«Was freue ich mich, dass die Tierquäler und Menschenvergifter verloren haben»: Einträge dieser Art fand man auf Twitter, nachdem die Revision des Jagdgesetzes an der Urne abgelehnt worden war. Der Ton auf Social Media hat sich in den letzten Jahren verschärft, immer wieder werden Bauern und Bäuerinnen online beleidigt. «Es führt kein Weg daran vorbei, als dass man sich eine gewisse Elefantenhaut zulegt», sagt Sandra Helfenstein, Mediensprecherin des Schweizer Bauernverbands (SBV).
Am schlimmsten ist Twitter
Der SBV kennt Online-Hass auf seinen Social-Media-Auftritten bestens. Es gebe eine Rauheitskaskade, erklärt Helfenstein. Am schlimmsten bezüglich Hasskommentare sei Twitter. Meist handle es sich dabei um anonyme Profile. «Nach Twitter kommt Facebook, wo es aber schon deutlich gesitteter zu und her geht. Und schliesslich Instagram, das nochmals eine Stufe wohlwollender ist.»
Den Troll verhungern lassen
Hass im Internet muss man sich nicht einfach gefallen lassen. Das «Swisscom-Magazin» berichtete über zwei Strategien von erfahrenen Social-Media-Moderatoren:
- Empowerment (Ermächtigung)
- Dis-Empowerment (Entmachtung).
Beim Dis-Empowerment geht es darum, den Online-Wüterichen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Bekannt ist der Spruch: «Don’t feed the troll» («Gib dem Troll kein Futter»). Als Trolle werden Leute bezeichnet, die mit ihren Kommentaren bewusst provozieren wollen. Ignorieren kann funktionieren, wenn es sich um einige wenige Kommentare handelt. Bei mehrfachen Beleidigungen können einzelne Kommentare gelöscht oder Nutzer blockiert werden. Effektiver ist es jedoch, Nutzer einfach stumm zu schalten.
Sich mit anderen verbünden
Je nach Thema lohnt es sich jedoch, in eine Gegenargumentation einzusteigen. Dabei empfiehlt es sich, auf der Sachebene zu bleiben. Bei der Empowerment-Strategie kann man sich mit anderen verbünden und gemeinsam argumentieren.
Beim SBV kommen beide Strategien zum Einsatz: «Wir bemühen uns sehr um einen Dialog. Wir beantworten Fragen und stellen falsche Aussagen richtig», sagt Sandra Helfenstein. «Löschen und Blocken tun wir eigentlich nicht. Wir blenden aus, wenn etwas einfach ein Hasskommentar ist.»
«Eine ausführliche Antwort»
Auf Dialog setzt Caroline Ledergeber vom Schlattgut in Herrliberg ZH. «Von Hasskommentaren wurden wir bis jetzt zum Glück verschont. Wir erhalten – wenn, dann kritische – Fragen zu Themen in der Landwirtschaft.»
Ein Austausch auf Augenhöhe sei für beide Seiten lehrreich: «Aus unserer Sicht sind die Sozialen Medien eine Chance, dem nicht bäuerlichen Umfeld die Landwirtschaft authentisch näher zu bringen.» Ausserdem erfahre man dadurch, was die Leute beschäftige.
«Wir nehmen uns Zeit für eine fundierte Antwort. Bei detaillierten Fragen bevorzugen wir ein Telefongespräch oder auch ein Besuch auf dem Schlattgut ist möglich.»
«Am kritischsten sind Berufskollegen»
Einer der aktivsten Schweizer Landwirte auf Social Media ist Adrian Wenger. Seinem Instagram-Profil Wengerfarms folgen 10'600 Abonnenten. Grosse Erfahrungen mit negativen Kommentaren oder gar Online-Hass hat er bisher nicht gemacht.
«Ich habe aber auch noch nichts gepostet, das gross polarisiert, z.B. über das Thema Schlachtung oder Pflanzenschutz. Ich denke, am kritischsten sind Berufskollegen», sagt Wenger und verweist auf ein Beispiel, wo ein anderer Landwirt seinen Baumschnitt kritisierte.
Studie: Beleidigt und bedroht
Befragte Landwirte gaben im Rahmen einer von der Vetmeduni Vienna in Wien (A) veröffentlichten Studie 2019 an, dass die Kritik, die sie auf Facebook erhalten, ziemlich radikal ausfallen kann: «Mörder», «Tierquäler», «Ausbeuter» oder «Krimineller» waren ein paar der genannte Beispiele. Immer wieder gab es auch «Holocaust-Vergleiche».
Nicht selten ging die Kritik ins Persönliche, so gab eine der Landwirtinnen beispielsweise an: «Mir wurde vorgeworfen, empathielos und eine schlechte Mutter zu sein, weil ich Kühe habe und ihnen die ‹Babys› wegnehme.»
Bei anderen kam es sogar zu Beschimpfungen oder Drohungen gegenüber ihren Kindern, wie etwa «deine Kinder sollen auch gebraten werden».
Manchmal bleibt nur eine Anzeige
Zurück zu den Extremfällen: Das letzte Mittel gegen Online-Hass ist eine Anzeige. Das ist allerdings nicht immer einfach. Der Verein #Netzcourage der ehemaligen Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin bietet Betroffenen dabei kostenlos Unterstützung.
Tipps gegen Online-Hass
Die SP hat einen Wegweiser mit Tipps zum Umgang mit Online-Hass veröffentlicht - zwar für Politiker(innen), aber einige der Tipps sind auch für andere Personen geeignet, die auf Social Media Öffentlichkeitsarbeit betreiben.
- Blockieren: Hater und Trolle grosszügig blockieren.
- Auf anderen Seiten: Sollte der Hass auf anderen Seiten stattfinden, den Seitenbetreiber informieren und zur Löschung auffordern. Bildschirmfotos (Printscreens) als Beweis nicht vergessen. Wenn auf den Seiten von Medienunternehmen Artikel verletzend kommentiert werden, die Redaktionen auffordern, den Thread ent-weder zu überwachen oder zu löschen. Eventuell einen Medienanwalt oder den Verein #Netzcourage ins CC nehmen.
- Leser(innen)kommentare:Den Medienunternehmen melden und sie zur Löschung auffordern. Für juristisch relevante Kommentare haftet es.
- E-Mails: Absender blockieren. Hassmails in einen separaten digitalen Ordner verschieben, so dass die E-Mails zwar noch gesichert bleiben, aber aus dem Posteingang verschwinden. Bei bedrohlichen E-Mails ist es der Polizei dann möglich, den Absender aufgrund der IP-Adresse ausfindig zu machen.
Buch-Tipp
Vertieft mit dem Thema beschäftigt hat sich Ingrid Brodnig in ihrem Buch «Hass im Netz» (2016, Brandstätter Verlag, ISBN: 978-3-7106-0035-7).