Endlich Heuwetter. Überständig, dicht und hoch stehen die noch ungemähten Wiesen auch in unserer Region. Zwar konnten schon einige Parzellen in den kurzen regenfreien Erntefenstern abgeräumt werden, der grosse Heuet beginnt aber vielerorts erst in diesen Tagen über Pfingsten.
Heu mähen, vor allem entlang von Waldrändern, ist aber auch mit dem Risiko verbunden, gesetzte Rehkitze zu vermähen. Dies, weil die Setzzeit der Rehe von Mitte Mai bis Ende Juni mit der Mähzeit zusammenfällt.
Seit Jahrzehnten setzen sich Jäger und Bauern dafür ein, Rehkitze vor dem Mähtod zu retten. Dennoch seien es jährlich einige Tausend, die den Maschinen zum Opfer fallen, heisst es von Rehkitzrettung Schweiz.
Mähtermin melden
Früher wurden die Wiesen kurz vor dem Mähen vor allem verblendet, das heisst mit Blinklampen und farbigen Fahnen ausgesteckt, oder von Jägern mit Hunden abgesucht, um gesetzte Kitze zu finden. Heute kommen vermehrt Drohnen zum Einsatz. So auch beim Jagdrevier Gelfingen-Sulz, welches 1350 ha umfasst, davon 280 ha Waldfläche. Rund dreissig Landwirte nutzen Flächen im Gebiet. Sie alle wurden von der Jagdgesellschaft in den vergangenen Wochen angeschrieben und mit einer Flasche Wein bedient mit dem Aufruf, Mähtermine den Jägern rechtzeitig zu melden. «Es nützt uns nichts, wenn die Bauern vor dem Mittag anrufen, sie würden am Nachmittag mähen», sagt Landwirt und Jäger Anton Ruckli vom Sonnenhof in Sulz, selber Mitglied bei Rehkitzrettung Schweiz. Die Jäger brauchten genügend Vorlaufzeit dafür, den Drohneneinsatz und genügend Personen zu organisieren.
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Ohne Meldung strafbar
Anton Ruckli weist darauf hin, dass sich Bauern strafbar machen, wenn ein Kitz vermäht wird und der Mähzeitpunkt vorher nicht gemeldet worden ist. Es seien deswegen auch schon hohe Bussen ausgesprochen worden. Auch die Luzerner Dienststelle Landwirtschaft und Wald machte im Newsletter April darauf aufmerksam, dass rechtzeitig die örtliche Jagdgesellschaft zu kontaktieren ist.
Jula für Rehkitzrettung
Für die Rehkitzrettung engagieren sich im Rahmen einer aktuellen Kampagne auch die Junglandwirte (Jula) Zentralschweiz. «Wir wollen die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Jagd fördern, so durch vermehrte Aufklärung», sagt Sohn Gabriel Ruckli, der den 25 ha grossen Schweinezucht- und Ackerbaubetrieb Betrieb Sonnenhof zusammen mit seiner Schwester Antonia Anfang Jahr übernommen hat und sich auch bei den Junglandwirten einsetzt. Schon als Kind habe er jeweils seinen Vater auf die Jagd begleiten dürfen, und ein Höhepunkt sei jeweils die Rehkitzrettung gewesen. Früher habe jeweils ein halbes Dutzend Personen das hohe Gras nach Kitzen abgesucht. Mit der nun eingesetzten modernen Multikopterdrohne mit Wärmebildkamera gehe die Suche viel schneller und effizienter, freut sich Gabriel Ruckli.
Die grosse Herausforderung sei die Suche nach einem geeigneten Drohnenpiloten gewesen. Dank Kontakten zu einem nahen Modellflughafen stiessen sie mit Kurt Bitzi auf einen ausgebildeten Profi mit entsprechender Ausrüstung. «Der jährliche Tod so vieler Rehkitze war für mich Grund genug, mich für die Rettung zu engagieren», begründet Bitzi seine ehrenamtliche Motivation.
Wärmebildkamera und GPS
[IMG 3]Alle nötigen Wiesen des Reviers sind im System vorgängig aufgrund digitaler Karten einprogrammiert und können so sehr speditiv und systematisch nach einem Raster GPS-gesteuert abgeflogen werden. Der Drohneneinsatz erfolgt für eine optimale Wirkung der Wärmebildkamera frühmorgens ab 4 Uhr bis 7 Uhr. Und es brauche genügend Akkus für lange Flugzeiten, erklärt Bitzi.
