Die heutige Landwirtschaft müsse sich wandeln, meinte Achim Walter, Professor für Kulturpflanzenwissenschaften an der ETH. Dies wegen übermässigem Einsatz von Pestiziden und Düngern, als Treiber und Opfer des Klimawandel, wegen dem Verlust von Biodiversität, Verteilungsproblemen durch Kriege, und Konflikte um Landbesitz und sozialer Ungerechtigkeit. Die «grüne Revolution» seit den 60er Jahren mit Intensivierung der Produktion durch mehr Hilfsmittel werde heute viel kritischer betrachtet und für die Umweltzerstörung mitverantwortlich gemacht. Walter wies darauf hin, dass zwar die Verdoppelung der Kalorienproduktion in den letzten Jahrzehnten weltweit mit der Zunahme der Bevölkerung Schritt halten konnte, der Einsatz von Stickstoff-Düngern sich aber versiebenfachte, Pestizide gar bis 20 mal mehr eingesetzt werden.

Dünger effizienter einsetzen

Weltweit würden aber nur die Hälfte aller zusätzlichen Stickstoffdünger von Pflanzen aufgenommen, der Rest gehe in die Umwelt verloren.

Auch in der Schweiz müsse der Dünge- und Pestizideinsatz weiter verringert werden. Bisher seien die Lösungsansätze aber zu wenig differenziert gewesen, es brauche ein Systemdenken. Food Waste sei zu verringern, ebenso wie die Tierproduktion. Es brauche weniger intensivere und diversere Anbauverfahren. Walter plädierte für vermehrten Einsatz von Hülsenfrüchtlern, um den Einsatz von N-Düngern zu reduzieren. Und Satelliten und Drohnen könnten den Düngebedarf von Feldern aufgrund der Farbintensität präziser erkennen.

Fokus Spezialkulturen

Biotechnologie, Digitalisierung und Robotik seien weiter zu entwickeln. «Die Umweltproblematik scheint derzeit ein Treiber dafür zu sein.» Die neue aber teure Technik werde in den wertschöpfungsintensiven Spezialkulturen zuerst angewandt. Ein Hemmschuh sei noch die zuverlässige Bildverarbeitung im Feld. Künstliche Intelligenz könnte einen Quantensprung schaffen, vorausgesetzt es werden viele Daten gesammelt.

Walter sprach an der Jahrestagung der Chartagemeinschaft Digitalisierung (agridigital) von agridea am 11. Mai 2022 in Sursee. Dort wurde ein Überblick geboten über Robotik und autonome mobile Systeme in der Landwirtschaft, zudem konnten ausgestellte Drohnen und Feldroboter besichtigt werden.

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Lokale Forschung stärken

In der Schweiz sind erste Geräte im praktischen Einsatz und die Forschung arbeite sehr intensiv an der Entwicklung. So gibt es Hackroboter und Maschinen zur selektiven Unkrautbekämpfung (Spot spraying), wo Pflanzen dank künstlicher Intelligenz erkannt würden. Sprühdrohnen seien in Asien schon Normalität und würden auch auf Kleinbetrieben eingesetzt. In Spanien werden Erdbeeren und Tomaten bereits von Ernterobotern gepflückt, dank sensorgesteuerten Greifarmen. Digitalisierung ermögliche auch einen Schub bei der Pflanzenzüchtung. Farb- und Wärmebildkameras analysieren Pflanzen und mit künstlicher Intelligenz könnten Weizenähren gezählt und Ertragsprognosen berechnet werden, erklärte Walter. Die Schweiz sei im internationalen Bereich gut aufgestellt, auch dank Agroscope. Es gelte die starke Rolle in Europa zu halten und für die Praxis zu nutzen, indem die lokale Forschung gestärkt werde, meinte der Pflanzenwissenschafter.

Selektive Pflanzenerkennung

Timo Grupp, selber Landwirt, vom deutschem Startup farming revolution GmbH, berichtete über die Entwicklung ihrer autonom fahrenden Geräte im Bereich Hackrobotik. Wegen der vielen Handarbeit für das Jäten innerhalb der Reihen sei das vor allem im Ökolandbau interessant, weiss der Praktiker. «Wir setzen auf einzigartige Pflanzenerkennung und Differenzierung, was eine Kulturpflanze ist und was Unkraut.»  Die neueste Generation der Geräte, der Farming GT 2022 sei in Zuckerrüben unterwegs, zwar langsam, aber autonom und vollektrisch auch die ganze Nacht durch.

