Mechanisierung und Motorisierung sind nicht das Gleiche. Trotzdem werden die beiden Begriffe im alltäglichen Sprachgebrauch, in den Medien und in der Wissenschaft fast immer synonym verwendet. Das war nicht immer so.
Ein wichtiger Unterschied
Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hatte man in der Landwirtschaft sehr wohl unterschieden, ob es sich beim Einsatz von Maschinen um eine Mechanisierung oder um eine Motorisierung handelte. Weil man noch wusste, dass der Unterschied in der energetischen Grundlage liegt: Die Motorisierung basiert auf dem Verbrauch fossiler Energieträger, die Mechanisierung erfolgte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts auf der Nutzung tierischer Muskelkraft.
Die heutige Nicht-Differenzierung ist nicht nur problematisch, weil die beiden Begriffe unterschiedliche Phänomene benennen, sondern vor allem deshalb, weil die Gleichsetzung von Mechanisierung und Motorisierung das ökologische Potenzial der agrarischen Produktion unsichtbar macht. Nämlich die Fähigkeit, einen wesentlichen Teil ihrer zur Produktion benötigten Ressourcen im Produktionsprozess wiederherstellen zu können.
Nur eingeschränkt nutzbar
Die Mechanisierung ist ein altes Phänomen. Im 19. Jahrhundert erlebte sie sowohl in der industriellen Herstellung von Gütern als auch der agrarischen Produktion von Nahrungsmitteln einen Durchbruch. Von nun an erleichterten immer raffiniertere Geräte und Maschinen die Verrichtung von Arbeiten sowohl in den Fabriken und den Werkstätten als auch in den Wäldern, auf den Äckern und den Feldern.
Bei der energetischen Grundlage der Mechanisierung hingegen gab es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Industrie und der Landwirtschaft. Die auf der Verbrennung von Kohle basierenden Dampfkessel erwiesen sich nur in den Fabriken und Manufakturen als effiziente Antriebsmaschinen. In der wetter- und bodenabhängigen landwirtschaftlichen Produktion hingegen waren die Dampfmaschinen wenig geeignet.
Oft richteten sie sogar mehr Schaden an, als sie nützten. So brauchte es zuweilen mehr Pferde und Ochsen, um die von den Dampfkesseln benötigten Kohle- und Wassermengen auf die Äcker zu führen, als Zugtiere mit dem Einsatz von Dampfpflügen eingespart werden konnten. Zudem waren die Dampfmaschinen für die Kultivierung der Böden im Ackerbau fast immer zu schwer.
Mechanisierung mit Tieren
In der Landwirtschaft setzten sie sich deshalb nur dort durch, wo es, wie beispielsweise beim Dreschen, nicht um die Produktion, sondern um die Verarbeitung von Getreide ging, die in der Tenne stationär, wie in der Fabrik, durchgeführt werden konnte. Die umfassende Mechanisierung der landwirtschaftlichen Produktion im 19. Jahrhundert basierte nicht wie in der Industrie auf dem Verbrauch fossiler Energieträger aus der Lithosphäre, d. h. dem Erdinnern. Vielmehr basierte sie auf der Nutzung der Muskelkraft von Tieren, die mit Pflanzen aus der Biosphäre ernährt werden konnten.
Ihr Antrieb, das Futter, konnte, wie die Tiere selbst, im Produktionsprozess auf den Höfen immer wieder reproduziert werden. Es handelte sich deshalb um eine im ursprünglichen Sinne des Wortes nachhaltige Produktion. In der Landwirtschaft erfolgte der Durchbruch der Motorisierung in der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Erst nachdem es in Jahrzehnte dauernden Entwicklungen gelungen war, aus den schweren, an den Bedürfnissen der Industrie und des Schienen- und Strassentransports modellierten Schleppern leichte, wendige und mit Zapfwellen ausgerüstete Traktoren zu machen, wurden die Zugtiere überflüssig.
Zugtiere werden überflüssig
Das hatte vier grundlegende Auswirkungen: Erstens wurden grosse Flächen zur Produktion von Nahrungsmitteln frei, die bisher für die Ernährung der Zugtiere benötigt worden waren.
Zweitens stieg die Arbeitsproduktivität in der landwirtschaftlichen Produktion so stark an, dass sie höher als in der Industrie war.
Drittens wurde die motorisierte Landwirtschaft zu einer wichtigen Konsumentin von Industrie und Gewerbe, von denen sie immer mehr Motoren, Maschinen, Hilfsstoffe und Reparaturdienstleistungen bezog.
Und viertens geriet die landwirtschaftliche Produktion – wie die industrielle Herstellung von Gütern schon im 19. Jahrhundert – in Abhängigkeit von fossilen Energieträgern.
Zurück zu tierischer Kraft?
Wer diese Abhängigkeit der landwirtschaftlichen Produktion vom Erdöl und seinen Auswirkungen auf das Klima verringern will, muss nicht Verhältnisse wie vor der Mechanisierung anstreben. Vielmehr kann man sich für Rahmenbedingungen einsetzen, die es wirtschaftlich (wieder) erstrebenswert machen, für die Verrichtung bestimmter Arbeiten multifunktionale Arbeitstiere einzusetzen. Denn diese können, wie ihr Futter, im Produktionsprozess reproduziert werden.