Seit Anfang Mai leitet Hans Dieter Hess die Luzerner Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa), mit rund 95 Mitarbeitenden eine bedeutende Stelle im grossen Agrarkanton und mit viel bäuerlichen Waldeigentümern. Im Interview berichtet er über seine ersten Erfahrungen.
BauernZeitung: Herr Hess, was hat Sie als Auswärtiger für diese Stelle motiviert?
Hans Dieter Hess: Wie einige Kollegen in meinem Alter hatte ich den Wunsch nach etwas Neuem, einer neuen Herausforderung. Ich wollte weiter mit der Landwirtschaft verbunden bleiben und mit Menschen zu tun haben. Auch Natur und Umweltschutz haben mich immer begleitet.
Haben Sie sich Ziele gesetzt?
Eines ganz klar, nämlich dass ich sicher in den ersten Monaten nichts verändern, sondern mir einen Überblick verschaffen und einleben will. Mein erster Eindruck ist, dass es wenig zu verändern gibt, hier beim Lawa läuft es gut und rund.
Sie haben sich somit gut eingelebt?
Ja, sehr gut, meine Einführung war auch sehr gut vorbereitet und eng getaktet, das war anspruchsvoll. Sowohl intern wie mit externen Partnern ist die Zusammenarbeit gut angelaufen.
Sie pendeln von Ihrem Wohnort Schmitten in Freiburg, sind dort noch für die SP im Gemeinderat tätig. Ist dieser weite Arbeitsweg nicht eine grosse Belastung und erschwert die Eingewöhnung?
Ich war vorher nicht weniger unterwegs, einfach in anderen Regionen. Das Pendeln erschwert die Arbeit nicht, heute kann man auch gut im Zug arbeiten. Klar wird es abends teils sehr spät, bis ich zu Hause bin. Die Gegend hier ist mir zudem nicht fremd, ich habe mal in Winikon gewohnt, war in Triengen sogar im Turnverein.
Hans Dieter Hess ist ein Vielgereister
Hans Dieter Hess ist im Berner Seeland aufgewachsen. Er wollte Bauer werden, sein Vater war aber strikte dagegen, "die müssen viel arbeiten und verdienen wenig". So studierte er Agronomie an der ETH, interessierte sich für tropische Landwirtschaft und Entwicklungshilfe. Nach dem Studium war er in Südamerika tätig, machte in Kolumbien eine Doktorarbeit. 1999 kam er zurück in die Schweiz, wohnte im Kanton Luzern und arbeitete für eine Futtermühle. Später arbeitete er wieder an der ETH, ging dann 2005 zur Agroscope nach Posieux in den Bereich Tierernährung, übernahm später den Forschungsbereich Produktionssysteme Tiere und Tiergesundheit.
Hess ist 53-jährig, verheiratet und hat drei teils bereits erwachsene Kinder. Er wohnt in Schmitten FR. Seine Hobbies sind Geräteturnen, Natur, Wandern, Velofahren, und als Gemeinderat auch Politik.
Sie sind noch relativ neu im Amt, und erhielten mit Regierungsrat Fabian Peter Anfang Juli gleich noch einen neuen Chef. Wie ist der erste Eindruck von ihm?
Von meinen wenigen Begegnungen mit Regierungsrat Fabian Peter habe ich einen sehr guten Eindruck. Ich freue mich auf die vertiefte Zusammenarbeit mit ihm. Wir haben ja einige Geschäfte in Bearbeitung, welche auf das politische Parkett kommen. Fabian Peter interessiert sich für unsere Themen, ist offen und möchte einiges bewirken.
Sie waren vorher bei der Agroscope, in der Forschung. Was ist Ihr Eindruck von der Luzerner Land- und Waldwirtschaft?
Der Agrarkanton Luzern war für mich als Nutztierwissenschafter an der Schnittstelle von Futterbau und Tierproduktion immer sehr interessant, und es reizte mich auch deshalb, mich in diesem Kanton zu bewerben. Es ist bekannt, dass sowohl die Landwirtschaft wie die Waldwirtschaft hier vergleichsweise kleinstrukturiert ist, was eine grosse Herausforderung ist. Der Strukturwandel wird weitergehen, ist gegeben durch die Rahmenbedingungen. Den muss man weder bremsen noch beschleunigen. Die Strukturen verändern sich hier einfach etwas langsamer als anderswo.
