Mit einem vernehmlichen Sausen dreht sich der grosse Rotor in 60 Metern Höhe. Nur ein paar Hundert Meter hangabwärts steht der Betrieb Feldmoos, wo sich der Klang des Windrads neben dem Plätschern des Brunnens in die friedliche Geräuschkulisse einfügt. «Heute ist das Wetter perfekt, um über Windenergie zu reden», meint Roland Aregger, während ein zügiger Wind über die Hügel fegt und immer wieder Regenschauer vor sich hertreibt. Der gelernte Landwirt ist, nebst zwei Brüdern und dem Vater, Mitbesitzer der Anlage, die über dem Hof seines Bruders im Entlebuch thront.
Lauschen Sie dem Entlebucher Windrad:
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Erneuerbare ergänzen sich gut
Trüb, nass und kalt – das ist genau jenes Wetter, bei dem Windenergie Solar- und Wasserstrom perfekt ergänzen kann. Denn unter diesen Bedingungen produzieren Solaranlagen kaum Strom und Wasserkraftwerke produzieren von November bis Februar wenig. «Zwei Drittel der Windenergie fallen im dunklen Winterhalbjahr an», erklärt Roland Aregger, der sich auf Windmessungen, Beratungen und Projektierung spezialisiert hat. Vor 15 Jahren baute er auf der Hügelkuppe im luzernischen Entlebuch ein Windrad.
Eine Idee aus Deutschland
Am Anfang stand ein Beitrag vom Ökozentrum Langenbruck zur Windenergieanlage auf dem Solhof im Kanton Baselland. «Wir dachten: Wieso nicht den Betrieb auf diese Weise mit eigenem Strom versorgen?», erinnert sich Roland Aregger. Damals, 1990, waren Solarpanels noch kein Thema. Später verwarf der Luzerner die Idee aber wieder, da das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht gestimmt hätte. Das änderte sich, als die erhältlichen Windräder grösser wurden und die Technologie ausgefeilter war. Ein Inserat in einem deutschen Landwirtschaftsmagazin, das Bauern für die Windenergie zu gewinnen versuchte, weckte sein Interesse erneut. Ein Kontakt aus Stuttgart (D) empfahl ihm, eine Windmessung durchführen zu lassen, um das Potenzial an seinem Standort abzuklären. Unter Berücksichtigung des Landschafts- und Umweltschutzes und mit der Einrichtung einer «Sonderzone Windenergie» in der Biosphäre Entlebuch schritt die Planung voran, 2005 wurde das Windrad oberhalb des Feldmoos errichtet. «Seither hat die Anlage in über 67 00 Betriebsstunden rund zehn Millionen Kilowatt Strom produziert», meint der Mitbesitzer stolz. Sie sei sehr zuverlässig, produziere, wenn der Wind weht, zu 99 Prozent störungsfrei, und könne noch weitere 15 Jahre laufen.
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Studien zufolge ist die Akzeptanz für Windräder dort besonders gross, wo bereits solche Anlagen stehen. (Bild jsc)
Hohe Investitionskosten, aber Gratis-Wind
Eine Windkraftanlage ist nicht nur von den Dimensionen her kein Pappenstiel. 1,4 Millionen Franken hat Areggers Windrad gekostet, mit einer Höhe von 60 Metern und einem Rotordurchmesser von rund 50 Metern gehört es mittlerweile allerdings bereits zu den kleinen Modellen. Heute müsse man für eine modernere, grössere Variante mit sechs bis acht Millionen Franken rechnen. «Eine grössere Anlage profitiert von mehr Wind in der Höhe und es ist wie in der Landwirtschaft: Je grösser die Fläche ist, über die die Flügel streichen, desto mehr Strom gibt es. Daher ist ein mehr als achtmal höherer Stromertrag am gleichen Standort möglich», erklärt Roland Aregger.
