«Soll ich mich künftig selbst anzeigen, wenn das Gras ausserhalb der definierten Vegetationsruhe gleichwohl weiter wächst?», nervt sich Jakob Lütolf, Präsident des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands (LBV). Bäuerlicherseits sei man nicht glücklich über die neue Luzerner «Checkliste im Umgang mit Hof- und Recyclingdüngern im Winter». Diese wurde nach Rücksprache und in Zusammenarbeit mit der Dienststelle Umwelt und Energie, der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern und der Luzerner Polizei erarbeitet, und Ende November publiziert.
Die Vegetationsruhe
Zu einem Zeitpunkt also, als güllen gemäss dem Merkblatt bereits verboten gewesen wäre, aber aufgrund des schönen und wüchsigen Herbstwetters noch weit verbreitet im Talgebiet und selbst höheren Lagen praktiziert wurde. Auch letztes Wochenende, es war warm und föhnig, wurde vielerorts noch gegüllt. Wie viele übereifrige Anzeigen deswegen erfolgten, ist der Redaktion nicht bekannt.
«Das Gras hält sich nicht an die Vegetationsruhe.»
Jakob Lütolf, Präsident LBV
Auch in anderen Kantonen wurden die Merkblätter zum Güllen in den letzten Jahren überarbeitet und aktualisiert. Die Grundsätze sind identisch, im Bundesrecht festgelegt und auch in der Praxis unbestritten: Hofdünger soll nur zu Zeiten ausgebracht werden, in denen die Pflanzen Stickstoff aufnehmen können. Daher ist der Austrag während der Vegetationsruhe nicht zulässig. In Ausnahmefällen könnten spezielle Bedürfnisse im Pflanzenbau eine Düngung rechtfertigen. Allerdings gilt dies nicht während der grundsätzlichen Vegetationsruhe, im Aargau beispielsweise wurde diese zumindest für die Monate Dezember und Januar so definiert.
In der Luzerner Checkliste und anderen kantonalen Merkblättern wurde auch festgelegt, dass grundsätzlich kein Güllen bei wassergesättigtem, gefrorenem, schneebedecktem Boden sowie vor oder nach Intensivniederschlägen zulässig ist. Auch dies entspricht Bundesrecht.
Die Tagesmitteltemperatur
Aber auch wenn keines dieser Ausschlusskriterien vorliegt, ist das noch kein Freipass zum Güllen, denn auch die Nährstoffaufnahme in den Böden muss möglich sein. Dies wird mit der Tagesmitteltemperatur gemessen. Die muss im Durchschnitt während mindestens sieben aufeinanderfolgenden Tagen über fünf Grad betragen. Dann gilt die Vegetationsruhe als beendet. Als Wetterdaten gelten die Angaben von Agrometeo, davon gibt es im Kanton Luzern sechs Stationen.
«Das ist für die Praxis nicht geeignet.»
Stefan Heller, Geschäftsführer LBV
LBV-Geschäftsführer Stefan Heller weist darauf hin, dass die Ermittlung der Tagesmitteltemperatur für den Vollzug in der Praxis eigentlich nicht geeignet sei. Für Bauern sei es schwierig zu wissen, ob der eigene Standort die Bedingungen für den Gülleaustrag erfüllt.
Vor Vegetationsbeginn
Besondere Bedürfnisse des Pflanzenbaus können allerdings berücksichtigt werden. So kann beispielsweise auf Wiesen und Weiden, oder auch in Zwischenfutter, Raps und gut entwickeltes Wintergetreide, im Frühjahr schon kurz vor Vegetationsbeginn flüssiger Hofdünger oder auch Mist ausgebracht werden. Allerdings in Eigenverantwortung, ohne Abschwemmungsgefährdung, nicht in Gewässernähe und nur in beschränkten Mengen.
Fragwürdiger 1. März
Der Kanton Luzern hat die Ausnahme «vor Vegetationsbeginn» im Gegensatz zu anderen Kantonen wie Aargau, Zürich oder Zug allerdings in der neuen Checkliste noch verschärft. So ist in jedem Fall kein Austrag von Gülle oder Mist vor dem 1. März möglich, ausser die Temperatursumme ist erreicht. Andere Kantone haben auf die Festlegung eines solchen Termins verzichtet. Genau dieser Termin wird nun bäuerlicherseits heftig kritisiert. Dies verhindere jegliche Flexibilität, wenn bei milden Frühlingstemperaturen das Güllen und Misten im Februar im Luzernbiet generell verboten sei. «Das ist eine naturfremde Auflage», betont LBV-Präsident Jakob Lütolf. Der LBV sei über die Erarbeitung der Checkliste orientiert worden, und sei auch mit vielen Punkten einverstanden. Der Termin 1. März sei aber klar abgelehnt worden, und es sei bedauerlich, dass man nun vor vollendete Tatsachen gestellt werde.
Checkliste für den Umgang mit Hof- und Recyclingdüngern im Winter
Der Kanton stellt eine Checkliste für die Landwirtschaft bereit. Diese solle als Entscheidungshife beim Einsatz von Hof- und Recyclingdüngern im Winter dienen. Hier geht es zur Checkliste.
Diskussionen absehbar
Wird die neue Checkliste im Kanton Luzern nun so angewendet, so sei es absehbar, dass es nächsten Frühling wieder grosse Diskussionen auslösen werde. Vor allem, wenn übereifrige Umweltpolizisten die Bauern selbst bei guten Wetterverhältnissen wegen unzeitigen Güllens oder Mistens verzeigen und dies strafrechtliche Konsequenzen bis zur Kürzung der Direktzahlungen hat.