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Vorführung des Farmdroid

Über die Erfahrungen mit einem andern Hackroboter, dem dänischen solarbetriebenen Farmdroid berichtete Maxime d’Autheville von der Hafl. Das Gerät wurde für die Unkrautbekämpfung in Biozuckerrüben entwickelt und kann für Blindhacken bis selektives Jäten eingesetzt werden. In der Schweiz sind bereits drei Geräte im Einsatz, auch für weitere Kulturen wie Zwiebeln. Eine Vorführung gibt es demnächst am 8. Und 9. Juni am Bioackerbautag in Holziken AG. [IMG 5]

Noch zu langsam und zu teuer

Katja Heimkämper von Agroscope orientierte über arbeitswirtschaftliche und ökonomische Aspekte des Einsatzes neuer Technologien im Gemüsebau.  So von einer Fallstudie für sensorgesteuertes Hacken und Spritzen, am Beispiel des Gerätes von Stekete IC Weeder.

Mit solchen Geräten lassen sich in der Tat je nach Kultur 40 bis 70 Prozent der Pflanzenschutzmittel einsparen. Aber die Kosten seien wesentlich höher, so wegen der Arbeitszeit und den Maschinenkosten. Ihre Schlussfolgerung: «Im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren ist das noch zu langsam und zu teuer.» Verbesserungspotenzial gebe es durch breitere Geräte und höheres Tempo. Zu klären sei auch, wie teuer  umweltschonendere Produktion sein dürfe, und ob die Konsumenten  bereit seien, die Mehrkosten zu tragen.

Bestrahlen statt spritzen

[IMG 4]Max Kopp vom Inforama plädierte für einen kulturübergreifenden Einsatz von Robotikanwendungen im Obst- und Beerenbau. Das aktuelle Umfeld mit Preisdruck bei beliebten Spezialkulturen, hohem Arbeitsaufwand, Personalmangel und Druck zur Reduktion des Hilfsmitteleinsatzes spreche für automatisierte Anwendungen. Künftig werden neben Herbiziden wohl auch mehr Fungizide und Insektizide wegfallen, was alternative Pflegemassnahmen nötig mache. Als Beispiel nannte er Nützlinge per Drohne auszubringen oder nicht chemische Bekämpfung von echtem Mehltau durch UVC-Bestrahlung bei Erdbeeren, wie das im Ausland schon erfolge.

Echte Mischkulturen

Einen weitern Ansatz präsentierte Landwirt Markus Bucher, Grossaffoltern. «Trotz Biolandbau sind wir nicht nachhaltig und nicht effizient». Ihn stören die vielen Überfahrten mit Maschinen und die geringe Ausnutzung der Fläche, weil die Technik fehle. Das Projekt Honesta setzt deshalb auf Mischkulturen und eine naturparitätische Landwirtschaft. Derzeit werde das System auf Versuchsflächen getestet und wissenschaftlich begleitet.

Was noch fehle sei eine automatisierte Maschine für diese vielfältige Landwirtschaft mit echten Mischkulturen. Eine Machbarkeitsstudie wurde erstellt, bald soll ein Prototyp im Feld zum Einsatz kommen. Geeignet sei der Flunick von Semesis als autonomes Trägerfahrzeug. Für diesen sollen auswechselbare Instrumente für Bodenbearbeitung, Saat, Pflege, Bewässerung und Ernte entwickelt werden.

Automatisierung im Kuhstall

«Wir haben 50 Prozent mehr Tiere, aber 50 Prozent weniger Arbeit», erklärte Urs Beerli, Landwirt und Informatikingenieur mit eigener Softwareentwicklungsfirma von Bichelsee TG über seinen vor zwei Jahren vollautomatisierten Milchwirtschaftsbetrieb. Auf dem 35 ha Betrieb wird mit 75 GVE Käsereimilch produziert, mit der Strategie «hoher Kuhkomfort bei hoher Milchleistung.» Der initiative Betriebsleiter setzt auf vollautomatische Fütterung vom Heustock bis in den Trog. Der Stall ist ausgestattet mit Melkroboter, automatischer Tierseparation, Fütterungsroboter, Entmistungsroboter, automatischem Weidetor und weiterer Gebäudeautomation. So können die Beleuchtung und Lüftung und alle Tore per Smartphone ferngesteuert werden, ebenso die Güllepumpe oder das Weidezaungerät. Zahlreiche Videokameras sorgen für Überblick vom Büro aus. Diverse separate Stromzähler geben Auskunft über den Energieverbrauch. Und dank separaten Wasserzählern kann der tägliche Wasserverbrauch der Herde separat abgerufen werden.[IMG 2]

Die Automatisierung bedinge Fokus auf die Technik und die Daten für die Tierbeobachtung. «Man spürt die Tiere weniger als im Melkstand, also ist die Analyse der Daten und die Videoüberwachung entscheidend.» Die Herausforderung sei die Kommunikation der unterschiedlichen Systeme, da die Hersteller daran wenig Interesse hätten.