«In unserem Windrad stecken 20 Prozent Eigenmittel – ich betrachte es als eine Kapitalanlage», meint er. Eine Investition, die auch Zinsen generiert: Der gesamte Strom wird ins Netz eingespeist, weil es zum Zeitpunkt der Installation noch nicht erlaubt war, den Strom direkt selbst zu beziehen. Pro Kilowattstunde zahlt das regionale Elektrizitätswerk 15 Rappen. Bei neueren Anlagen, die eine kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) erhalten, wird die Kilowattstunde Strom je nach Standort während durchschnittlich 15 Jahren mit 13 bis 23 Rappen vergütet. Die Finanzierung der KEV läuft über einen Zuschlag auf die Netzgebühren und wird damit letztlich von den Stromkonsumenten getragen. «Die Investitionskosten in erneuerbare Energien sind hoch», räumt der Fachmann für Windenergie ein, «dafür ist der Wind gratis. Und er weht, egal ob wir ihn nutzen oder nicht.»
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Standort und Grösse sind entscheidend
«Wie viel Energie ein Windrad schlussendlich liefert, hängt neben der Grösse vor allem vom Standort ab», erklärt Roland Aregger. Es gilt: je grösser die Anlage, desto mehr Ertrag. Bei einer Steigerung der Mastlänge von 30 auf 60 Metern verdoppelt sich der Ertrag, eine 120 Meter grosse Anlage liefert das Vierfache einer mit 30 Metern Höhe.
Ähnlich rapide sinkt oder steigt die Stromausbeute mit der Windgeschwindigkeit. Nimmt der Wind von 4 auf 5 Meter pro Sekunde zu, verdoppelt sich der Ertrag. Das führt zu grossen Schwankungen im Jahresverlauf. Trotzdem, «irgendwo weht der Wind immer», meint Aregger. Daher sollte die Stromversorgung auch nicht instabil werden, man müsse sich das grosse Ganze vor Augen halten. Unterschiedlich grosse Mengen an Wind- oder auch Solarstrom könnten sich in Zukunft schweizweit ausgleichen. Ausserdem sei es an der Zeit, eine dezentralere Stromversorgung aufzubauen und dort zu produzieren, wo die Energie auch gebraucht wird.
Zehn Jahre bis zum Bau
Der grösste zeitliche Aufwand liegt in der Planung und dem Bewilligungsverfahren, die zusammen über zehn Jahre oder deutlich länger dauern können und Millionen von Franken kosten. «Diese Kosten muss man vorschiessen, das zahlt einem keine Bank», führt Roland Aregger aus. Daher sei es ratsam, mit Partnern zusammenzuarbeiten. So würden etwa Bauern und lokale Elektrizitätswerke zusammenspannen, wobei eine Beteiligung an der Anlage vereinbart werde.
Mit Erfahrung mehr Akzeptanz
Eine Möglichkeit sei auch, dass sich einige Landwirte in der Region für ein gemeinsames Windrad zusammenschliessen. «Es gemeinsam zu wagen, ist umso besser», ist Roland Aregger überzeugt. Er habe nämlich die Erfahrung gemacht, dass den Leuten in der Umgebung Gerechtigkeit wichtig sei. Man wolle wissen, wer von der Anlage profitiere und wer möglicherweise Nachteile davon hat. Bei Immobilien ist laut Energie Schweiz nicht mit einer Wertminderung zu rechnen.
Verschiedene Untersuchungen haben gemäss Suisse-Eole, der Vereinigung zur Förderung der Windenergie in der Schweiz, gezeigt, dass die Akzeptanz für Windenergieanlagen von deren Präsenz in der Region abhängt: Wo es bereits Windräder hat, gibt es kaum Widerstand gegen weitere. Verbreitete Bedenken scheinen also zu einem grossen Teil mit der Skepsis gegenüber Unbekanntem zusammenzuhängen. «Die Leute informieren sich im Internet. Aber dort werden oft falsche Informationen verbreitet», erklärt Roland Aregger. Besser sei es, eine Anlage selbst zu besichtigen. Daher bietet er mit seiner Firma Windpower AG auch Führungen und Vorträge im Entlebuch an.
