Es ist Hochsommer im Berggebiet, die Sonne brennt auf die steilen Hänge und die Grashalme wiegen sich im leichten Wind. Plötzlich wird die idyllische Stille jäh von einem lauten Geräusch gestört: Ein Bergbauer müht sich mit seinem Motormäher über die Wiese.

Dabei bewegt er sich stets im Lärm und im Abgasqualm des Vehikels, was ihm Kopfschmerzen bereitet. Seine Arme sind durch die andauernde starke Vibration des Mähers ermüdet. Das Mähen mit einem herkömmlichen Einachser ist auch in flacherem Gelände kein Zuckerschlecken – aber wie könnte man Abhilfe schaffen?

Elektro klar im Vorteil

Eine Antwort auf diese Frage hat der Maschinenbau-Ingenieur Gian Caduff aus dem Bündner Bergdorf Morissen im Val Lumnezia. Seine Lösung für das Problem: das Umrüsten auf einen elektrischen Antrieb. Das funktioniert mit der sogenannten «E-Power-Unit», einem Elektrifizierungs-Kit, das der 32-jährige Bündner Oberländer in Eigenregie entwickelt hat. Die für kleine Geräte konzipierte Einheit aus Elektromotor und Akku ersetzt den Verbrennungsmotor mitsamt dem Tank.

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«Durch den elektrischen Antrieb wird das Arbeiten mit dem Einachser viel angenehmer», sagt Caduff, «denn die Belastung durch Lärm, Abgase und die starken Vibrationen fällt weg.» Werde der Einachser als Arbeitsgerät attraktiver, würden Landwirte für so manche Arbeit eher auf das kleine Gefährt setzen und den Traktor stehen lassen, ist er überzeugt. «Daraus ergeben sich wiederum positive Folgeeffekte für die Natur: Weniger Abgasausstoss und viel weniger Belastung für den Boden.» Schliesslich spare auch der Landwirt, indem er weniger hohe Maschinen- und Unterhaltskosten habe, fährt Caduff fort.

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Die «E-Power-Unit» ist eine flexible Einheit

Die «E-Power-Unit» lasse sich auf Einachsern verschiedener Hersteller anbringen, berichtet Gian Caduff. Bei der Konzeption habe man darauf geachtet, dass sie sich ohne Weiteres auf die in der Schweiz gängigsten Modelle montieren lasse. Als Beispiele nennt er die beiden Aebi-Modelle CC 56 und 66 oder den kleinen Rapid Mondo. «Die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten dieser kleinen, flexiblen Geräte machen die Investition in eine Nachrüstung für Landwirte, die oft mit diesen Maschinen arbeiten, sehr interessant», ist er sich sicher.

Die «E-Power-Unit» ist in zwei Varianten erhältlich:

  • Mit wechselbarem Akku: Der ohne Werkzeug auswechselbare Akku hat einen Energie-Inhalt von rund 5 kWh und wiegt knapp 30 kg. Bei einer mittleren Leistung seien so 1,5 bis 2 Stunden Arbeit mit einem normalen Mähbalken und normaler Bereifung möglich, sagt Caduff.
  • Mit fest verbautem Akku: Die Variante mit grösserem Akku erbringt während 2,5 bis 3 Stunden eine kontinuierliche Leistung und hat einen Energie-Inhalt von 10 kWh. Sie wiegt rund 50 kg. Auch dieser Akku ist ohne Werkzeug, aber nur mit etwas höherem Aufwand wechselbar.

Der Elektromotor leistet kontinuierliche 5 bis 10 kW, wobei Spitzenleistungen von bis zu 15 kW möglich sind. Die Akkus seien einer der grössten Kostenfaktoren der «E-Power-Unit», stellt Caduff klar. Die Einheit selbst schlägt mit rund 5000 Franken zu Buche, die Akkus kosten pro kWh rund 1000 Franken. So muss man für die Variante mit zwei wechselbaren Batterien mit einem Kostenaufwand von rund 15 000 Franken rechnen. Caduff ist zuversichtlich: «Wir erhalten im Moment sehr viele Anfragen von potenziellen Kunden. Das sind häufig Landwirte, die weg wollen von fossilen Energieträgern und die Freude haben an erneuerbaren Energien.» Ein weiteres Argument, das für die «E-Power-Unit» spricht, ist aber ihre Flexibilität: So hat Caduff die Einheit etwa auch schon in ein Schneemobil oder als Antrieb in eine Wasserpumpe eingebaut.

Junge Unternehmen fördern

Gian Caduff hat ursprünglich Landmaschinenmechaniker gelernt, danach studierte er im «Unterland» Maschinenbau. Da es den Bündner danach heim zog, gründete er 2019 eine eigene Firma in Graubünden, die «OC Engineers». Mit seinen beiden Mitarbeitern entwickelt er als Dienstleister Lösungen im Elektro-Bereich für verschiedene Hersteller. Daneben wollen die jungen Bergler aber auch eigene Produkte aufbauen; die «E-Power-Unit» ist das erste marktfertige Resultat. Ein Video aus dem Jahr 2020 zeigt das Funktionieren der Maschine.

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Der Pioniergeist von OC Engineers ist der Grund dafür, dass die Schweizer Berghilfe die jungen Vorreiter während der Startphase ihres Unternehmens finanziell unterstütz hat. Die Stiftung stellt ihre diesjährige Sammelkampagne unter das Motto «Neue Unternehmen beleben das Berggebiet». Dass dieser Slogan keine Schönfärberei oder gar Schaumschlägerei ist, bestätigt Nico Tschanz, Leiter des KMU-Zentrums Graubünden. Tschanz spricht von einem regelrechten Gründungs-Boom im Kanton Graubünden und dort besonders im Berggebiet: «2021 wurden rund 15 % mehr Unternehmen gegründet als im Jahr 2018. Und 64 % der 1047 Neugründungen erfolgten in der Bergzone.»