Erdbeeren sind beliebt, doch der Anbau ist aufwendig und erfordert viel Handarbeit. Doch die Automatisierung macht auch vor der Erdbeerplantage nicht halt: Verschiedene Anbieter entwickeln (teil)automatisierte Erntemaschinen, die den Aufwand um einen Grossteil reduzieren. Dabei kommt modernste Technik zum Einsatz.

Erdbeeren sind beliebte Früchtchen

Erdbeeren sind die drittbeliebteste einheimische Tafelfrucht. Herr und Frau Schweizer essen jährlich insgesamt 24 000 Tonnen der süssen, roten Früchtchen; das macht pro Kopf rund 2,2 kg. Rund 7000 Tonnen der verzehrten Beerchen stammen aus einheimischer Produktion.

Doch Erdbeeren sind nicht nur beliebte, sondern auch empfindliche Früchte. Im Gegensatz zu anderen Früchten reifen sie nicht nach und müssen folglich geerntet werden, wenn sie bereits reif sind. Dieser Teil der Produktion erfordert am meisten Handarbeit: Rund zwei Drittel der Handarbeitsstunden entfallen auf die Ernte.

Die Ernte geschieht von Hand

Da reife Erdbeeren nur wenig Druck vertragen und schnell verderben, ist bei der Ernte ein rasches und vor allem behutsames Arbeiten Pflicht. Deshalb werden Erdbeeren noch immer manuell geerntet – keine Maschine kann es bislang in Punkto Genauigkeit, Vorsicht und Arbeitstempo mit dem Menschen aufnehmen. Folglich greift die Branche besonders zu Spitzenzeiten im grossen Stil auf Gastarbeiter(innen) zurück.

Qualifiziertes Personal steht jedoch nicht immer im gleichen Umfang bereit, das hat die Corona-Pandemie deutlich gemacht. Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen haben einen erheblichen Einfluss auf die Verfügbarkeit ausländischer Arbeitskräfte. Eine mögliche Lösung für dieses Problem liegt in der Automatisierung der Ernte.

Mehr Arme als ein Oktopus

Seit einiger Zeit arbeiten deshalb verschiedene Unternehmen an der Entwicklung automatisierter Erntemaschinen. Eine davon ist das Start-up Agrobot S. L. aus der südspanischen Provinz Huelva, die für ihren gross angelegten Erdbeeranbau bekannt ist.

Das erste Modell, das der kleine spanische Hersteller entwickelt hat, ist der Agrobot SW 6010, der mit seinen vielen «Armen» fast etwas an einen Oktopus auf Rädern erinnert. Das intelligente Gefährt erledigt die gesamte Ernte automatisch, lediglich das Selektieren und Verpacken der Früchte muss von Menschenhand erledigt werden.

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Ernte mit Ultraschall-Sensoren

Damit der Agrobot die reifen, roten Erdbeeren zuverlässig identifizieren kann, ist jeder Arm mit optischen Sensoren ausgestattet, die bis zu 30 Bilder pro Sekunde erstellen und ihre Informationen in Echtzeit an einen Rechner senden. Dieser analysiert die Früchte hinsichtlich ihrer Beschaffenheit, ihrer Farbe und ihrer Grösse. Passt die einzelne Beere ins Schema, wird sie von zwei rasiermesserscharfen Klingen am Stiel abgeschnitten und landet in einem mit Gummielementen gepolsterten Körbchen. Dann befördern die Roboterarme die Früchte auf ein Förderband, das sie zur Verpackstation am vorderen Ende der Maschine bringt. Dort sitzen ein bis zwei Personen, die allfällig ebenfalls abgeschnittene Blätter entfernen und die Früchte sortieren und konfektionieren.

Damit die Roboterarme bei ihrer Arbeit nicht mit dem Boden oder dem Damm kollidieren und beschädigt werden, sind hochempfindliche Ultraschall-Sensoren verbaut, die das Gerät warnen, bevor es zu spät ist. Weitere Ultraschall-Sensoren steuern die Maschine auf dem Feld. Das automatische Steuerungssystem sorgt dafür, dass die Radposition stets parallel zur Fahrspur verläuft und dass die Erntemaschine am Ende einer Reihe zuverlässig wendet. Dabei arbeitet die Maschine sehr zügig: Sie kann innert drei Tagen eine Fläche von über 3 km² abernten.

Der nächste Schritt

Aktuell wird beim spanischen Hersteller bereits ein neues Modell entwickelt. Grosses Interesse an dieser Maschine besteht in den USA, wo mittlerweile die Zahl der Erntehelfer(innen) aus Mittel- und Südamerika laufend zurückgeht. Hauptinvestor bei Agrobot ist denn auch die amerikanische Firma Driscoll‘s, die Stand 2017 rund einen Drittel des amerikanischen Erdbeermarkts kontrolliert. Aktuell wird der Prototyp der Agrobot «E-Series» deshalb im Praxistest in den USA eingesetzt.

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Die neue Maschine, die sogenannte «E-Series», verfügt über bis zu 24 Arme, kommt ohne menschliche Mitfahrer aus und kann Erdbeeren sowohl hors-sol von der Stellage als auch im Freien vom Damm ernten. Dabei werden die Früchte von sanft arbeitenden Greifern am Stiel erfasst, während dieser weiter oben abgeschnitten wird. Die einzelnen Beeren werden sorgfältig in grosse Behältnisse platziert und später in die Schalen für den Verkauf gelegt. Dieses Verfahren sei noch schonender als das vorherige System, heisst es bei Agrobot.

Das Ernten mit der E-Series läuft zügig ab: Zum Ablesen einer Beere benötigt die Maschine nur 5 Sekunden. Damit ist sie langsamer als ein Mensch, der im Schnitt nur 1,2 Sekunden für diese Aufgabe benötigt. Doch: Die Maschine arbeitet gleichzeitig mit mehreren Armen und kann auch während der Nacht arbeiten.