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Je grösser das Windrad, desto mehr Strom produziert es. (Bild Roland Aregger)
Aufwendige Planung vor dem Bau
Eine Windenergieanlage muss die gesetzlichen Bestimmungen zu Landschafts-, Natur- und Umwelt-, Lärm-, und Gewässerschutz einhalten sowie eine Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen. Mögliche Standorte werden von den Kantonen in Richtplänen festgelegt, die der Bund genehmigt. Die Detailplanung einer Anlage wird öffentlich zugänglich gemacht, bei der Baubewilligung hat die Gemeinde das letzte Wort. Ein geeigneter Standort muss neben Umweltkriterien in Bezug auf Windgeschwindigkeiten, Einspeisemöglichkeiten für den Strom, Zugänglichkeit (Strasse) und Akzeptanz in der Gemeinde passen. Auch darf ein Windrad kein luftfahrtechnisches Hindernis werden. Für die ganze Planung und Bewilligung muss man mit etwa 10 Jahren und Kosten in Millionenhöhe rechnen.
Pferde und Kühe schätzen den Schatten
Zum Thema Artenschutz verweist er auf die vielen Abklärungen während der Planung und Bewilligung, zu der auch der Einbezug von Zugvogelrouten und Brutgebieten gehört. Er selbst habe noch keinen toten Vogel unter seinem Windrad gefunden, wofür allerdings auch der Hofhund oder ein Fuchs verantwortlich sein könnten, meint er verschmitzt. Die Kühe und auch Pferde indes hätten nicht wirklich auf das neue Landschaftselement reagiert, «aber sie legen sich gerne in den Schatten des Mastes», erzählt Roland Aregger. Wenn das Schattenspiel des Rotors zum störendem Lichtflackern in einem Gebäude wird, werden die Anlage vorübergehend ausgeschaltet.
Mehr zu möglichen Umweltbelastungen durch Windräder lesen Sie hier.
Windräder mit vertikalen Flügeln werden von einigen als umweltverträglicher beschrieben. Sie sollen deutlich leiser sein. Aregger ist hier aber skeptisch. «In Deutschland und Dänemark beschäftigt man sich schon länger und intensiver mit der Windenergie. Wenn vertikale Rotoren besser wären, würde man dies längst anbieten», ist er überzeugt. Ein Prototyp einer Windanlage mit vertikalen Flügeln eines Schweizer Unternehmens habe im November schon bei der Inbetriebnahme einen Schaden erlitten. Laut Aregger hat diese Bauart ausserdem einen vergleichsweise hohen Materialeinsatz für dieselbe Stromausbeute.
Stromsparen ist besser
«Meiner Meinung nach ist Windenergie eine ausgereifte Technologie mit viel Potenzial und mit einer der besten Umweltbilanzen aller Stromerzeugungsanlagen – aber am besten ist immer noch: Stromsparen», hält Roland Aregger fest.
Der Bund plant den Ausbau
Der Bund strebt laut dem Konzept Windenergie einen Anteil von 7 Prozent Strom aus Wind am Schweizer Gesamtverbrauch bis 2050 an. Dadurch soll der Ausstieg aus der Atomenergie ermöglicht werden und die Abhängigkeit von Stromimporten sinken. Für dieses Ziel brauche es 400 bis 600 Anlagen oder 40 bis 60 Windpärke à 10 Windräder. Stand 2020 gibt es in der Schweiz 42 grosse Windräder. Insgesamt gebe es mit wenigen Ausnahmen in der ganzen Schweiz das Potenzial für Windenergie. Gemäss Energie Schweiz kann ein Windrad mit einer Höhe von 180 Metern rund 2 000 Haushalte oder etwa 4 500 Menschen mit Strom versorgen.
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Rund 40 Grosswindanlagen stehen in der Schweiz einzeln (dunkelblau) oder in Parks (violett). In Hellblau sind hier kleinere Windräder. (Karte BFE)
Abgeschlagen im europäischen Vergleich
Was die Anzahl Windräder bzw. die aus Wind gewonnen Strommenge angeht, ist die Schweiz im europäischen Vergleich auf dem letzten Platz. Österreich, das doppelt so gross ist, hat heute bereits über 1'300 Windenergieanlagen in Betrieb und der Anteil von Windstrom am Stromverbrauch machte 2019 13 Prozent aus. Ausserdem plant Österreich, diesen Wert bis 2030 auf 25 Prozent zu erhöhen.