenbach, wurde 2017 von der Luzerner Regierung ab­ge­schmet­tert. Bereits jetzt ­seien sämtliche Unterlagen für jedermann auf der Gemeinde einsehbar. Es gelte das Öffentlichkeitsprinzip, hiess es. Ob die Unterlagen beim Bauamt oder online eingesehen werden, macht aus Sicht der Regierung keinen Unterschied.

Datenschutz bei Nachbarn

Hört man sich ausserhalb von Luzerner Bauämtern um, tönt es ein wenig differenzierter. Auch der Kanton Aargau prüft, künftig Baugesuche online zu stellen. Gegenwärtig laufen Pilotversuche in drei Aargauer Gemeinden, sagt Markus Krause, Sektionsleiter ad interim beim Kanton, Abteilung für Baubewilligungen. Keinesfalls werde man den Gemeinden die Empfehlung abgeben, die kompletten Sätze auf den kommunalen Webseiten zu veröffentlichen. In einem Baugesuch seien viele personenbezogene Daten, die per se heikel seien, sagt Krause. "Solche Daten könnten eingeschwärzt werden für die Veröffentlichung im Online-Verfahren", nennt Krause ein Zukunftsszenario. Wer alles sehen möchte, hat zuerst ein Interesse nachzuweisen. Im Kanton Uri werden auf der Website des Kantons in erster Linie unverfängliche Parzellenbilder und Planskizzen zu den Gesuchen hochgeladen. Darunter steht der Vermerk: "Aus Gründen des Datenschutzes werden hier nur die für das Baubewilligungsverfahren relevanten Dokumente publiziert, die vom Gesuchsteller nicht explizit als vertrauenswürdig und nicht öffentlich zugänglich eingestuft wurden. Weitere Dokumente können im Rahmen der Auflagefrist bei der zuständigen Gemeindekanzlei eingesehen werden." Im Kanton Schwyz ist das Amt für Raumentwicklung gegenwärtig an der Einführung eines elektronischen Baubewilligungsverfahrens. Im Gegensatz zu Luzern bleibt den Interessierten der Gang zur Gemeindekanzlei aber nicht erspart. Der Datenschutz geht vor.

Datenschützer ist skeptisch

Auch Matthias Schönbächler, Datenschutzbeauftragter des Kantons Luzern, scheint nicht speziell angetan von der pragmatischen Luzerner Lösung. "Es wäre verhältnismässig, der Gesuchstellerin oder dem Gesuchsteller zumindest die Möglichkeit einzuräumen, sein Baugesuch nicht online zu veröffentlichen", findet er. Es sei nicht nötig, ganze Baugesuche mitsamt Beilagen und frei von jeglichen Sicherheitsmechanismen auf den Gemeindewebseiten zu publizieren. Wer mehr wissen will, dem soll diese Gelegenheit auf Anfrage gewährt werden. Etwa mittels einer sicheren elektronischen Zustellung oder einem geschützten Download-Bereich. Somit könnten auch die grössten Nutzniesser des seit 2014 geltenden Luzerner Systems, nämlich Natur- und Landschaftsschutzverbände, weiterhin bequem von der Geschäftsstelle in der Stadt aus die Gesuche prüfen, und müssten sich nicht in die Landgemeinden auf die Gemeindekanzleien bemühen.

"Es ist nicht nötig, alles auf den Websites zu publizieren."

Matthias Schönbächler, Datenschutzbeauftragter Kanton Luzern

Fortschrittliches Luzern

Rund 65 Prozent aller Luzerner Baugesuche werden elektronisch eingereicht. "Der Kanton Luzern ist diesbezüglich am fortschrittlichsten", erklärt Mario Conca, Abteilungsleiter Baubewilligungen, Kanton Luzern. Elektronische Baugesuche würden schweizweit gefördert. Grundsätzlich gelten für sämtliche Baugesuche innerhalb und ausserhalb der Bauzonen dieselben gesetzlichen Vorgaben und allgemeinen Anforderungen, stellt Conca klar. "Je nach Baugesuch sind aber für Gewerbe, Private oder Landwirtschaft andere projektbezogene, zusätzliche Beilagen erforderlich", ergänzt Conca. Und genau hier liegt das Dilemma der Landwirtschaft. Der Druck auf das Bauen ausserhalb der Bauzone ist raumplanerisch enorm. Dazu kommt die Thematik der Emissionen. Die Landwirte müssen entsprechend immer mehr und immer detaillierte Angaben über ihre Bauprojekte machen. Und offenbar gilt, wie eine kleine Umfrage in einigen grösseren Luzerner Bauerngemeinden ergab: Was elektronisch eingereicht wird, schafft es mit ziemlicher Sicherheit auch auf die gemeindeeigene Webseite. Wer das nicht möchte, soll die Formulare von Hand ausfüllen und die Gemeinde, sofern sie zu denjenigen gehört, die alle Baugesuche online aufschaltet, bitten, darauf zu verzichten.

Denn die Gemeinden haben mehr Handlungsspielraum, als ihnen wohl bewusst ist. "Öffentlich bekannt machen" und "veröffentlichen" ist nicht das Gleiche. "Es spricht nichts dagegen, dass das Bauvorhaben öffentlich bekannt gemacht wird über die gemeindeeigene Website", sagt Matthias Schönbächler. Eine ­Information, wo das detaillierte Gesuch eingesehen werden kann, reicht aber vollends.