«Das Interesse der vielen Spaziergänger ist enorm, und von Anfragen für Führungen von Schulklassen werde ich fast überrannt, ich musste reduzieren», sagt Tobias Kritzer. Er bewirtschaftet mit seiner Familie den Pachtbetrieb von «Haus und Hof Hermolingen», dem landwirtschaftlichen Altersheim in Rothenburg.

Moderne Haltung zeigen

Im Mai konnte er den neuen Stall beziehen. Die neue Haltung der Milchkühe im Laufstall mit dem Melkroboter, sichtbar durch grosse Panoramafenster, und der offene und zugängliche Kleintierstall würden die Leute faszinieren. Zumal Hermolingen als grüne Oase mitten in umbautem Gebiet liegt und von einem viel begangenen Fuss- und Veloweg durchquert wird. Auf grossen Infotafeln wird über den Betrieb, die Tierhaltung, aber auch über die Landwirtschaft informiert.

Und Kritzer nimmt sich auch viel Zeit für Gespräche zur Imagepflege. Er habe sich früher für die angebundenen Tiere ständig rechtfertigen müssen, obwohl diese schon Zugang zu Auslauf und Weide hatten, erwähnt Kritzer die kritische Haltung vieler Leute. Die neue Liegehalle gliedere sich gut in die Landschaft ein, höre er von vielen Besuchenden. Und geschätzt werde auch, dass die alte Scheune stehen blieb und weitergenutzt werde.

LBV-Vorstand beeindruckt

Kürzlich war der Vorstand des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands (LBV) im Rahmen einer Sitzung zu Gast in Hermolingen und zeigte sich beeindruckt. Hermolingen ist eine Stiftung des LBV. Über das Heim orientierte Heimleiterin Livia Giovanoli, während Pächter Tobias Kritzer den Betrieb und den Neubau vorstellte.

Bewirtschaftet werden 29 ha LN, dies vom Pachtbetrieb Hermolingen der Stiftung sowie dem Betrieb Bertiswil von Kritzers Schwiegervater. 7 ha sind Silomais, der Rest Grünland. In Hermolingen wird Milchwirtschaft betrieben und es werden 250 Legehennen mit Eier-Direktvermarktung gehalten.

Viele Eigenleistungen

Im Rahmen eines langjährigen Baurechtes von der Stiftung konnte Tobias Kritzer dieses Jahr an die bestehende alte Scheune mit dem 33-jährigen Anbindestall mit 32 Kuhplätzen durch viel Eigenleistung eine 3-reihige Liegehalle mit Melkroboter anbauen. Diese bietet 59 Kühen Platz. «So ist der Roboter gut ausgelastet.» Geplant und eingerichtet wurde von der Krieger AG, Ruswil, der Melkroboter stammt von DeLaval. Aushub war vor einem Jahr, im Mai dieses Jahres zogen die Kühe ein.

Er sei froh, die Baueingabe noch Ende 2020 gemacht zu haben. Damals waren die Ammoniakauflagen noch weniger streng, es gab Gutschriften für den Anbindestall und Kritzer hatte damals noch eine ÖLN-Gemeinschaft mit seinem Schwiegervater. «Hingegen musste ich den Miststock unter das Dach nehmen und sonst einige Auflagen erfüllen, welche bei mir Kopfschütteln auslösten», erzählt Kritzer.

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Mit Schweizer Holz gebaut

Mit dem Bauverlauf ist er aber sehr zufrieden, und heute wäre es wohl schwieriger, nochmals für so viele Tiere Bauen zu können. Bewusst entschied er sich für eine offene Holzhalle aus Schweizer Holz. «Wenn wir selber Nachhaltigkeit und bessere Holzpreise fordern, müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen.»

Derzeit sind es 42 Kühe im neuen Stall, wöchentlich werden es mehr. «Wir sind laufend am Aufstocken durch Zukäufe und wir stellen von Braunvieh auf Rot- und Schwarzfleckvieh um.» Der Stalldurchschnitt liegt bereits bei 9000 kg Milch, «Tendenz steigend, dank dem Melkroboter, der Technik und der Genetik». Gefüttert wird eine TMR ab Mischwagen, Ergänzungsfutter gibt es beim Roboter. Im neuen Stall steht das Tierwohl im Zentrum. Die Kühe seien viel ruhiger geworden, lassen sich gerne Melken, die Leistung steige. «Das ist ein gutes Zeichen.»

Mit Leistungsvereinbarung

Während der Vegetation wird täglich bis fünf Stunden geweidet. Ziel seien bei vollem Stall eine Produktionsmenge von rund 500'000 kg Milch.

Auf dem Betrieb Bertiswil wird Grossvieh gemästet, von den eigenen Kälbern aus Mastkreuzungen. Das Fleisch der bis 600 kg Gewicht gemästeten Tiere wird über die Migros vermarktet. Zum Betrieb gehören auch 150 Hochstammbäume, viel Most wird ans Heim geliefert.

Tobias und seine Frau Ramona bewirtschaften den Betrieb, unterstützt durch Helfer(innen) aus dem nahen Heim. Mit diesem besteht eine Leistungsvereinbarung, so für die Beschäftigung der Pensionäre und für die Betreuung des Kleinviehstalles.

PV-Anlage im Contracting
Auf dem Dach der neuen Liegehalle ist eine rund 90 kWp grosse Fotovoltaikanlage installiert, im Rahmen eines Contracting. Erneuerbare Energien seien ihm und der Stiftung Hermolingen ein gros­ses Anliegen, sagt Betriebsleiter Tobias Kritzer. Aber nach einem aufwendigen Scheunenbau hätten die finanziellen Mittel nicht noch für eine eigene PV-Anlage gereicht.

80 Prozent selber nutzen
Pächter und Stiftung entschieden sich in einem Auswahlverfahren für «Swiss Clever Energy», einer Tochter von «Energie Wasser Bern», als Contractor. Dieser plante, baute und finanzierte die Anlage. Rund 80 Prozent des tagsüber produzierten Solarstroms können vom Betrieb und vom nahen Heim selber genutzt werden. Dies im Rahmen einer 25 Jahre dauernden Vereinbarung, zu einem fixen und deutlich günstigeren Preis als derzeit vom Netz. Den Überschuss verkauft der Contractor ins Netz. «Für uns ist das ein absoluter Mehrwert», sagt Kritzer. «Wer die finanziellen Mittel nicht hat, sollte ein Contracting prüfen.» 

Den Bedarf ausrichten
Zwar würden Melkroboter, Milchkühlsysteme und automatische Entmistung auch nachts Strom brauchen. Kritzer richtet den Bedarf aber vermehrt nach dem Anfall des Solarstromes. So prüft er einen stationären Futtermischwagen oder die Umstellung der Güllepumpen auf Elektrobetrieb. Stromsparen sei ein Dauerthema, beim Neubau wurde auf effiziente Technik und Beleuchtung geachtet. Ein Notstromaggregat erachtet er derzeit aber nicht als dringlich, zumal die Solaranlage doch eine gewisse Entlastung bei einer Mangel­lage böte.  «Wir prüfen aber auch das.»