Gülle ist keine homogene Flüssigkeit. Das heisst: Die wichtigen Nährstoffe, die dem Boden durch die Ausbringung zu Gute kommen sollen, sind in der Gülle ungleichmässig verteilt. Auch nach dem Aufrühren ist dies der Fall, vor allem bei sehr grossen Rührbehältern und einem langen Ausbringezeitraum. Eine damit einhergehende ungenaue Düngung kann zu Nährstoffverlusten führen und verringert die Nährstoffeffizienz.
Wird die unterschiedliche Zusammensetzung der Gülle detaillierter berücksichtigt, kann der Einsatz genauer geplant werden. Um die vom Bundesrat für die Schweizer Landwirtschaft gesteckten Umweltziele zu erreichen, ist dies wichtig, denn bis 2030 wird eine Reduktion der Stickstoff- und Phosphorverluste von bis zu 20 Prozent angestrebt.
Gehalte in Echtzeit messen
Anstatt also ein bestimmtes Volumen in Kubikmetern pro Hektare zu düngen, führen Sollnährstoffe in Kilogramm pro Hektare zu einer bedarfsgerechteren Düngung. Dies ist möglich mit dem Einsatz eines Nahinfrarot-Sensors (Nirs). Dieser misst die vorbeifliessende Gülle bis zu 4000-mal in der Sekunde in Echtzeit. Misst der Sensor einen hohen Gehalt, wird die Menge die ausgebracht wird reduziert. Stickstoff und Phosphor werden so also nach Kilogramm Nährstoff auf den Acker ausgebracht. Aber wie funktioniert das genau?
Den Sensor zwischengeschaltet
Die mobile Nirs-Station kann am Gülletankwagen oder an einer Pumpstation befestigt werden und agiert dort als Zwischenschaltung. Sobald die Gülle gefördert wird, misst der Sensor die Gehalte an Stickstoff, Ammonium, Phosphor und Kali kontinuierlich in Echtzeit. Die vorbeifliessende Gülle wird durch ein Fenster in der Rohrleitung mit nahinfrarotem Licht bestrahlt. Die unterschiedlichen Nährstoffe reflektieren oder absorbieren das einfallende Licht. Der Sensor erfasst die dabei entstehenden Reflexionen und leitet sie zum Abgleich mit hinterlegten Daten bzw. mit vom Hersteller entwickelter Kalibrierung weiter.
Teure Berechnungen
«Dies ist eigentlich die ganze Kunst», erklärt Thomas Steinsberger, Leiter der Versuchsstation Nährstoffflüsse bei der Agroscope. Das Teure an dem System sei nicht unbedingt der Sensor selbst, sondern die Kalibrierungen, also die mathematischen Modelle, auf denen der Abgleich basiert. Die Rechen-Modelle variieren je nach Hersteller: Manche basieren auf fast 100 000 Messpunkten, andere wiederum «nur» auf ein paar tausend Messpunkten. Klar ist: Je mehr, desto besser. Grundsätzlich komme es darauf an, für welche Güllearten und welche Parameter das Modell kalibriert ist.
Reingülle oder Mischgülle
Je weniger Messpunkte zugrunde liegen, desto «reiner» muss die Gülle sein. Also zum Beispiel reine Gülle von mit Standardfutter gemästeten Schweinen oder Rindern. Basiert das System allerdings auf mehreren und vielseitigeren Messpunkten, kann es beispielsweise auch bei einer Mischgülle wertvolle Informationen liefern. Finden sich in der Gülle viele Hausabwässer oder anderes Fremdmaterial wie zum Beispiel Hühnermist, können manche Rechen-Modelle nicht mehr mithalten.
Nährstofffluss-Projekt der Agroscope
Die nährstoffbasierte Ausbringung scheitert dann, weil das System keine validen Daten zur Nährstoffzusammensetzung der Gülle mehr liefern kann. Thomas Steinsberger will mit seiner Arbeitsgruppe und mehreren Praxisbetrieben herausfinden, wie die Nährstoffeffizienz bei Stickstoff und Phosphor verbessert werden kann (wir berichteten). Bei diesem Projekt kommt der Nir-Sensor ebenfalls zum praktischen Einsatz.
Mineraldünger einsparen
Für kleine landwirtschaftliche Betriebe ist die parzellenbasierte Gülleausbringung mit dem Nirs noch Zukunftsmusik. Das würde sich wahrscheinlich momentan auch noch nicht lohnen, da die Mengen der auszubringenden Gülle zu gering seien, erklärt der Experte. «Für Lohn-unternehmer oder grosse Betriebsgemeinschaften hingegen könnte die Ausbringung mittels Nir-Sensor allerdings interessant werden», so Thomas Steinsberger.
Überdüngung vermeiden, Hofdünger präziser einsetzen und im besten Fall Mineraldünger einsparen – darin sieht Steinsberger die klaren Chancen der Nirs-Technologie. Er hofft, dass das Nährstofffluss-Projekt auch wertvolle Impulse zum verbesserten Verständnis der Hofdüngerqualitäten bringt. Dabei kann die Nirs-Technologie auf jeden Fall helfen.