«In der Energiebranche hat man das Gleiche gemacht wie bei den Nahrungsmitteln. Nach dem Motto «Import ist günstiger als Eigenproduktion» hat man sich vom Ausland abhängig gemacht», brachte es Christian Wolf, Leiter Vertrieb MBR Solar AG Wängi, auf den Punkt.

«Ein Ja für den Mantelerlass»

Anlass für die Energiediskussion war die Obstbautagung der Thurgauer Produzenten. Christian Wolf legte allen Teilnehmer nahe, ein Ja in die Urne zu legen, wenn das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, kurz Mantelerlass, im Sommer zur Abstimmung kommt. Damit stelle der Bund die Weichen für einen schnellen und starken Ausbau der erneuerbaren Energien und stärke die Stromversorgungssicherheit. [IMG 2]

Wolf warnte die Bauern, allzu euphorisch zu investieren. «Eine Eigenverbrauchsanlage macht fast immer Sinn. Aber das Warten macht zurzeit noch Sinn, denn die Preise für Solaranlagen sinken, und die Investitionssicherheit steigt», sagte er, hob aber den Warnfinger: «Hütet euch vor Investoren. Behaltet die Trümpfe in euren Händen.»

Tabelle: Gestehungskosten bei PV-Anlagen

Anlagen Gestehungskosten Vorteil Nachteil
Dachanlagen 4 bis 15 Rp./kWh Know-how und Technologie vorhanden. ­Dezentral, einfach umzusetzen und individuell zu realisieren viele kleine Flächen­einheiten
Agri-PV 10 bis 20 Rp./kWh Synergieeffekt
individuell realisierbar
mittlere Flächen
Bewilligung und Netzanschluss sind eine Herausforderung
Alpin solar 20 bis 30 Rp./kWh hoher Anteil Winterstrom enorme Baukosten
lange Bauzeit
Einsprachen
Freifläche 2 bis 8 Rp./kWh günstigste Variante
schnell umsetzbar
Dilemma: Energie versus Teller
Freifläche      

(Quelle Christian Wolf, 2024)

Schwabs Energiestrategie

Wie das zu schaffen ist, präsentierte Barbara Schwab Züger (50) aus Walperswil BE. Die Mutter von vier Kindern hatte 2008 den Betrieb, die Beerenland AG, von ihren Eltern übernommen. Auf rund 22 ha produziert sie Erdbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren Grünspargeln und Kernobst. Den grössten Teil machen die Erdbeeren aus, davon sind 12 ha im Freiland und 6 ha im geschützten Anbau. In die Direktvermarktung gehen rund 20 Prozent.

2011 entstand die erste Dachsolaranlage. Heute sind es deren vier, ergänzt durch zwei Elektromobile mit bidirektionaler Ladestation – die Autos werden nicht nur mit Strom aufgeladen, sondern können ihn auch abgeben. Komplettiert wird das betriebseigene Stromnetz mit einem Wärmespeicher von 600 kWh.

Vorzeigeprojekt in den Niederlanden

«Es gaben nicht allein wirtschaftliche Überlegungen den Ausschlag für die Erneuerbaren. Wir wollten unser Beerenland zukunftsgerichtet und innovativ positionieren», sagte Barbara Schwab. 2021 besichtigten sie und ihr Mann eine Vorzeigeanlage in den Niederlanden. «Was die machen, können wir auch. Wir haben hier mehr Sonneneinstrahlung als die Holländer», so Schwabs Fazit.

Sorgfältig wurde mit den Wissenschaftlern von Agroscope Wissen und Erfahrungen geteilt und das Projekt in Angriff genommen. Bis Schwabs die Anlage 2023 in Betrieb nehmen konnten, dauerte es aufgrund von Lieferverzögerungen seine Zeit. Sie steht auf 20 a in der Intensivlandwirtschaftszone, wo man durch den Rückbau eines Tunnels Platz schaffte. Darunter sind sechs Reihen Himbeeren und vier Reihen Erdbeeren auf Stelllagen. Die Pfähle der Anlage bilden die Stützfunktion für die Himbeeren.

Für Himbeeren top, für Erdbeeren flop

«Bei den Himbeeren lohnt es sich. Die Pflanzen profitieren, sind vital, haben keinen Sonnenbrand, und für die Erntehelfer ist das Pflücken unter dem Solardach einiges angenehmer», sagte Barbara Schwab nach dem ersten Jahr.

Etwas anders sah es bei den Erdbeeren aus. «Die Blattfläche war geringer als unter Tunnel, dafür sind die Blütenstiele länger gewesen. Die Ernte verzögerte sich. Der Ertrag sank um 30 bis 40 Prozent», erzählte Barbara Schwab. Die Festigkeit der Agri-PV-Erdbeeren sei geringer gewesen, der Zuckergehalt leicht tiefer. In der Blinddegustation sei bei der Qualität jedoch kein Unterschied zu jenen aus dem Tunnel spürbar gewesen. Sie ziehen nun die Erdbeeren im Freiland oder unter Tunnel an. Erst nachher kommen sie unter die Agri-PV-Anlage.

Positiv sei die Reaktionen der Kundschaft und von Landschaftsschützern. Sie lobten den Innovationsgeist und den Einbezug ins Betriebsgelände.

Barbara Schwab ist mit ihrer Agri-PV-Anlage dem Thurgau einen Schritt voraus. Im Thurgau sei ein Projekt gescheitert. Nicht aufgrund der kantonalen Bewilligung, sondern der Netzanbieter verweigerte sein Einverständnis, sagte Christian Wolf. Eine weitere Agri-PV-Anlage sei in Planung und könne in den nächsten Jahren realisiert werden. Der Kanton und der Netzbetreiber legten keine Steine in den Weg.