Die Luzerner Landwirtschaft hat aber grosse Herausforderungen, Stichworte sind die hohe Tierintensität, Ammoniakbelastung, Hürden bei innerer Aufstockung, Druck für mehr Kulturlandschutz und Biodiversität, und vieles mehr. Was ist Ihre Meinung dazu?
Die grösste Herausforderung sind die historisch bedingt hohen Tierdichten im Kanton. Die haben sich so entwickelt wegen des grossen Know-hows und der guten Futtergrundlagen für Rindviehhaltung. Die Tierzahlen dürfen sicher nicht mehr weiter steigen, darüber herrscht breiter Konsens. Die Frage ist, wie bei den hohen Tierbeständen die Ansprüche der Gesellschaft zur Reduktion der Emissionen befriedigt werden können. Da gibt es verschiedene Ansätze. Klar wäre es am einfachsten, und das wird ja von den Umweltverbänden gefordert, die Tierbestände abzubauen. Das löst aber das Problem nicht. Solange sich die Nachfrage nicht verändert, bei Milch und Fleisch, solange wird auch produziert. Wenn nicht hier, dann eben anderswo. So werden Emissionen nicht reduziert, sondern einfach verlagert. Deshalb sollten wir durch Effizienzsteigerungen und technische Massnahmen die negativen Umweltwirkungen der Tierproduktion reduzieren.
«Die Emissionen werden einfach verlagert.»
Hans Dieter Hess zu den Folgen von weniger Tieren
Klar braucht es ergänzend auch Alternativen für jene Betriebe, welche aus der Tierhaltung aussteigen wollen.
Die neue Luzerner Strategie Agrarpolitik setzt auf mehr Wertschöpfung durch mehr Bio, mehr Regionalität, mehr Tierwohl, weniger Umweltbelastungen, mehr Biodiversität usw. Was meinen Sie dazu?
Die Strategie ist sorgfältig erarbeitet worden und breit abgestützt, die Stossrichtung sicher richtig. Wie überall gibt es aber einige Zielkonflikte, mehr Tierwohl und weniger Umweltbelastung ist einer davon, wenn wir an Ammoniak oder Methan denken. So braucht es immer ein Abwägen bei den verschiedenen Zielen. Es geht ja nicht nur um Tiere und Umwelt, es geht auch um Familien, die von der Landwirtschaft leben und auf Wertschöpfung angewiesen sind.
«Es geht auch um Familien und ihre Existenzen.»
Hans Dieter Hess findet, dass es einige Zielkonflikte gibt
Seitens Bauern und ihrer Verbände ist öfters zu hören, die Umweltauflagen im Kanton Luzern seien besonders streng ...
Diesen Eindruck, dass der Kanton beim Vollzug übertreibt, kann ich nicht bestätigen. Luzern hält sich an die gesetzlichen Vorgaben und Gerichtsentscheide. Wegen der hohen Tierdichte und somit hohen Emissionen sind wir sicher in der Pflicht, die bestehenden Auflagen konsequent durchzusetzen.
Sie treten aber gleichwohl ein für eine produzierende Landwirtschaft, brauchten auch den Begriff der «nachhaltigen Intensivierung»?
Auf jeden Fall, Hauptaufgabe der Landwirtschaft bleibt die Produktion von Lebensmitteln. Das soll neben allen andern Aufgaben die erste Tätigkeit sein.
Der Begriff der nachhaltigen oder ökologischen Intensivierung ist zwar umstritten, sowohl in der Landwirtschaft wie bei Umweltverbänden. Eigentlich geht es aber nur darum, dass mit weniger Input und Umweltbelastung gleichviel produziert wird.
Ihre Dienststelle ist für den Vollzug der Agrarpolitik zuständig. Bäuerlicherseits wird der hohe administrative Aufwand dafür kritisiert. Sehen Sie Möglichkeiten, diesen zu reduzieren?
Wir versuchen selbstverständlich, den Verwaltungsaufwand bei uns selber und für die Kunden möglichst tief zu halten. Wir haben diesbezüglich bei der Stellungnahme zur AP 22+ auch interveniert. Nur ist Realität, dass bei jeder Veränderung auch der Aufwand grösser statt kleiner wird. Ich erhoffe mir aber dank der Digitalisierung eine signifikante Vereinfachung der administrativen Prozesse. Die Auflagen werden kaum sinken, der Vollzug kann aber einfacher werden.