Kennen Sie dieses Problem? Sie haben ein neues Handy, aber das verbindet sich nicht automatisch mit Ihrem Computer. Dasselbe treffen Sie draussen auf dem Betrieb an: Ihre Geräte zum Feldbau sammeln zwar Daten, aber Ihr Hofmanagement-System kann diese nicht auslesen und sinnvoll weiterverwenden. Wieso geht das heutzutage nicht, wo liegt hier das Problem? Das Schlüsselwort für diese Probleme lautet «Interoperabilität».
Ein wichtiges Anliegen
Der Begriff Interoperabilität ist sperrig und dürfte bei den allermeisten wenig Emotionen auslösen. Dabei verstecken sich hinter der Bezeichnung ein durchaus wichtiges Prinzip und ein aktuelles Problem: Technische Geräte verschiedener Hersteller kommunizieren häufig nicht oder nicht reibungslos miteinander. Das ist oft mühsam und erfordert Zeit und Aufwand.
Jürg Minger, langjähriger Präsident des Schweizerischen Landmaschinenverbandes, weist seit Jahren auf dieses Problem hin und plädiert eingehend für zeitnahe Lösungen. Die Herausforderungen seien vielseitig, stellt er klar.
Standards sind nötig
«Ein grosses Problem ist der Mangel an einheitlichen Standards für die Kommunikation zwischen verschiedenen Systemen und Geräten. Dies führt zu Kompatibilitätsproblemen und erschwert den Datenaustausch», umreisst Jürg Minger ein zentrales Problem. Viele Hersteller würden ihre eigenen Lösungen entwickeln, die nicht mit anderen Systemen kompatibel sind. Und davon gibt es viele: «Es gibt eine Vielzahl an digitalen Lösungen, aber auch sehr unterschiedliche Anforderungen vonseiten der landwirtschaftlichen Betriebe. Das macht die praktische Umsetzung interoperabler Systeme komplex und zeitaufwändig», so der Branchenkenner.
Eine direkte Folge davon sind hohe Kosten. Die Entwicklung und Implementierung eines solchen Systems seien oft teurer. Zudem würden viele Landwirte bei der Investition in neue Technologien zögern, wenn ein Nutzen nicht sofort ersichtlich sei, gibt Minger zu bedenken.
Bewusstsein entwickeln
Wie aber weckt man ein Bewusstsein für ein wichtiges Thema, das im Alltag oft übersehen wird? Jürg Minger rät, mit praktischen Beispielen zu arbeiten. «Man muss zeigen, wie Interoperabilität den Alltag der Landwirte erleichtern kann.» Als Exempel verweist er auf die drahtlose Kommunikation zwischen Traktoren und Anbaugeräten etwa zum Pflanzenschutz. Eine nahtlose Kommunikation zwischen verschiedenen Systemen würde die gesamte Effizienz steigern und Kosten senken.
Ein Problembewusstsein wecke man aber auch, indem man Schulungen und Workshops anbiete, ist Minger überzeugt. Es gehe darum, Veranstaltungen zu organisieren, bei denen Landwirte die Vorteile interoperabler Systeme direkt erleben und ausprobieren könnten. «Das fördert Verständnis und Akzeptanz neuer Technologien stark.»
Es sei aber auch wichtig, Erfolgsstorys zu teilen. «Es braucht in den Medien Berichte über Landwirte, die bereits von interoperablen Systemen profitierten. Erfolgsgeschichten sind motivierend und können als Vorbild dienen», findet Minger. Zudem müsse man Kooperationen fördern, etwa, indem man die landwirtschaftlichen Schulen, Verbände und Organisationen sensibilisiere. «Das Thema Interoperabilität muss auf die Agenda, damit man gemeinsam Lösungen entwickeln kann. Dazu braucht es zum einen einfache, klare Erklärungen.»
Im Alltag wichtig?
«Interoperabilität spielt tatsächlich eine immer grössere Rolle im Alltag der Landwirte, auch wenn viele Landwirte traditionell mit bestimmten Händlern und Marken arbeiten», bekräftigt Jürg Minger. Es sei ein grosser Vorteil, wenn Landwirte Geräte verschiedener Hersteller ohne Barrieren verbinden könnten und wenn diese Maschinen Daten austauschen könnten. «Es gibt den Landwirten viel Flexibilität, wenn sie nicht auf eine Marke beschränkt sind, sondern sich für die besten Technologien und Geräte von verschiedenen Herstellern entscheiden können.»
Letzten Endes, ist sich Jürg Minger sicher, führe Interoperabilität zu Kostenersparnis und mehr Nachhaltigkeit, etwa dann, wenn Landwirte ohne Zusatzaufwand präziser düngen könnten oder weniger bewässern müssten.
Wie sehen das Hersteller?
Versetzt man sich in die Position der Landtechnikhersteller, kann man sich nur schwer vorstellen, dass diese grosses Interesse an offeneren Systemen haben, statt ihre Kunden mittels digitaler Systeme enger an sich zu binden. Doch Jürg Minger bestätigt diese Vermutung nur teilweise: «Landtechnikhersteller haben tatsächlich unterschiedliche Ansichten zur Interoperabilität. Einerseits gibt es Hersteller, die Kunden an ihre eigenen, umfassenden Produktlinien binden möchten, um eine durchgängige Nutzung ihrer Systeme zu gewährleisten.» Dies biete den Vorteil, dass alle Geräte und Maschinen nahtlos zusammenarbeiten würden und der Service aus einer Hand komme.
Andererseits würden viele Hersteller die wachsende Bedeutung der Interoperabilität erkennen und aktiv daran arbeiten, ihre Systeme kompatibel zu gestalten. Das geschehe oft in Zusammenarbeit mit Brancheninitiativen und Standardisierungsorganisationen. Als Beispiel nennt Jürg Minger die Isobus-Standards, die eine herstellerübergreifende Kommunikation zwischen landwirtschaftlichen Maschinen ermöglichen.
Was kann der Staat tun?
Um mit der fortschreitenden Digitalisierung der Landwirtschaft Schritt zu halten und sicherzustellen, dass das Potenzial digitaler Innovationen möglichst ausgeschöpft werden kann, fördert der deutsche Staat seit Januar und über drei Jahre hinweg mehrere Projekte mit insgesamt rund 15 Millionen Euro.
Und was braucht es in Jürg Mingers Augen, damit die Schweiz in Sachen Interoperabilität fit wird und den Anschluss ans Ausland nicht verpasst? «Das Bundesamt für Landwirtschaft muss den gleichen Schritt machen, wie man ihn in Deutschland vollzogen hat. Man muss eine Strategie für die Schweiz erarbeiten und die Interoperabilität in der Landwirtschaft priorisieren, finanziell fördern und unterstützen.»