«Man sieht, wie schnell das geht. Wir beweiden die Weide ja genau gleich und trotzdem kommt die Verbuschung immer näher und wird intensiver. Wenn man nichts macht, geht es schnell, dann ist hier plötzlich Wald.»

Diese Aussage eines Berner Oberländer Älplers zitiert der Geografiestudent Michael Müller in einem Referat über seine Masterarbeit zur Verbuschung von Sömmerungsflächen im Berner Oberland. Müller hielt seinen Vortrag im Rahmen der Fachtagung «Landtechnik im Alpenraum», auch bekannt als die «Feldkirchtagung». Mit seiner Arbeit wolle er zu einem besseren Verständnis des Phänomens beitragen, so Müller.

Eine Methode, um Verdachtsflächen zu ermitteln

Zwischen 1985 und 2016 sei in der Schweiz eine Fläche verloren gegangen, die fast der Grösse des Bodensees entspreche, sagte Michael Müller. Ein drastischer Befund, der das Ausmass des Problems verdeutlicht.

Um das Fortschreiten der Verbuschung aufzeigen und sogenannte «Verdachtsflächen» ermitteln zu können, hat Müller mehrere Methoden miteinander kombiniert. Zum einen verwendet er Vegetationshöhenmodelle, die auf sogenannten Lidar-Daten beruhen. Diese werden durch Laser-Messung ermittelt und ermöglichen es, die Höhe und Dichte der Vegetation zu schätzen. Zum anderen hat Müller auf Luftbilder zurückgegriffen, die den tatsächlichen Stand zeigen. So kann er auf einer Karte zeigen, welche Gebiete wie stark bedroht sind.

Um den Ursachen der fortschreitenden Verbuschung auf die Spur zu kommen und mögliche Gegenmassnahmen aufzuzeigen, hat der angehende Geograf Interviews mit Älplerinnen und Älplern geführt, die Sömmerungsflächen im Berner Oberland bewirtschaften. Zusätzlich hat er mehrere Fachpersonen interviewt, um einen weiteren Blick auf das Problem zu gewinnen.

Verschiedene Faktoren beschleunigen das Problem

Michael Müller hat in seiner Forschung herausgearbeitet, dass es verschiedene Faktoren sind, welche die Verbuschung fördern:

  • Naturräumliche Gegebenheiten: Exposition und Höhenlage haben einen Einfluss darauf, welche Pflanzen in eine Weide vordringen können.
  • Fehlende Arbeitskräfte: Weil viele Heimbetriebe wachsen, sind mögliche Arbeitskräfte dort absorbiert, es kommt zu Arbeitsengpässen. Immer weniger Leute verbringen einen ganzen Sommer auf der Alp. Ausserdem werden die Pflichtstunden zunehmend weniger gut geleistet. Anpassungen an dieses Problem sind für die Sömmerungsbetriebe nicht immer einfach.
  • Klimawandel: Der Klimawandel wirkt sich mehrfach aus. Zum einen steigt die Waldgrenze, zum anderen breiten sich Büsche schneller aus und wachsen schneller. Zusätzlich breiten sich neue Problempflanzen aus, die es wiederum zu bekämpfen gilt. Das erfordert noch mehr Zeit.

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Alle Interviewten ergreifen Massnahmen

In den Interviews, die Michael Müller mit dem Alppersonal geführt hat, wird deutlich, dass sie alle gegen die zunehmende Verbuschung ankämpfen. Meist kommt eine Kombination verschiedener Methoden zum Einsatz, etwa Handarbeit, Ziegenhaltung oder gar der Einsatz von Chemie.

Ein strittiger Punkt sei das Mulchen besonders stark betroffener Flächen, hielt Müller fest. Während die Betroffenen darauf hinweisen, dass Mechanisierung aufgrund der topografischen Gegebenheiten oft nur schwierig oder gar nicht zu bewerkstelligen sei, zeigen sich die interviewten Expert(innen) optimistischer.

Beim Thema Mulchen kommt schliesslich auch der Gesetzgeber ins Spiel. So ist es beispielsweise verboten, Biodiversitätsförderflächen zu mulchen. Befürchtet werden Schäden an Flora und Fauna sowie eine Anreicherung der Böden mit Nährstoffen. Das Amt für Landwirtschaft und Natur (Lanat) des Kantons Bern prüfe allerdings eine Zulassung unter bestimmten Kriterien, sagte Müller.

Konzepte sind dringend nötig

Um der fortschreitenden Verbuschung Einhalt zu gebieten, sei es wichtig, zu bestimmen, auf welchen Flächen sich die Offenhaltung überhaupt lohne. Dann seien standortspezifische Konzepte und klare Ziele nötig, bekräftigte Michael Müller abschliessend. Ohne, sei der Kampf gegen den Wald nicht zu gewinnen.