Der Einsatz solch professioneller Drohnen sei nicht zu vergleichen mit einer Hobbydrohne, wo jemand ohne Ausbildung über Felder fliege und meine, so Kitze zu finden. Anton Ruckli weiss von keiner anderen Jagdgesellschaft in der Region, wo solch professionelle Drohnen eingesetzt werden.
Im Vorjahr sei zwar von der Drohne kein Kitz aufgespürt worden, nur ein Fuchs, weil wetterbedingt vielerorts vor dem Absetzen gemäht wurde. In den vergangenen Tagen konnten aber bereits drei Kitze gerettet werden, freut sich Ruckli. Wird ein Kitz entdeckt, wird dieses im Idealfall frühmorgens von Helfern mit einer Harasse zugedeckt und die Position markiert. Die Bauern könnten dann anschliessend darum herummähen. Wird allerdings erst am Mittag oder Nachmittag gemäht, so wird das Kitz mit Gras in den Wald gelegt, erklärt Ruckli.
Drohnen seien heute eine sichere und effiziente Methode, um die frisch gesetzten Rehkitze in den grossen Grasfeldern aufzuspüren, bestätigt Jagdobmann Andreas Böhni. Der 70-Jährige geht bereits seit 55 Jahren auf die Jagd. Stundenlang seien sie früher zum Verblenden oder zum Absuchen unterwegs gewesen. Und es war gar möglich, dem handbedienten Motormäher vorauszulaufen, um Kitze aufzuspüren. Mit der Schlagkraft der heutigen Maschinen ein Ding der Unmöglichkeit.
Schnell muss es gehen
Dank der Drohne könnten in 27 Minuten zehn Hektaren abgesucht werden. «Gerade dieses Jahr, wo so viele Flächen miteinander gemäht werden, hätten wir ohne Drohne gar keine Chance, all die Felder vorher abzusuchen, und in diesem hohen Gras würden wir kaum ein Kitz finden.» Die hochempfindliche Wärmebildkamera finde aber jede Wärmequelle. «Kürzlich wurde uns gar ein Bienenschwarm im Gras angezeigt.» Heute könnten so wieder mehr Kitze als früher gerettet werden.
Freizeitdruck auf Wald
Unfälle mit Rehkitzen hätten bis zum Einsatz von Drohnen in den vergangenen Jahren eher zugenommen, meint Böhni. Nicht nur wegen der geänderten Bewirtschaftungsformen in der Landwirtschaft mit immer schlagkräftigeren Maschinen, sondern auch, weil die Rehe häufig aus den Wäldern in die Wiesen flüchteten. So auch wegen der geänderten Nutzung des Waldes. Der Druck der Freizeitgesellschaft sei gross, das habe sogar zu einer Reduktion der Bestände in ihrem Revier geführt, sagen Böhni und Ruckli übereinstimmend und zeigen Tabellen der aktuellen Bestandeszählung. «Während Jahrzehnten hatten wir hier rund 120 Rehe, jetzt sind es noch rund die Hälfte. Ich fühle mich manchmal nicht mehr als Jagdobmann, sondern als Verwalter eines Freizeitparks», meint Böhni.
Rehkitzrettung Aargau und Uri
Im Kanton Uri wurde dieses Jahr die Interessengemeinschaft Rehkitzrettung Uri gegründet. 13 Piloten absolvierten die Prüfung von Rehkitzrettung Schweiz. Und Ende April fand ein Informationsabend für die freiwilligen Helfer statt. Die IG hilft den Landwirten auch mit Verblenden oder Vergrämen, falls es nicht zu einem Drohneneinsatz kommt. Wichtig sei, dass die Felder am Vorabend bei der Wildhut oder direkt auf der Website gemeldet würden.
Im Aargau engagiert sich der Bauernverband Aargau (BVA) für die Rehkitzrettung mit Drohnen, welche vor fünf Jahren Einzug hielt. Heute kennt der BVA bereits 33 Piloten. Auch der BVA ruft dazu auf, mähbereite Felder rechtzeitig den Jägern zu melden oder den Schnitttermin direkt online einzugeben.
Weitere Informationen:
www.rehkitzrettung.ch
ww.rkr-uri.ch
